Verwirrung bei der GDP-Zertifizierung
Interview mit Wolfgang Engel, Leiter Competence Center Logistics, DQS und Wolfgang P. Albeck, Vorsitzender der Geschäftsführung,
Im September 2013 ist die überarbeitete Richtlinie für die gute Vertriebspraxis in der Pharmabranche (EU-GDP) in Kraft getreten. Seither haben Logistikdienstleister versucht, den EU-GDP Anforderungen entsprechende Transportlösungen zu entwickeln, und einige haben sich diese Lösungen inzwischen zertifizieren lassen. Doch die zertifizierten Logistikkonzepte sind sehr unterschiedlich. Können sie trotzdem alle GDP-konform sein? Basieren die Zertifikate auf einheitlichen vergleichbaren Standards? Dr. Sonja Andres, CHEManager sprach mit Wolfgang Engel, Leiter Competence Center Logistics bei der Zertifizierungsgesellschaft DQS, und mit Wolfgang P. Albeck, Vorsitzender der Geschäftsführung der Trans-o-flex, dessen Unternehmen eine EU-GDP-Zertifizierung für ein flächendeckendes Netz zum Arzneimitteltransport mit aktiver Temperaturführung vorweisen kann.
CHEManger: Herr Engel, welchen Logistikdienstleistern hat Ihr Unternehmen bisher eine GDP-Zertifizierung ausgestellt?
W. Engel: Wir sind zum Beispiel bei Mitgliedern des Bdkep aktiv.
Herr Albeck, ärgern Sie sich über diese Zertifizierungen Ihrer Wettbewerber?
W. P. Albeck: Nein, jeder macht das, so gut er kann. Aber als Kunde würde ich mich sehr wohl ärgern, wenn ein Dienstleister mit einem GDP-Zertifikat den Eindruck erweckt, dass man ihm Arzneimittel bedenkenlos übergeben kann, und dann zeigt sich bei genauerem Hinschauen, dass etwa die Zertifizierungen mehrerer Transportdienstleister nur für nicht-temperaturgeführte Transporte gelten oder regional eingeschränkt sind. Damit fällt ein wesentlicher Faktor der neuen EU-GDP, nämlich die Temperatur beim Transport, praktisch unter den Tisch und der Versender muss selbst sehen, wie er die richtige Temperatur beim Transport temperatursensibler Sendungen sicherstellt und welche qualifizierten Transportverpackungen er dafür nutzen kann.
W. Engel: Diese Einschränkungen werden von uns klar im Zertifikat ausgewiesen. Auch weisen wir unsere Kunden darauf hin, dass das Zertifikat nur für diese Bereiche genutzt werden darf.
Gibt es also Unterschiede in der GDP-Zertifizierung?
W. Engel: Natürlich. Das liegt vor allem daran, was die Unternehmen zertifizieren lassen wollen. Nicht jedes Logistikunternehmen ist in der Lage und hat den Anspruch, die gesamte Palette abzubilden.
Kann denn der Kunde anhand eines EU-GDP Zertifikats entscheiden, ob er bei einem zertifizierten Dienstleister die Qualität bekommt, die er braucht?
W. P. Albeck: Die Unterschiedlichkeit der Zertifikate erschwert Kunden die Arbeit völlig unnötig. Der Kunde kann nicht einfach abhaken, ob ein Zertifikat vorhanden ist oder nicht. Er muss immer erst genau schauen, was zertifiziert wurde. Wenn er aber Ware sortieren und auf unterschiedliche Dienstleister verteilen muss entstehen deutlich höhere Komplexitätskosten – und der Hof steht voller Fahrzeuge. Es ist viel einfacher, wenn Kunden einen Dienstleister haben, der alles aus einer Hand anbietet – mit und ohne Temperaturführung, Radiopharmaka, Zeitdienste. Ein einheitliches, behördlich anerkanntes Zertifikat könnte die Arbeit erleichtern.
W. Engel: Man muss immer auf das Zertifikat schauen und auf zwei Punkte besonders achten, auf den Wirkungsbereich und den Anwendungsbereich. Beides steht auf der Zertifikatsurkunde. Beim Wirkungsbereich kommt es beispielsweise darauf an, ob das Zertifikat nur für die Zentrale eines Unternehmens gilt, nur für eine bestimmte Region oder für das ganze Netz. Beim Anwendungsbereich steht dann bei GDP-Zertifikaten etwa, dass es nicht für temperaturgeführte Produkte gilt oder dass Waren, deren Transport länger als 24 Stunden dauert, zurück zum Empfänger gehen. Dies macht grundsätzlich Sinn, um den Unternehmen die Möglichkeit zu gewähren, in Teilbereichen tätig zu werden.
Weshalb gibt es hier solche Unterschiede? Wenn ich ein ISO-Zertifikat habe, ist das doch anders, oder?
