Standortmarketing Chemie
Vom Kaspar-Hauser-Dilemma zum erfolgreichen Nachbarschaftsdialog
In der Chemiebranche finden man landauf landab nach wie vor das „zwei-Welten-Phänomen". Es gibt die Welt drinnen und die Welt draußen. Nachteilig und bisweilen problematisch ist, dass die Außenwelt dazu neigt, das was drinnen vor sich geht, kritisch bzw. negativ zu bewerten. Das geschieht einerseits aus Unkenntnis, andererseits dadurch, dass sich Negativmeldungen mitunter über Jahre nachhaltig in den Köpfen halten. Ebenfall kontraproduktiv ist, dass Standortmarketing, als einseitig postulierte Unternehmenskommunikation Inhalte in immer gleicher Weise und nach wie vor auf immer gleichen Wegen wiederholt. Es stellt sich somit ein doppeltes Kaspar-Hauser-Dilemma ein: Nachbarn erfahren das, was Sie ohnehin schon wissen. Doch Informationswiederholung ohne Mehrwert (kommunikationswissenschaftlich: Nachrichtenwert) schlägt auf Dauer um in Negativbewertung. Unternehmenskommunikation, die nicht auf zeitgemäße Veränderungen reagiert bleibt in Ihrer Entwicklung stehen und ist nicht in der Lage, Ihrer Aufgabe einen Image fördernden Nachbarschaftsdialog anzuregen nachzukommen. Diesen Tatsachen müssen sich die Chemieunternehmen stellen.
Der falsche Ansatz der Unternehmenskommunikation
Ein Kommunikationsfehler, der nach wie vor häufig beim Standortmarketing gemacht wird, ist die Nachbarschaft mit allerlei technischer juristisch erforderlicher Information zu versorgen. Natürlich sind Dinge wie Schutzbestimmungen, Not-/Störfallhinweise etc. wichtig und erforderlich. Aber die so praktizierte werkseitige Unternehmenskommunikation im klassischen Verständnis kann das Dilemma zwischen außen und innen nicht wirklich beseitigen, denn dabei handelt es sich um einseitige Kommunikation, zu häufig immer noch sehr klassisch (printlastig) ausgerichtet und ohne wirkliche mehrdimensionale Kommunikationsstrategie. Übrigens gilt das genauso z.B. für Initiativen gegen Standorte oder einzelne Unternehmen etc., die ausschließlich über Parolen und Meinungsmache agieren. In beiden Fällen gibt es nur Propagandisten, aber kein Gespräch. Der Fehler liegt im Ansatz. Standortmarketing, verstanden als Nachbarschaftsdialog funktioniert anders.
Dialog beginnt mit Zuhören
Ein gutes Gespräch lebt davon, dass sich die Beteiligten zuhören, sich gegenseitig Fragen stellen, Meinungen austauschen und entsprechend mit Argumenten und Antworten auf das Gegenüber reagieren. Das schafft auf beiden Seiten neue Erkenntnisse, Einblicke und idealierweise Verständnis für Gegenpositionen. Im Falle des Chemie-(Standort-)marketings heißt also der erste Schritt „Gespräche suchen und zuhören lernen".
Wer fragt informiert besser
Erst das miteinander sprechen, sich Sorgen und Bedenken der Nachbarn anhören bzw. offene Fragen beantworten sowie Falschannahmen und Vorurteile ausräumen, schafft die Grundlagen für die richtigen Antworten seitens der Unternehmenskommunikation.
An virtuellen Algerfeuern spricht man über sie
Besser denn je ist heute Information verfügbar. Fachwissen, das noch vor Jahren kleinen Expertenkreisen vorbehalten war, ist heute für Interessierte ohne zeitliche und räumliche Barriere und ohne offiziellen Status gewollt legal zugänglich. Auf den neu entstandenen Gesprächsmarktplätzen der SocialMediaplattformen wie XING, Facebook, LinkedIn, Youtube etc. wird über Unternehmen, Marken gesprochen - auch über Sie. Der wesentliche Unterschied zur bisherigen Unternehmenskommunikation „von oben freigegeben" ist, dass an den virtuellen Lagerfeuern unzensiert auf Augenhöhe nahezu in Echtzeit miteinander gesprochen wird. Statt Kommunikation gibt es dort Konversation.
