Längere Lebensdauer für Kondensatoren
Beschichtung verzögert Rohrwechsel im EDF-Kraftwerk Cordemais
Der Industriedienstleister Thyssenkrupp Xervon hat vor kurzem die knapp 40.000 Rohre des Hauptkondensators im französischen Wärmekraftwerk Cordemais vor Ort auf ganzer Länge mit einer speziellen Plastocor-Innenbeschichtung versehen und damit seine Instandhaltungskompetenz auf dem Kraftwerkssektor manifestiert. Mit dieser Maßnahme vermeidet der Kraftwerksbetreiber Électricité de France (EDF) die um ein Vielfaches teurere Neuberohrung seines Kondensators und verlängert dessen Lebensdauer um mehrere Jahre.
Weltweit verzichtet kaum ein Kraftwerk auf die Beschichtung mit Plastocor - eine patentierte zweikomponentige Epoxidharzrezeptur. In erster Linie sind es Kondensatoren (alt wie neu), die mit dem kaltreaktiven Stoff langfristig vor Korrosion und Erosion geschützt werden. Aber auch Wärmetauscher, Ölkühler, Pumpengehäuse und Kühlwasserleitungen lassen sich mit Plastocor beschichten und können von dessen Resistenz gegen Kühlwasser, Seewasser, diverse chemische Bestandteile, feststoffhaltige Emulsionen und Flüssigkeiten bei Temperaturen bis 80 °C profitieren.
Vier Verarbeitungsvarianten
Thyssenkrupp Xervon hat vier Verarbeitungsvarianten entwickelt, die sich zu einem kompletten Beschichtungssystem für alle wichtigen Bauteile des Kühlwasserkreislaufs ergänzen: Plastocor 400 K ist ein streichfähiges Material, das speziell auf die von Kühlwasser durchströmten Wasserkammern zugeschnitten ist und in einer 500 bis 600 µm dünnen Schicht manuell aufgerollt oder gespritzt wird. Für den Einsatz an Rohrböden wurde Plastocor 2000 entwickelt - eine 3 bis 5mm dicke Beschichtung, die in Verbindung mit speziellen Stopfen in mehreren Lagen gespachtelt wird. Plastocor IL bzw. Plastocor IL/Keramik ist eine dreilagige Beschichtungsvariante (Schichtdicke: maximal 120 µm), die Rohrein- und austritte auf bis zu 400 mm Länge gegen Verschleiß schützt. Einen ganzflächigen Schutz des Rohrinneren bietet das noch recht junge Tubelining-Verfahren. Mit dieser Plastocor-Verarbeitungsvariante lassen sich die Innenflächen der kleinkalibrigen Kondensatorrohre auf ganzer Länge beschichten.
Bestnoten für das Tubelining
Außergewöhnlich positive Erfahrungen hat man mit dem „Tubelining" im französischen Kernkraftwerk Phénix gemacht. Dieses Versuchskraftwerk aus dem Jahre 1973 steht vor der Abschaltung. Durch das vor ca. zwei Jahren durchgeführte Tubelining von 20.000 Kondensatorrohren konnte man mit verhältnismäßig geringem finanziellem Aufwand die Lebensdauer des Kondensators noch einmal um mehrere Lebensjahre verlängern - ohne nennenswerten Leistungsverlust. Gleichzeitig gingen die Ausfallzeiten deutlich zurück. Das hat EDF veranlasst, den Kondensator in Cordemais ebenfalls mit Plastocor zu schützen. Wirbelstromprüfungen hatten bei den im Hauptkondensator vorhandenen Rohren aus Sondermessing - eine Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel - so umfassende Wanddickenschwächungen aufgedeckt, dass der komplette Austausch aller Rohre die Alternative gewesen wäre. Das wäre allerdings nicht nur rund zehnmal so teuer gekommen; eine Neuberohrung würde auch wesentlich mehr Zeit (und damit Ausfallzeit des Kraftwerks) kosten als die Beschichtung.