W. Engel: Auch beim ISO-Zertifikat gibt es zum Beispiel unterschiedliche Tätigkeits- und Anwendungsbereiche. Wichtig ist jedoch, drei Gruppen von Zertifikaten zu unterscheiden. Die erste Gruppe der Zertifikate, die Sie angesprochen haben, bescheinigt die Übereinstimmung mit bestimmten ISO-Normen. Hier werden alle Zertifizierer zusätzlich von einer neutralen Organisation überwacht, dem Akkreditierer. Die zweite Gruppe besteht aus Zertifizierungsstandards von Organisationen wie der TAPA. Hier ist es so, dass die jeweilige Organisation einen Kreis von Firmen aussucht, die zertifizieren. Diese überprüfen dann, ob ein Unternehmen etwa die Sicherheitsstandards der TAPA einhält, und erteilen dementsprechend das TAPA-Zertifikat. Die EU-GDP gehört zu einem dritten Bereich, in dem es keinen Standardträger wie TAPA gibt. Es handelt sich hierbei um Konformitätsprüfungen gegen Richtlinien wie zum Beispiel der EU-Guideline.
Wie funktioniert die Zertifizierung hier?
W. Engel: Das ist – besonders für Logistikdienstleister – ein Dilemma. Derzeit ist vorgesehen, dass nur Herstellern und Großhändlern das GDP-konforme Arbeiten durch die zuständige Überwachungsbehörde bescheinigt werden kann. Dieses GDP-Zertifikat muss in Deutschland von den Regierungspräsidien ausgestellt werden. Und weil es diese Zertifikate für Logistikdienstleister nicht gibt, die Hersteller und Großhändler jedoch in der Pflicht der Überwachung ihrer Logistikdienstleister stehen, führt das zu einem riesigen Aufwand von individuellen Kundenaudits. Unternehmen wie die DQS haben dann aufgrund ihrer Zertifizierungserfahrung GDP-Zertifizierungen entwickelt.
Und wer kontrolliert dies?
W. Engel: Zum einen überprüfen natürlich die Regierungspräsidien trotzdem stichprobenartig, ob die GDP-Vorgaben eingehalten werden. Zum anderen gilt für die DQS als akkreditierte Zertifizierungsgesellschaft, dass wir die anerkannten Zertifizierungsregeln aus den ISO-Prozessen auch auf die GDP-Zertifizierung anwenden.
Welchen Schluss haben Sie als Logistikdienstleister aus dieser verworrenen Lage gezogen?
W. P. Albeck: Wir sind in Absprache mit unseren Pharmakunden konsequent einen eigenen Weg gegangen. Uns war und ist es wichtig, dass Pharmakunden sich zu 100% darauf verlassen können: Wenn wir unsere Ware an Trans-o-flex geben, dann läuft das auch komplett GDP-konform. Deshalb wurde neben unserem Netz für kühlpflichtige Produkte von zwei bis acht Grad beispielsweise eigens das Ambient-Netz für aktiv temperaturgeführte Transporte im Bereich zwischen 15 und 25 Grad aufgebaut. Eine Zertifizierung ist hier weitaus anspruchsvoller, weil sie neben den allgemeinen Anforderungen wie Schulung, Reinigung, Dokumentation und einem bestehenden Qualitätsmanagementsystem auch gerade die Anforderungen der Temperaturführung in den Fokus stellt. Schlagworte sind hier: Qualifizierung, Kalibrierung und Validierung des eingesetzten Equipments und der Prozesse. Wir und auch unsere Kunden haben die GDP-Konformität unseres Systems natürlich vorher geprüft, wollten aber mit der GDP-Zertifizierung auch die Übereinstimmung unseres Systems mit den EU-Vorgaben nach außen deutlich machen.
Sind Sie damit gescheitert?
W. P. Albeck: Nein, ganz im Gegenteil. Die Inflation der GDP-Zertifikate hat zwar bei manchen Kunden zu einer Verunsicherung geführt, doch bei den meisten Kunden war es aber ein weiterer Baustein für ihr Vertrauen in uns. Außerdem muss jeder, der sich zertifizieren lässt, wissen: Ein Zertifikat zu haben, ist schön, aber erst dann fängt die eigentliche Arbeit an. Man muss die definierten Prozesse leben und wir nutzen das Zertifikat und die regelmäßigen Kontrollen beispielsweise für Verbesserungen des Prozesses, die dann gleich dokumentiert werden. Das hilft uns, nicht stehen zu bleiben und das System kontinuierlich weiterzuentwickeln und auszubauen.
Würden Sie Trans-o-flex nochmals GDP zertifizieren lassen?
W. P. Albeck: Ja, auf jeden Fall! Ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist, die GDP-Konformität zu dokumentieren, und dass es dazu derzeit keine bessere Alternative gibt. Wir würden darüber hinaus vergleichbare Prüfmechanismen begrüßen. Damit würde sich im Transportbereich die Spreu vom Weizen trennen und die Auswahl für Pharmaunternehmen wäre deutlich einfacher. Die Rahmenbedingungen der Zertifizierung und damit die Qualität des Zertifikats wären dann transparent, die Aussagekraft des Zertifikats wesentlich höher.
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