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Effizienzschub für Unternehmen

Papierloses Labor hilft, Herausforderungen in Forschung. Entwicklung und Qualitätskontrolle zu meistern

31.08.2012 -

Labors für Entwicklung und Qualitätskontrolle in der pharmazeutischen Industrie befinden sich in einem immer stärker ausgeprägten Spannungsfeld zwischen regulatorischen und wirtschaftlichen Anforderungen. Um diesen Anforderungen zu genügen, sind neue Wege des Prozess-, Daten- und Systemmanagements nötig. Das Papierlose Labor, verstanden als ganzheitliche Prozessinitiative, nicht als Systemeinführung, kann nicht nur diese Herausforderungen meistern, sondern darüber hinaus auch einen nachweisbaren Effizienzschub für Unternehmen leisten.

In Entwicklungs- und Freigabeprozessen sind regulierte Laboratorien oft der eigentliche Flaschenhals und Kostentreiber. Dies hat zwei Gründe: Einerseits steigen die behördlichen Anforderungen an Qualität, Haltung und Verfügbarkeit der Daten. Andererseits fordern die wirtschaftlichen Zielsetzungen der Unternehmens - in immer kürzerer Zeit und mit gleichbleibendem oder sogar reduziertem Personalbestand.

Gekoppelt mit dem technologischen und apparativen Fortschritt, der ebenfalls dafür sorgt, dass in immer kürzerer Zeit immer mehr Daten generiert werden, stellt dies klassische Dokumentations- und Datenmanagementprozesse vor nahezu unüberwindliche Hindernisse.

Hybridsystem als Grundübel

Wenn man sich die aktuelle Datenhaltung in Laboratorien vor Augen führt, ist diese durch den Einsatz vieler unabhängiger, nicht integrierter Datenablagen in elektronischer Form und auf Papier gezeichnet. Oft gilt Papier als das führende Dokumentationsmedium, was in Kombination mit den zahlreichen computergestützten Systemen, wie Analysengeräten, Office-Applikationen oder übergeordneten Laborinformationsmanagement- oder ERP-Systemen, zu einem Hybridsystem mit zahlreichen Medienbrüchen führt.

Diese Medienbrüche sind das eigentliche Grundübel. Sie resultieren in Ineffizienzen, Qualitäts- und Compliance-Risiken und unnötig langen Durchlaufzeiten. Das Qualitätsrisiko durch die hohe Anzahl an manuellen Datenübertragungen wird zwar typischerweise durch extensive Kontrollmechanismen reduziert, dies verringert jedoch die auch Effizienz und führt zu noch längeren Durchlaufzeiten. Der Einsatz isolierter Systeme verhindert die zeitgerechte Verteilung von Information. Die Folge sind weitere Verzögerungen und Mehraufwände.

Schlussendlich liegt erhebliches Kapital der Unternehmen in Form von Unternehmenswissen brach. Der Aufwand die Datengrundlage für moderne Knowledge Management Systeme für Statistiken, Data Mining, Reporting, Exception Handling etc. zu schaffen, ist bei den vielen Insellösungen schlicht zu groß. Viele Erkenntnisse, die aus den vorhandenen Daten gewonnen werden könnten, bleiben verborgen.

Dass die Einführung eines weiteren IT-Systems, wie z.B. eines elektronischen Laborjournals (ELN), das Papier in elektronischer Form abbildet hier nicht wirklich Abhilfe schafft, versteht sich von selbst. Zwar verspricht die Einführung derartiger System gewisse Gewinne aus Qualitäts- und Compliance-Sicht, da aber das eigentliche Problem nur von Papier in eine elektronische Form („Paper on Glass") verschoben wird, materialisieren sich erhoffte Effizienzsteigerungen nur in sehr geringem Maß. Nur die Optimierung und gleichzeitige elektronische Unterstützung der eigentlichen Laborprozesse - die Einführung des Papierlosen Labors - ermöglicht es, das Spannungsfeld aufzulösen.