Im Rahmen einer Kraftwerksrevision hat deshalb von Anfang Juni bis Ende Juli ein 14-köpfiges Team in Cordemais die Rohrplatten und die Innenrohre beschichtet. Dazu wurden zunächst die Rohrplatten nach DIN EN ISO 12944 (Teil 4) gesandstrahlt: Rautiefe größer 60 µm, Reinheits-grad SA 2,5. Die 13 m langen Innenrohre wiederum wurden mit einem speziellen Strahljet auf die Beschichtung vorbereitet. Er bläst das feine Strahlmittel turbulent ins Innenrohr und setzt diesen Vorgang über die gesamte Rohrlänge fort, sodass die oberflächlichen Ablagerungen abgetragen werden und ein beschichtungsgerechter Untergrund entsteht. Anschließend wurden die rund 80 m2 Rohrböden mit Plastocor 2000 beschichtet. Dieses Beschichtungsverfahren wird in Verbindung mit speziell für diesen Zweck entwickelten, konisch ausgebildeten Systemstopfen ausgeführt, die als Negativform dienen. Sie werden vor dem Spachteln so weit in den Rohrvorstand eingesetzt, wie es die gewünschte Beschichtungsdicke erfordert (im Normalfall drei bis fünf Millimeter). Anschließend wird das Beschichtungssystem in mehreren Lagen aufgetragen. Nach einer Zwischentrocknung von acht bis zwölf Stunden bei 20 °C wird die gespachtelte Oberfläche dann geschliffen, anschließend die Stopfen entfernt und endversiegelt. Das Ergebnis: die ausgehärtete Beschichtung bildet den konischen Verlauf der Systemstopfen nach, gewährleistet dadurch einen strömungsfreien Einlauf in die Kühlwassereintrittsrohre und schützt die Einwalzstellen vor Korrosion.
Dann folgte in einem weiteren Arbeitsschritt das Tubelining mit Plastocor TL. Dabei wurden insgesamt 37.150 Rohre auf ihrer gesamten Länge von 13 m mit einer dünnen Plastocor-Schicht geschützt. Aufgetragen wird die Beschichtung grundsätzlich vor Ort am Kondensator teilautomatisch mit einer speziell für diesen Zweck entwickelten Tubelining-Maschine. Dabei fährt zunächst ein mit einer Rundkegelspritzdüse bestückter Schlauch durch das zu beschichtende Rohr bis ans Rohrende. Dann startet die Tubelining-Maschine den Materialauftrag, und während der Schlauch zurückfährt (außerhalb des Rohres wird innerhalb einer Sekunde das Spritzbild aufgebaut), wird das Rohrinnere rundum und auf ganzer Länge beschichtet. Ein Computer steuert dabei alle entscheidenden Parameter. Der entscheidende Vorteil dieses Verfahrens: Die aufgetragene Beschichtung reduziert die Leistung des Kondensators nicht stärker als die ganz normalen Veränderungen in einem ungeschützten Rohr. Im Gegenteil: Während die Wärmeleitfähigkeit eines neuen, unbeschichteten Rohres durch Fouling, Erosion und Korrosion bereits nach wenigen Monaten Betriebsdauer abnimmt, hält ein mit Plastocor geschütztes Rohr den Wärmedurchgang lange Zeit auf hohem Niveau, z. B. auch, weil die hydrophobe Oberfläche manchen Anbackungen widersteht und sich daher leichter reinigen und pflegen lässt.
Die größte Herausforderung bei den Beschichtungsarbeiten in Cordemais war der äußerst eng gesteckte Zeitrahmen. Insbesondere das Tubelining erfordert viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und lässt sich nicht beschleunigen. Zudem vereinfachte der speziell in französischen Kraftwerken verbreitete geringe Rohrinnendurchmesser von nur 18mm (in Deutschland sind 20 mm oder größer üblich) die Beschichtungsarbeiten nicht gerade. Dennoch konnten die Xervon-Spezialisten den Auftrag termingerecht abgewickeln.
Drei Fragen an Projektleiter Frank Krollzick
CHEManager: Die Beschichtung mit Plastocor ist im Kraftwerkssektor weit verbreitet. In welchen anderen Bereichen setzen Sie das Verfahren ein?
F. Krollzick: Unsere Beschichtungen werden auch in der Papierindustrie, im Schiffbau bei Schiffskondensatoren sowie in der chemischen Industrie appliziert.
Mit welcher Kostenersparnis können Kraftwerks- und Prozessanlagenbetreiber oder Apparatebauer durch die Behandlung mit Plastocor rechnen?
F. Krollzick: Die Kostenersparnis ist für die Betreiber sehr hoch, da sich durch die Plastocor-Beschichtung die Lebensdauer der Kühlwasserkomponenten enorm erhöht.
Sie haben zahlreiche Großprojekte weltweit abgewickelt. Welches sind die größten Herausforderungen, auf die sie bisher gestoßen sind?
F. Krollzick: Für die Ausführung der Arbeiten auf ausländischen Baustellen ist die logistische Abwicklung immer wieder eine neue Herausforderung, insbesondere was den Versand der Geräte und Materialien und den Zoll betrifft. Hier verfügen wir aufgrund der zahlreichen Projekte über eine große Erfahrung.
www.thyssenkruppxervon.de
www.plastocor.de