Schlechte Aussichten für US-Chemie
06.12.2010 -
Die Chemieindustrie in den USA befindet sich in einer konjunkturell schwierigen Lage. Bereits im Vorjahr stagnierte die amerikanische Chemieproduktion und zu Beginn des Jahres 2008 ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Die Immobilien- und Finanzmarktkrise ist längst noch nicht überwunden. Zudem erreicht der Ölpreis fast täglich neue Höchststände. Die US-Wirtschaft schwächelt. Hiervon ist besonders das verarbeitende Gewerbe betroffen. Der schwache Dollar hilft zwar den Exporteuren. Viele Kapazitäten sind jedoch auf die Binnenwirtschaft ausgerichtet und gerade im inländischen Absatz gibt es bei einigen Branchen Probleme. Neben der Bauwirtschaft, die besonders unter der Immobilienkrise leidet, sind auch die Automobilindustrie sowie die Hersteller von Möbeln und anderen Konsumgütern betroffen. Die Schwäche beim Bau und in der Automobilindustrie belastet das amerikanische Chemiegeschäft, deren Produktion im Jahr 2008 voraussichtlich zurückgehen wird (Grafik 1).
Chemieproduktion stagniert
Im Jahr 2007 konnte die US-Chemie ihre Produktion nicht ausweiten. Zwar setzten sich zum Jahresende die Auftriebskräfte durch. Der Zuwachs war jedoch so gering, dass die Chemieproduktion im Jahresdurchschnitt lediglich um 0,5% stieg (Grafik 2). Mit dieser geringen Dynamik gehörte die US-Chemieindustrie weltweit zu den Wachstumsschlusslichtern. Die Kapazitätsauslastung blieb mit unter 78% im internationalen Vergleich ebenfalls niedrig.
Ein Blick auf die Chemiesparten zeigt ein heterogenes Bild: Während die Pharmaproduktion um 1,6% ausgedehnt wurde, war die Produktion der übrigen Chemiesparten insgesamt leicht rückläufig. Die drei Grundstoffsparten (Petrochemie, Anorganika und Polymere) legen zwar zu, in der Fein- und Spezialchemie sowie bei den konsumnahen Chemikalien war die Produktion aber deutlich rückläufig (Grafik 3).
Erzeugerpreise steigen
Hohe Preise für Öl und Gas führten auch 2007 zu einem Anstieg der Herstellungskosten für chemische Erzeugnisse. Verstärkt wurde dieser Kostendruck durch die Abwertung des Dollar, der die Importe zusätzlich verteuerte. Die US-Chemieindustrie konnte im vergangenen Jahr in allen Chemiesparten Preissteigerungen durchsetzen. Mit der zu Jahresbeginn 2007 erneut einsetzenden Rohölpreishausse schnellten die Chemikalienpreise weiter in die Höhe. Dieser Trend setzte sich bis zum Jahresende beschleunigt fort (Grafik 4). Chemikalien waren im Gesamtjahr 2007 durchschnittlich 3,3% teurer als ein Jahr zuvor.
Starke Auslandsnachfrage
Angesichts der deutlichen Preissteigerungen legte der Branchenumsatz der US-Chemie von Quartal zu Quartal zu (Grafik 5). Wegen des enttäuschenden Jahresbeginns wurde im Gesamtjahr 2007 das Umsatzniveau des Vorjahres allerdings nur leicht übertroffen. Erfreulich verlief lediglich das Auslandsgeschäft. Die Chemieexporte haben 2007 kräftig zugelegt. Der Auslandsumsatz der Branche wuchs um rund 14% auf rund 154 Mrd. US-$. Aufgrund der guten Weltkonjunktur ist in vielen Volkswirtschaften die Nachfrage nach Chemikalien groß. Der schwache US-$ hat die Attraktivität amerikanischer Chemieerzeugnisse zusätzlich erhöht. Demgegenüber brach der Chemikalienabsatz in den Vereinigten Staaten auf Grund der schwachen Konjunktur beim Bau und in der Automobilindustrie sowie der geringen Nachfrage nach konsumnahen Chemikalien ein. Der Inlandsumsatz der US-Chemieindustrie sank um 4,2% auf rund 480 Mrd. US-$.
Keine Besserung in Sicht
Die schwache Konjunktur hinterließ ihre Spuren auch bei den Belegschaftszahlen. Im Gesamtjahr 2007 sank die Zahl der Beschäftigten in der US-Chemieindustrie um 0,4% auf rund 862.600 Mitarbeiter.
Die Hoffnung, die amerikanische Chemiekonjunktur könnte bereits in diesem Jahr die Schwächephase überwinden, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Zu Beginn des Jahres 2008 trübte sich die Stimmung der US-Wirtschaft weiter ein. Die Immobilien- und Finanzmarktkrise verunsichert Banker, Manager und Konsumenten gleichermaßen. Das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten wird in diesem Jahr voraussichtlich deutlich unter der 2-%-Marke bleiben. Insbesondere die Bauwirtschaft und die Automobilindustrie müssen weitere Produktionsrückgänge hinnehmen. Beide Branchen sind hauptsächlich vom US-Markt abhängig. Weil andere Branchen im Exportgeschäft vom schwachen Dollar profitieren, wächst das verarbeitende Gewerbe insgesamt noch um 0,8%. Das reicht aber nicht aus, um die Binnennachfrage nach Chemikalien zu beleben.
Die bisher vorliegenden Konjunkturdaten der Branche deuten auf eine rückläufige Chemieproduktion im Jahr 2008 hin. Im Januar und Februar wurde das Produktionsniveau der vorangegangenen Monate nicht erreicht. Auch in der Pharmaindustrie läuft es derzeit nicht rund. Das verstärkt den Abwärtstrend. Die Mehrzahl der US-Chemieunternehmen muss sich voraussichtlich auf eine längere Durststrecke einstellen. Positive Nachrichten sind lediglich aus dem Auslandsgeschäft zu erwarten. Die Exporte könnten erneut zweistellig wachsen. Das Inlandsgeschäft bleibt jedoch schwach. Sollten im weiteren Jahresverlauf die Auftriebskräfte der US-Wirtschaft wieder die Oberhand gewinnen, kommt dieser Impuls zu spät, um der US-Chemie noch in diesem Jahr schwarze Zahlen zu bescheren.