Der Weg zum Papierlosen Labor

Da es sich bei der Einführung des Papierlosen Labors nicht einfach um die Implementierung einer weiteren IT-Applikation handelt, berücksichtigt das Vorgehensmodell weitere Aspekte, um ein tragfähiges Gesamtkonzept erstellen zu können. Diese lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: die Business-Sicht, die Sicht der Nutzer und die technische Perspektive.

Die Business-Sicht definiert das Ziel des Projekts, die Vision und stellt sicher, dass die Einführung des Papierlosen Labors mit den Unternehmenszielen verknüpft wird. Typische Ziele sind hierbei z.B. die Erhöhung des Netto Cashflows in produzierenden Unternehmen, die Verkürzung von Entwicklungszeiten und daraus resultierende Mehrumsätze im Entwicklungsumfeld oder die Reduktion von Lagerbeständen und die damit verbundene Kapitalfreisetzung. Selbstverständlich sind Kombinationen davon und weitere, andere Ziele ebenfalls möglich. Entscheidend ist jedoch, dass ein quantitativer Zusammenhang zwischen den Laboraktivitäten und den Unternehmenszielen hergestellt wird. Dies geschieht durch Definition eines unternehmensspezifischen Einflussgefüges und dessen Umsetzung in ein entsprechendes Finanzmodell . Nur so kann sichergestellt werden, dass das Umsetzungsprojekt die Unternehmensziele unterstützt und eine Wirtschaftlichkeitsrechnung alle Aspekte und Einflussfaktoren berücksichtigt.

Die Sicht der Nutzer stellt das zentrale Element bei der Konzepterstellung dar. Basierend auf einer fundierten Prozess- und Systemanalyse wird diese in Form von Prozessbeschreibungen und Datenströmen widergegeben. Neben den eigentlichen Laborkernprozessen werden auch unterstützende Prozesse von der Gerätewartung bis zur Verwaltung von Referenzsubstanzen und Reagenzien im Ist-Zustand abgebildet. Die Prozessanalyse ist aber auch der Grundstein für die nachfolgend durchgeführte Multimomentanalyse. Diese Methodik erlaubt es, aus qualitativ beschriebenen Prozessen quantitative Aussagen abzuleiten.

Methode der Wahl

Die Multimomentanalyse , liefert statistisch fundierte und akkurate Aussagen über den Ressourceneinsatz pro Prozessteilschritt. Und dies über alle Prozesse hinweg. Zur quantitativen Erfassung erhält jeder Labormitarbeiter ein auf seine von ihm durchgeführten Prozesse abgestimmtes mobiles Gerät. Dieses fordert ihn in periodischen, aber zufälligen Abständen auf, den eben durchgeführten Arbeitsschritt aus einer Auswahlliste auszuwählen. Da die Multimomentanalyse keine Eingabe von Dauern oder anderen Parametern erfordert, sondern nur einen simplen Klick, ist der Eingriff in den Arbeitsfluss minimal. Über eine typische Zeitdauer von zwei Wochen erhält man so ausreichend Daten, um mit hohem Detaillierungsgrad statistisch signifikante Aussagen über Aufwände, Dauern und Häufungen für Prozesse, Prozessschritte und Arbeitskategorien treffen zu können.

Die Auswertungen erlauben es nicht nur, Prozesse wirklich dort zu optimieren, wo der größte Bedarf bzw. Nutzen besteht, sondern gestatten es auch, Arbeitsschritte zu kategorisieren und somit das Potential für die Einführung des Papierlosen Labors quantitativ auszudrücken. Dies wiederum liefert die Basis für einen faktenbasierenden Business Case auf Basis des erwähnten Finanzmodells und für den wirtschaftlichen Vergleich von verschiedenen Umsetzungsszenarien. Die qualitative Prozessbeschreibung liefert somit in Kombination mit den Kennzahlen und quantitativen Aussagen aus der Multimomentanalyse die Kerninformationen für die Konzepterstellung.

