Gefriertrocknung: Die pharmazeutische Integrität im Fokus
Energieeinsatz und Bedienerschutz sind nur zwei der aktuellen Herausforderungen
Immer mehr biotechnologisch erzeugte pharmazeutische Wirkstoffe kommen auf den Markt. Sie sind in der Entwicklung und Herstellung meist extrem aufwändig und teuer, zugleich äußerst empfindlich und in flüssiger Form nur bedingt haltbar. Viele dieser Arzneimittel wären innerhalb weniger Tage unbrauchbar. Die Gefriertrocknung bietet dann oftmals die einzige Chance, solch instabile Arzneimittel vermarkten zu können. Doch mit den neuen Arzneimitteltypen steht auch die Gefriertrocknung vor neuen Herausforderungen.
Neue Wirkstofftypen sorgen für geänderte „Vorzeichen“ in der pharmazeutischen Gefriertrocknung. Diese Wirkstofftypen sind häufig nicht nur teuer, sondern auch hochaktiv in ihrer Wirkung. Damit könnten bereits Kleinstmengen eine potenzielle Gesundheitsgefahr für Anlagenbediener darstellen. Diese Gefahr gilt es im Bereich der Gefriertrocknung und der angeschlossenen Systeme systematisch auszuschließen.
Hochpotente Arzneimittel: Gefahren bannen
Die Gefriertrocknung im industriellen Maßstab ist sinnvollerweise in den Füll- und Verschließprozess eingebunden. Daraus ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zwischen Gefriertrocknung, Verpackungsprozess und Containment. Diese Schnittstellen sind in der Projektierung und Ausführung bis ins Detail perfekt aufeinander abzustimmen: von den mechanischen Anschlüssen bis hin zur Steuerungstechnik. Dies gilt als zentrale Voraussetzung für sichere Prozesse.
Die Be- und Entladesysteme des Gefriertrockners, mit denen die befüllten Behältnisse in die Gefriertrockner übergeschoben und später ausgeschoben werden, sind dabei ein wichtiger Faktor. Mechanische Hürden im Transport sind zu vermeiden. Zerbrechende oder kippende Vials könnten zu Gefährdungen der Bediener und zu langen Produktionsunterbrechungen führen. Turnkey-Hersteller wie Optima Pharma testen die Übergänge im Vorfeld und bieten zudem einen integrierten FAT der Systeme.
Auch das spezifische Containment bzw. Isolatorsystem kann bereits während der Projektierung mit Hilfe von Gewerke-übergreifenden Simulationen getestet werden. Hier sind gerade die Anschlüsse zwischen Isolator (oder cRABS), Transport- und Beladesystem sowie der Übergang in den Gefriertrockner besonders zu beachten. Gleiches gilt beim Verlassen des Gefriertrockners, bis die Vials gebördelt und gemäß den pharmazeutischen Regularien verschlossen sind. Simulationen des Laminar Flows oder der Reinigungswirkung haben sich bereits in vielen Projekten als effizientes Werkzeug erwiesen, um sichere Dekontaminationsprozesse zu gestalten und noch vor ihrer Realisierung zu prüfen.
Innerhalb der Gefriertrockner haben sich heute bei aseptischen Anwendungen Clean-in-Place- und Sterilize-in-Place-Systeme für die Dekontamination durchgesetzt. Automatisierte Systeme sind zudem qualifizier- und validierbar. Entscheidend ist dabei, dass sich an keiner Stelle im Gefriertrockner flüssige Rückstände ansammeln können. Auch auf die Vakuumpumpen ist besonders zu achten, um hier Kreuzkontaminationen zu vermeiden. Die Gefriertrocknungsanlagen selbst weisen äußerst geringe Leak-Raten auf. Damit bildet der Füll- und Verschließprozess zusammen mit der Gefriertrocknung eine durchgängig vor äußeren Einflüssen geschützte, aseptische Prozesskette.
Ebenfalls ein Sicherheitsaspekt ist die Überwachung und Auswertung der Prozesse mittels Sensoren und Datenauswertungen. Mit Process Analytical Technology (PAT) findet eine Überwachung der technischen und physikalischen Parameter der Abläufe statt. Temperatur- und Drucksensoren sind quasi Standard bei Gefriertrocknungsanlagen. Erweiterte PAT-Tools, die erfolgreich eingesetzt werden, sind bspw. Massenspektrometer oder TDLAS (Tunable Laser Asbsoption Spectrometer) sowie unterschiedliche Vakuumsensoren (Pirani- und Kapazität-Vakuumsensor).
Mit möglichst wenig Energie
Die neuen Arzneimitteltypen werden häufig in nur kleinen Batches hergestellt. Gleichzeitig gilt die pharmazeutische Gefriertrocknung als ein energieintensiver und zeitaufwändiger Prozess. Auch in diesem Kontext sind Lösungen gefordert.
Erster und wichtigster Schritt auf diesem Weg ist immer, eine Gefriertrocknungsanlage an die vielen Prozessparameter und die tatsächlichen Kundenbedürfnisse optimal anzupassen. Abhängig von den geplanten Einsatzszenarien, den zu verarbeitenden Arzneimitteln etc. ergeben sich unterschiedliche Gestaltungsvarianten. Die Summe aus diesen kunden-, projekt-, bzw. produktabhängig gestalteten Anlagendetails ergibt erhebliches Energieeinsparpotenzial.
