Prüfung von Schutzeinrichtungen flexibel gestalten
Prüfzyklen verlängern, systematische Fehler vermeiden, Kosten senken
Die jährliche wiederkehrende Prüfung ist ein wichtiger Bestandteil zur Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit von PLT-Sicherheitseinrichtungen. Das aktuelle NAMUR Arbeitsblatt NA 106 „Flexible Prüfung von Feldgeräten in PLT-Schutzeinrichtungen“ fokussiert dabei nicht nur die Aufdeckung zufälliger Fehler im Rahmen der wiederkehrenden Prüfungen, sondern betont auch die Notwendigkeit der Vermeidung systematischer Fehler im gesamten Lebenszyklus.
Die Heartbeat Technology und das SIL-Gerätekonzept der neuen Proline Durchflussmessgeräte von Endress+Hauser unterstützen beide Aspekte – sie flexibilisieren die wiederkehrenden Prüfungen und reduzieren damit den Aufwand und die Kosten. Bislang werden Schutzeinrichtungen einmal im Jahr geprüft. Die Grundlage für diese jährliche Prüfung wurde unter anderem in der Betriebs-Sicherheitsverordnung, der VDI/VDE 2180 sowie der NAMUR Empfehlung NE 130 gelegt. Der hohe Aufwand für die jährlichen Prüfungen für den Betreiber und die damit verbundenen Anlagenstillstände und Ausfallzeiten haben zu einem verstärkten Bedarf nach alternativen Prüfmethoden geführt. Das in 2018 überarbeitete NAMUR Arbeitsblatt NA 106 nimmt Bezug auf die in der IEC 61511-1 genannten Ansätze zur Optimierung von Prüfungen der SIL-Schutzeinrichtungen:
Vorgeschlagen werden
- höhere Redundanz zur Durchführung von Prüfungen im laufenden Betrieb,
- höhere Diagnostic Coverage durch verbesserte interne Diagnosen der verwendeten Sensoren oder eine
- Anpassung der Prüfstrategie weg von der durchgängigen oder der teilsystembasierten Prüfung hin zur Prüfstrategie „Flexible Prüfung“ von Feldgeräten in PLT-Schutzeinrichtungen.
Die durchgängige Prüfung meint dabei die Prüfung des kompletten Sicherheitssystems vom Prozess über den Sensor bis zum Aktor, inklusive des Logiksystems. Die alternative teilsystembasierte Prüfung wird durch Einzelprüfungen des Sensors, des Logiksystems und des Aktors auch heute schon praktiziert.
Die NA 106 beschreibt nun die neuen Möglichkeiten einer „Flexiblen Prüfung“, basierend auf einer separierten Einzelprüfung von Sensor, Aktor und des Logiksystems. Dabei stellt sie mögliche Prüfmodule mit unterschiedlichen Prüfschritten vor, um die individuellen Anforderungen hinsichtlich gewünschter Prüfintervalle und der Prüftiefe zu erfüllen. Im Gegensatz zur durchgängigen Prüfung wird damit ein zeitlich gestaffeltes Prüfkonzept möglich. Diese optimierte Prüfdurchführung verbessert die Anlagenverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit bei gleichbleibender Sicherheitsintegrität, bspw. durch Prüfungen im laufenden Betrieb (Sensorik) in Kombination mit Stillstandprüfungen (Ventile).
Genau hier bietet die Heartbeat Technology mit den drei Säulen Diagnose, Verifkation und Monitoring weitreichende Möglichkeiten zur Umsetzung dieser flexiblen Prüfungen in PLT-Schutzeinrichtungen.
Umfangreiche Prozess- und Gerätediagnose
In der Vergangenheit war die detaillierte Prüfung z. B. von Coriolis-Massedurchflussmessgeräten in Ermangelung geeigneter Prüftools und Prüfprozesse meist nur auf die visuelle Prüfung und die Prüfung der Parametrierung sowie des Ausgangssignals beschränkt. Heute ermöglicht die
Heartbeat Technology mit ihrer umfangreichen integrierten Gerätediagnose und Prüfprozeduren eine hohe Diagnoseabdeckung von bis zu 93 %.Zur Prüftiefe und Diagnoseabdeckung erklärt das NA 106: „Der Diagnosedeckungsgrad (DC) ist die Prüftiefe einer automatisiert oder online (d. h. bei laufender Anlage) durchgeführten Prüfung, deren Prüfintervall mindestens um den Faktor hundert kürzer ist als die Anforderungsrate an die zugeordnete PLT-Sicherheitseinrichtung.“ Der DC unterscheidet sich von der Prüftiefe lediglich hinsichtlich seiner mathematischen Behandlung im numerischen SIL-Nachweis. Grundsätzlich kann jede Prüfung auch zur Diagnose umfunktioniert werden, sofern die vorgenannten Eigenschaften erfüllt sind.
Mit der Heartbeat Diagnose werden kontinuierlich Einflüsse und Fehler diagnostiziert und nach NE 107 über die definierten NAMUR-Kategorien verarbeitet. Bei Gerätedefekten und Ausfall des Messsignals wird je nach wahlweiser Einstellung ein Min- oder Max-Ausfallsignal über den 4…20 mA Ausgang ausgegeben.
