Lean Management: Total Raffinerie Mitteldeutschland macht Organisation zukunftsfähiger und effizienter
12.06.2019 -
Die Welt der Petrochemie wandelt sich. Im Mittleren Osten werden bspw. immer mehr Produkte aus Erdöl in unmittelbarer Nähe großer Förderanlagen hergestellt. Gleiches gilt für Asien. Die Besonderheit dieser Betriebe: Sie sind zum Teil aus wirtschaftspolitischen Gründen entstanden, damit sich die Länder vom Westen ökonomisch unabhängiger machen. Aber auch aus den USA sind viele Aktivitäten zur Ölraffinierung zu vermelden. Einer, der die globale Wettbewerbssituation gut kennt, ist Laurent-Xavier Gauvin. Der gebürtige Franzose ist Leiter des Lean4Leuna-Projekts in der Total Raffinerie Mitteldeutschland (TRM) in Sachsen-Anhalt. Die Anlage, in der derzeit rund 700 Mitarbeiter tätig sind, ging 1997 nach dreijähriger Bauzeit am Chemiestandort Leuna in Betrieb. TRM ist nicht nur für die Region wichtig, weil von Leuna aus mehr als 1.300 Tankstellen ihren Nachschub erhalten. Die Raffinerie ist auch deutschlandweit der größte Hersteller von Methanol, einem bedeutenden Grundstoff für die Chemieindustrie.
Generationenwechsel Das Management der TRM ist nicht nur mit branchenspezifischen Herausforderungen konfrontiert. Es beschäftigt sich seit geraumer Zeit auch mit dem Generationenwechsel in der Raffinerie, der Work-Life-Balance der Mitarbeiter sowie der Arbeitsplatzattraktivität. Thema Generationenwechsel. Schon bei der Inbetriebnahme der Anlage 1997 wusste Reinhard Hanisch, dass die damals eingestellten jungen Männer und Frauen in drei Jahrzehnten nach und nach in den Ruhestand gehen werden. Hanisch war in mehreren leitenden Positionen in der TRM tätig, zuletzt steuerte er vor Gauvin das Projekt Lean4Leuna. „Wir stellten daher schon seit einiger Zeit junge Leute ein, weil in den kommenden zehn Jahren etwa 180 der insgesamt 700 Mitarbeiter in Rente gehen“, erläutert Hanisch. Intensiv beschäftigte er sich daher mit dem Thema Wissenstransfer. Auch mit den Werten und Zielen der neuen Mitarbeitergeneration setzte sich das Management intensiv auseinander und dachte über flexiblere Arbeitszeiten und neue Schichtmodelle nach. Damit war auch das Ziel „Attraktivitätssteigerung der Arbeitsplätze“ verbunden. Hierbei spielt der Standort Leuna eine wichtige Rolle. Weil ein Teil der jungen Menschen aus Ostdeutschland abwandert, konkurrieren die Unternehmen aus der Region um Talente. Um sich den Herausforderungen für die Zukunft optimal zu stellen, diskutierte das Management vor einigen Jahren über eine neue langfristige Vision und die sich daraus ableitenden Ziele „Wir hatten uns vorgenommen, nicht an einzelnen Schrauben zu drehen, sondern uns die Prozesse ganzheitlich anzusehen“, berichtet Hanisch. Vier Ziele standen dabei im Vordergrund:
- Prozessorientierung: Hier ging es um die kontinuierliche Verbesserung von bewährten Arbeitsschritten, die Analyse und Dokumentation von Prozessen sowie das Setzen von Prioritäten. Ein weiterer Punkt: transparentes und interdisziplinäres Arbeiten.
- Effizienzmanagement: Dabei stand im Vordergrund, Leistungskennzahlen, sogenannte Key Performance Indicators (KPI), zu definieren. Diese Kennzahlen sollten dann die Teams erfassen, verfolgen und verbessern.
- Organisation: Im Mittelpunkt standen die Themen Wissensmanagement, der Aufbau von Kompetenzen, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern, sowie die bessere Beherrschung von Arbeitsspitzen durch mehr Flexibilität der Mitarbeiter.
- Kultur: Dabei standen ergebnisorientiertes Verhalten und Prozesse im Vordergrund. Die Mitarbeiter sollten durch ein besseres Verständnis der Organisation motivierter arbeiten und offen für Neues sein. Die grundlegenden Handlungsmaximen sollten Disziplin und Effizienzorientierung lauten.
Rosinenpicken Schon im Namen des Projekts wurde die Methodik verankert: Lean4Leuna. Die Projektimplementierung startete 2017. Gut ein Jahr später konnte die Projektleitung erste Ergebnisse präsentieren. Methodisch orientierten sich die Projektleitung nicht an einem einzigen Managementsystem, die Devise hieß stattdessen: Rosinenpicken. Das heißt: Aus verschiedenen Methoden sollten genau die Ansätze gewählt werden, die am besten zur TRM passen. Die Mutter aller Fragen lautete dabei: Wie kann jede Art von Verschwendung vermieden werden? Konkret hatte das Management beispielsweise Wartezeiten oder Arbeiten, die doppelt verrichtet werden, im Visier. Am Anfang des Projekts stand eine Mammutaufgabe: Die Analyse von rund 2.200 Aktivitäten, die Prozessen zugeordnet werden mussten. „Beim Zusammenfassen und Clustering dieser Aktivitäten zu Prozessen unterstützten wir die TRM“, berichtet Udo Moser von ILS. Dafür untergliederte das Projektteam das sogenannte TRM-Prozessmodell und fügte Details ein. Es ging um einen Kernprozess, die Herstellung von Mineralöl- und Chemieprodukten, sowie acht Hauptprozesse. Ziel war es, kontinuierlich alle Prozesse zu verbessern und weiterzuentwickeln. Um bei den Mitarbeitern Verständnis für das Vorhaben zu gewinnen und sie vom Nutzen von Standards zu überzeugen, führte ILS mehrere Trainingseinheiten mit den TRM-Angestellten durch. Das Besondere der ganzen Aktion: Es war kein Standard-Lean-Projekt, sondern ein kundenspezifisches. „Es wurde genau auf die Besonderheiten dieser Raffinerie zugeschnitten“, betont Berater Moser.
„Die Adaption der Lean-Methodenauf eine Raffinerie
war eine herausfordernde Arbeit."
Laurent-Xavier Gauvin, Leiter Lean4Leuna-Projekt, Total Raffinerie Mitteldeutschland
Neue Denkweise
Was sich in der Theorie einfach liest, gestaltet sich in der Praxis als tägliche Herausforderung. In der Vergangenheit arbeiteten und dachten die Mitarbeiter in den klassischen Abteilungen und Strukturen einer Organisation. Mit Einführung des Projekts mussten sie sich an eine neue Denkweise, ein neues Mindset, gewöhnen. Konkret hieß das: „Das Denken in Silos war vorbei, die Mitarbeiter mussten jetzt übergreifend denken und handeln“, berichtet Hanisch.
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