Bei den Kältesystemen stehen bspw. mehrere Varianten zur Auswahl. Kältemittel wie LN2 sowie kombinierte Systeme, die mit dem Kältemittel LN2 Belastungsspitzen abdecken, sind eine Alternative zu „klassischen“ Kälteanlagen mit Kompressionsmaschinen. Der Energieeinsatz ist damit niedriger, im Gegenzug sind die Investitionskosten sowie die Betriebskosten höher. Bei den Kälteanlagen selbst wurde die Effizienz über die letzten Jahre hinweg kontinuierlich gesteigert. Ein interessanter Aspekt kann der Nachlauf von Kompressoren sein, der sich noch für die Kühlung an anderer Stelle nutzen lässt. Bei den so genannten Kaskadenkühlsystemen sind wiederum mehrere Kompressoren nacheinander geschaltet.
Sollen mehrere Gefriertrocknungsanlagen – wie dies gerade bei kleinen Batches der Fall sein kann – betrieben werden, kann sich eine zentrale Kälteanlage in der Energiebilanz als günstiger erweisen als mehrere dezentrale. Genauso kann die geschickte Einsatzplanung der verschiedenen Anlagen dazu beitragen, eine gleichmäßige Kühlleistung abzurufen, was sich positiv im Energieverbrauch auswirkt.
Auch das Design der Aufstellplatten hat wesentlichen Einfluss auf die Gefriertrocknungsprozesse und den Energieeinsatz. Deren Nutzfläche (Konvektion) soll zu möglichst 100 % gleichmäßig gekühlt werden. Zudem ist die absolut plane Ausführung der großen Flächen für die optimale Nutzung der eingesetzten Energie entscheidend. Für die unterschiedlichen Kältekonzepte wurden jeweils optimierte Kühlschlangen des Eiskondensators entwickelt, um auch hier Energieeinsparungen zu realisieren.
Licht in die Black Box bringen
Die pharmazeutische Gefriertrocknung wird mitunter auch als „Black Box“ bezeichnet. Verschiedene Ergebnisparameter sind bis heute nicht zu 100 % steuerbar. Zwar ist es möglich, die Produktintegrität vollumfänglich zu wahren und die Lagerfähigkeit eines Arzneimittels wie gewünscht zu erzielen. Doch für andere Parameter muss im Prozess in der Regel ein gewisser „Puffer“ einkalkuliert werden. Die Herausforderung besteht darin, den Prozess insgesamt noch exakter als bisher steuern zu können.
Neue Ansätze wie das vakuuminduzierte Einfrieren tragen zu wesentlichen Verbesserungen bei. Damit kann in vielen Fällen die Qualität des gefriergetrockneten Arzneimittels optimiert werden (optimierte Restfeuchte und Homogenität des Pulvers). Zudem lässt sich der zeitliche Verlauf des Gefriertrocknungsprozesses mit dem Verfahren häufig positiv beeinflussen. Ein kürzerer Prozess reduziert in der Regel auch den Energieeinsatz.
Anlagenflexibilität erhöhen – Modularität und Scale-up
Gefriertrockner für große Kampagnen wie bspw. Impfstoffe und solche für kleine Batches unterscheiden sich nicht nur in der Aufstellflächengröße, sondern meist auch im Aufbau. Beispielsweise werden bei großen Gefriertrocknungsanlagen die Kondensatoren und weitere Technik häufig in einem Technikgeschoss platziert und nur die Trocknungskammer befindet sich in einem Reinraum. Bei kleineren Anlagen sind diese Komponenten der Anlagen meist auf andere Weise räumlich zu trennen.
Gefriertrocknungsanlagenhersteller stehen damit vor der Herausforderung, kleinere Anlagen in ihrem Aufbau möglichst flexibel und kompakt zu gestalten, um für vielfältige Anforderungen gewappnet zu sein. Zudem sollten sie sich auf einfache Weise in bestehende Produktionsumgebungen integrieren lassen. Eine modulare Bauweise hilft, diese Anforderungen technisch und kostenoptimiert umzusetzen.
Das gezielte Scaling-up vom Labormaßstab in die Produktion erfährt mit den neuen Arzneimitteltypen ebenfalls einen neuen, höheren Stellenwert – allein schon weil das Scaling-up häufiger durchzuführen ist. Eine möglichst zielgenaue Vorgehensweise ist dabei wichtig. Hierfür wurden neue Modelle und Verfahren entwickelt, mit denen sich die Prozesse vom Labor in die Produktion sehr präzise übertragen lassen. Damit sind die Rezepturen von Anfang an effizient einsetzbar.
Ausblick: übergreifende Forschung
Da es sich um ein sehr komplexes Verfahren handelt, haben sich 2014 Experten aus Wissenschaft und Industrie zusammengeschlossen, die übergreifend an der Zukunft der Gefriertrocknung arbeitet (Lyohub.org). Im Fokus stehen dabei industriell-anwendungsbezogene Fragen. Mit diesen vielfältigen Entwicklungsansätzen wird die Gefriertrocknungstechnologie auch in Zukunft eine Lösung sein, die den Bedürfnissen der pharmazeutischen Industrie umfassend Rechnung trägt.