Wer Themen anspricht ist Meinungsmacher
Mit diesem Verständnis wird schnell deutlich, dass Kommunikationsempfänger nicht nur die unmittelbaren Anwohner sind, die etwa im Falle eines Störfalls per Radio, Presse oder „Notruf-Hotline" informiert werden, sondern es gibt informelle Nachbarn, die sich aus politischen und inhaltlichen Gründen für das Unternehmen interessieren. Oder anders gesagt, all diejenigen sind zu adressieren, die mittelbar oder unmittelbar durch eigene Kommunikation gut oder schlecht auf das Image des Unternehmens einwirken können (sog. Opinion Leader). Ziel dabei ist, aktiv Themen zu besetzten bzw. aktiv Informationen und Positionen zu kommunizieren. Dieses sog. Agenda Setting geht andernfalls im Netz sehr schnell vom Unternehmen zu „externen Sprechern", die durch Fragen, Anmerkungen etc. ihrerseits Informationen einfordern und durch Meinungen Themen forcieren.
Ergänzend negativ kommt heute dazu, dass einmal im Internet veröffentliche Meinungen und Meldungen, immer wieder (z.B. durch Suchmaschinen) gefunden werden. Solange die Unternehmenskommunikation nicht online „kontert", hält sich ein Negativeintrag bei GOOGLE recht lange auf der ersten Ergebnisseite und prägt somit nachhaltig die Sichtweise auf das Unternehmen.
Werden Zielgruppen (Anwohner, Medien etc.) etwa bei Sondermeldungen (Störfällen) nur über ein oder zwei Kanäle (Radio, Presse, Kurzinfo auf der Webseite) informiert, kann eine hochbrisante Eingendynamik der Kommunikation entstehen. Verwaltungsorganisatorisch bedingt ist die Krisenkommunikation zumeist zeitversetzt, punktuell, häppchenweise und durch vorgefertigter Information gekennzeichnet . Aufgrund technischer Möglichkeiten kann adhoc eine Parallelkommunikation seitens Anwohnern etc. entstehen , die schneller und unkontrollierbar ist und sich oft nachhaltig negativ auswirkt. Ein Bild oder ein Video mit der Privatkamera, ergänzt um paar Schlagwörter kann heute jeder innerhalb von Minuten ins Internet stellen. Da das in Echtzeit von Suchmaschinen berücksichtigt wird, finden Nachbarn „Aktuelles" eher bei solchen „Privatjournalisten, aus ihrer Nachbarschaft" als von offizieller Unternehmensseite. Ein ergänzendes Phänomen ist, dass solche „Privatkommunikation" heute als glaubwürdiger eingestuft wird, als die unternehmensseitige Kommunikation. Unternehmen müssen daher sowohl in der kontinuierlichen Kommunikation wie auch in der „Krisenkommunikation" dringend umdenken.
Standortmarketing ist pro-aktiv, dezentral, interaktiv
Zusammenfassend bedeutet das, dass zeitgemäßes Standortmarketing sämtliche Möglichkeiten der modernen Kommunikation nutzt , Kommunikationszielgruppen besser identifiziert und adressiert und eine offene Kommunikationskultur an den Tag legt.
Zum „Werkzeugkasten" dialogorietierter Standortkommunikation gehören demnach:
- eine Webseite inkl. News-, Presse- und Nachbarschaftsbereich, die binnen Minuten unternehmensseitig pflegbar bzw. aktualisierbar ist
- ein kontinuierlicher, persönlicher Dialog mit Nachbarn
- eine Online-Kommunikationsstrategie über die eigene Webseite hinaus
(um informelle Nachbarn dort anzusprechen, wo sie sich online aufhalten um über „Ihre Themen zu sprechen"
- eine offene, durch Nachbarschaftsdialog inspirierte Broschüren-, Magazin-, und Informations-Kommunikation vor Ort
- ein regelmäßiger persönlicher Austausch mit Lokal-, Regional- und Fachmedien
- eine aktive kontinuierliche Online-Kommunikation (Online-Relations), um nachhaltig-negative „externen" Meldungen durch eigene Inhalte nicht zuletzt auch in den Ergebnislisten der Suchmaschinen auf die Plätze zu verweisen.
- und schlussendlich die Bereitschaft, sich auf einen echten Dialog einzulassen.
Weitere Informationen rund um das Thema uvm. erhalten Sie auch auf dem kostenlosen Seminar "Chemie-Kommunikation und Fachmedien -
Anforderungen, Potenziale, Handlungsansätze in NRW", das am 14. Juli 2010 auf dem BioCampus in Köln statfindet. Details zur Veranstaltung finden Sie hier.
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