Berücksichtigt man noch die technische Sichtweise, die vor allem bestehende Infrastruktur, Unternehmensstandards und langfristige Strategie aus IT und apparativer Sicht beleuchtet, kann ein vollumfängliches Konzept zur Automatisierung der Labordatenflussprozesse in Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen erstellt werden.

Neben den drei Sichtweisen erfordert die Konzepterstellung für das Papierlose Labor auch die Anwendung von Prinzipien, die es erlauben, Soll-Prozesse zu definieren. Das Schlüsselprinzip und die Vision des Papierlosen Labors ist der selbstdokumentierende Prozess, der allein durch seine Ausführung eine GxP-gerechte Dokumentation generiert und überflüssige Arbeit aus dem Arbeitsfluss eliminiert. Dies setzt den Einsatz von Schnittstellen und die Nutzung von Barcodes zur fehlerfreien und schnellen Erfassung voraus. Es bedeutet aber auch, dass Datenredundanz und Fragmentierung eliminiert werden, das Single Source of Truth-Prinzip umgesetzt und dass alle Daten von überall und durch jeden berechtigten Nutzer in Echtzeit zugänglich sind. Dies führt wiederum zu Prozessverbesserungen, schnellerer Entscheidungsfindung und verbesserter Zusammenarbeit.

Die Anwendung dieser Prinzipien auf die Ist-Prozesse erlaubt die Definition von Soll-Prozessen und die Ableitung von funktionalen Anforderungen. Als Teil des Konzepts wird im Rahmen der Gap-Analyse das Delta zwischen verfügbarer Funktionalität - aus der technischen Sichtweise - und der benötigten funktionalen Anforderungen gebildet. Erst dies ermöglicht es, das Füllen dieser Lücken konzeptionell zu betrachten, selbstverständlich immer mit den wirtschaftlichen Zielen im Hintergrund. Mögliche Szenarien beinhalten dabei auch die Adaptierung bestehender IT-Infrastruktur durch Anpassungen an bereits eingesetzte Applikationen und verschiedene Varianten, die funktionalen Lücken mit weiteren Applikationen zu schließen.

Die richtige Applikationskombination finden

War früher ein LIMS die einzige auf das Laborumfeld zugeschnittene Applikation, so ist heute eine Vielzahl von Applikationstypen verfügbar. Dazu gehören u.a. elektronische Laborjournale (ELN) bzw. Laboratory Execution Systems (LES), Archivierungs- bzw. Rohdatenverwaltungssysteme (Scientific Data Management Systems (SDMS)), spezielle Applikationen zur Geräte- und Systemintegration. Vermehrt kommen ursprünglich laborfremde Applikationen wie Product Lifecycle Management (PLM) oder Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme hinzu. Einige Hersteller bieten Kombinationen aus den oben genannten Applikationen an. Grundsätzlich ist ein Trend zur immer stärkeren Ausweitung und Überlappung der jeweiligen Funktionalität zu sehen. Kurz: Die Frage, welche Applikationskombination die Unternehmensziele am besten unterstützt, ist nicht einfach zu beantworten. Durch eine vergleichende SWOT-Analyse der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten, die den im Rahmen des Business Cases ausgewiesenen wirtschaftlichen Nutzen der jeweiligen Lösung für das gesamte Unternehmen berücksichtigt, lässt sich die Auswahl im Normalfall auf ein bis zwei Szenarien reduzieren.

Danach gilt es, für das entwickelte Szenario die passenden Produkte auszuwählen. Aufgrund des fundierten Konzepts, den definierten Soll-Prozesse und den daraus abgeleiteten funktionalen Anforderungen, ist dies ein relativ einfaches Unterfangen. Neben den funktionalen Aspekten gilt es hierbei auch die Komplexität der IT-Landschaft zu berücksichtigen. Aber auch weiche Faktoren, wie die Offenheit der jeweiligen Anbieter mit anderen Firmen zusammen zu arbeiten, sollte man berücksichtigen.