Die kontinuierlichen Prüfprozesse im SIL-Betrieb richten sich nicht nur an die Elektronikkomponenten im Signalweg, sondern integrieren auch alle prüfbaren sensorspezifischen Bauteile. Die automatischen Prüfroutinen in Verbindung mit dem SIL-Betrieb, die alle 30 Minuten durchfahren werden, beinhalten unter anderem auch eine Stromrückführung. Dabei wird das Ausgangssignal über den gesamten Signalweg geprüft und mit einem zweifach redundanten Referenzsignal von zwei Rohsignal-Quarzen verglichen. Die Quarze simulieren dabei die Phasenverschiebung der Coriolis-Messrohre, als wäre das Gerät auf einer Kalibrieranlage.
Interne Verifikation
Die Heartbeat Verifikation ermöglicht unterschiedliche Prüfungsmethoden je nach Anforderung der Schutzeinrichtung. Der systematische und automatisierte Prüfablauf kann am Gerät oder remote über die Steuerung bzw. durch das Leitsystem ausgelöst werden.
Als ein Resultat der Open-Integration-Kooperation zwischen Endress+Hauser und Hima ist die Heartbeat-Verifikation über die Himax-Sicherheitssteuerung jetzt auch bei SIL-verriegelten Geräten möglich. Durch die implementierten Security Features der Himax-Sicherheitssteuerung kann ein Security-Konzept gemäß IEC 62443 für den HART-Gerätezugriff realisiert werden. Diese Features umfassen zum einen getrennte Kommunikationspfade im System für die sicheren und nicht sicheren Daten sowie klar definierte Kommunikationsports, zum anderen auch eine integrierte HART-Firewall in SIL 3 Qualität. Die Firewall kann z. B. sicherstellen, dass Feldgeräte zwar ausgelesen werden können, Schreibkommandos gleichzeitig jedoch blockiert werden. Hierdurch ist ein fehlerfreier Prüfablauf ohne manuellen Eingriff zur Vermeidung systematischer Fehler sichergestellt. Außerdem liest die Himax im Rahmen der Verifikation auch die Sensorkenndaten wie z. B. den HBSI (Heartbeat Sensor Integrity) Wert aus, die für eine vorausschauende Wartung herangezogen werden können, um Beläge, Korrosion oder sonstige Schädigung an den Messrohren zu erkennen.
Zusätzliche Prüftiefe mit externer Verifikation
Zusätzlich zu den beschriebenen automatisierten Prüfungsmöglichkeiten bestehen weiterführende bzw. Stand-Alone-Prüfungsprozeduren mit der Heartbeat Verifikation am Gerät. Damit können weitere flexible Prüfmodule individuell an der jeweiligen Schutzeinrichtung umgesetzt werden. So bietet das Aufstarten des Gerätes bspw. den Prüfablauf einer kompletten Verifikation mit einer Prüftiefe von 75 %. In Kombination mit einer zusätzlichen Kalibrierung des Stromausgangs mithilfe eines Stromkalibrators bietet die externe Verifikation eine erweiterte Prüftiefe von 85 %.
Die am Gerät durchgeführte interne oder externe Heartbeat Verifikation stellt damit die umfassendste Prüfung von Durchflussmessgeräten dar und bietet neben der genannten Prüftiefe die Möglichkeit, ein umfassendes, detailliertes und fälschungssicheres Prüfprotokoll zu erstellen, in dem neben den Gerätekenndaten und den Prüfungsergebnissen vor allem auch Langfrist-Kennwerte des Sensorsystems für eine Beurteilung der Veränderung seit der letzten Prüfung ausgegeben werden.
Heartbeat Monitoring
Der größte Schritt in Richtung eindeutige Prozess- und Gerätediagnose ist mit der Implementierung der Heartbeat Monitoring Parameter in Promass 300 Coriolis-Messsystemen gelungen. Vor allem in Schutzeinrichtungen sind die systematischen Fehler, die das Messverhalten der Sensorik beeinträchtigen können, von besonderer Bedeutung.
Das NA 106 nennt falsche Signalwerte als typisches Ergebnis systematischer Fehler. Diese können z. B. durch Verschmutzungen, Verstopfungen, Korrosion, Abrasion, falschen Einbau, falsche Parametrierung, schlechte oder falsche Befestigungen usw. hervorgerufen werden. Gerade in PLT-Schutzeinrichtungen ist das Überwachen dieser systematischen Fehler durch geeignete und eindeutig interpretierbare Trend-Monitoring Parameter besonders wichtig, auch wenn diese nicht in die Berechnung der Prüftiefe einfließen.
Hier bietet die Weiterentwicklung der Diagnose-Algorithmen der Monitoring Parameter weitreichende neue Möglichkeiten. Endress+Hauser konnte bereits einige Installationen umsetzen, bei denen die Belagstärke in belagsbildenden Medien so genau gemessen werden kann, dass die Informationen nun zur Ansteuerung von Reinigungszyklen zum richtigen Zeitpunkt genutzt werden. Somit erfolgt die Reinigung automatisch, bevor der Prozess beeinträchtigt ist. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Reinigung nicht unnötig oft durchgeführt wird. Das senkt die Kosten durch unnötige Reinigungszyklen oder Anlagenstillstände und erhöht die Produktausbeute.
Derzeit werden Algorithmen entwickelt, um andere Einflussgrößen wie Korrosion oder Luftanteil im Medium in Zukunft sehr genau und reproduzierbar zu ermitteln.