Zur finalen Bestätigung der Auswahl, zur Abklärung technischer Aspekte, aber auch um die späteren Nutzer der Lösung frühzeitig zu involvieren, kann eine Pilotphase sinnvoll sein. Ein derartiges Pilotsystem sollte möglichst viele Aspekte des Papierlosen Labors abdecken und so auch helfen, mit relativ geringem Risiko und Kosteneinsatz die Feinplanung der eigentlichen Implementierung abzustimmen. Die Implementierung der Gesamtlösung erfolgt im Anschluss nach gängigen Standards wie z.B. GAMP . Da aber das Papierlose Labor nicht einfach eine Systemeinführung, sondern auch und vor allem ein Prozess Re-Engineering ist, gilt es hierbei auch die Umsetzung der neuen, optimierten Prozesslandschaft mit einem Change Management zu begleiten. Nur so können Unternehmen vollumfänglich vom Nutzen des Papierlosen Labors profitieren.

Schneller, genauer, ökonomischer

Aufgrund des ganzheitlichen und prozessorientierten Ansatzes ist der Nutzen des Papierlosen Labors im Vergleich zur Einführung einer spezifischen Applikation um Faktoren höher. Die Automatisierung des Datenflusses und die weitgehende Eliminierung von dokumentatorischen und damit verbundenen Kontrollaktivitäten führen zu deutlichen Effizienzsteigerungen für Labormitarbeiter und Laborleitung. Je nach Ausgangslage sind allein damit Effizienzgewinne bis zu 30% realisierbar. Damit einhergehen die Reduktion von Durchlaufzeiten und eine deutliche Reduktion des Qualitätsrisikos. Die systembedingte automatische Sicherstellung der Compliance und Datenkonsistenz ermöglicht es, Kontrollaktivitäten auf atypische Ereignisse einzugrenzen(review by exception) und so Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Da im Rahmen der automatisierten Dokumentation zahlreiche prozessbezogene Parameter automatisch erfasst werden, steht auch ein hervorragender Datenpool für das Labormanagement zur Verfügung.

Das Papierlose Labor liefert sozusagen die Kennzahlen zu seiner kontinuierlichen Verbesserung gratis mit und macht den Vergleich von Organisationseinheiten auf einer fundierten Datenbasis möglich. Nicht zuletzt profitieren sogar Bereiche außerhalb des Labors von den in Echtzeit verfügbaren Daten, was die Zusammenarbeit über Bereiche hinweg vereinfacht, das Wissensmanagement unterstützt und zu weiteren positiven Effekten in Folgeprozessen führt. Aus Nutzersicht führt das Papierlose Labor zu einer deutlichen Vereinfachung des Arbeitsflusses und zu einer Reduktion der zu bedienenden Systeme. Der Einsatz von nutzerspezifischen Portalen kann dies noch weiter unterstützen und den Fokus weiter schärfen.

Fazit

Die Summe der positiven Effekte aus dem Papierlosen Labor ist enorm. Wie bei allen Investitionsprojekten dieser Größenordnung sollte auch hier nach Abschluss der Implementierung der Beweis angetreten werden, dass der kalkulierte Business Case auch der Realität entspricht. Dies kann wiederum und jederzeit mit Hilfe der Multimomentanalyse geschehen


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: J. Ritter, G.I.T. Laboratory Journal 7-8/2009, pp 32-34,
: E. Haller-Wedel: Das Multimomentverfahren in Theorie und Praxis, Carl Hanser
Verlag München 1969
: B. Simons: Das Multimomentzeitverfahren, Grundlagen und Anwendung, Verlag
TÜV Rheinland GmbH, Köln, 1987
: ISPE.....

 

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