Heinrich Eickmann im Interview zu den Themen Chemiestribution und Reach
16.11.2010 -
Heinrich Eickmann, Vorsitzender Geschäftsführer der Brenntag GmbH, im Interview
CHEManager: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Situation der Branche und/ oder Ihres Unternehmens?
Heinrich Eickmann: Ausgehend von einem für die Brenntag GmbH erfolgreichen Geschäftsjahr 2007 ist das derzeitige konjunkturelle Umfeld von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Die gegenwärtig turbulenten Marktbedingungen im Finanzsektor erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass diese Krise auf die konjunkturelle Entwicklung und damit auch auf unsere Branche durchschlägt. Wir müssen uns in jedem Fall auf schwierigere konjunkturelle Rahmenbedingungen vorbereiten. Dazu haben wir einige strategische Projekte definiert, die aber letztlich ganz unabhängig von der wirtschaftlichen Lage unsere Profitabilität verbessern sollen. Daneben sehen wir uns nach wie vor gut aufgestellt, auch in schwächeren Zeiten noch Potentiale heben zu können. Die konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf Kunden- und Lieferantenbedürfnisse und die Erbringung von Zusatzleistungen über den reinen Vertrieb hinaus, ist seit Jahren unsere Philosophie und in unserer Organisation durch separate Verkäufergruppen z. B. für Key Account Management, Mischungen/Dienstleistungen und Single Sourcing verankert. Die Fähigkeit mit Kunden und Lieferanten individuelle Lösungen entwickeln zu können und dadurch einen Mehrwert zu schaffen, ist aus unserer Sicht die wichtigste Voraussetzung, um auch zukünftig erfolgreich in unserer Branche bestehen zu können.
CHEManager: Welches sind die vorrangigen Themen, mit denen sich Ihr Unternehmen zurzeit beschäftigt?
Heinrich Eickmann: Die Brenntag GmbH verfolgt eine klare Unternehmens- Strategie die wir neben dem aktuellen Tagesgeschäft regelmäßig weiter entwickeln. Die Umsetzung unserer strategischen Projekte stellt somit einen wichtigen Schwerpunkt unsere Aktivitäten dar. Dabei verfolgen wir einen zweistufigen Ansatz. Neben der in regelmäßigen Abständen überarbeiteten Wachstumsstrategie liegt weiterhin ein Schwerpunkt auf Effizienzverbesserungen in allen Unternehmensbereichen. Wir sind permanent bestrebt, unsere Prozesse zu optimieren und Größenvorteile aus unserem umfassenden Standort- Netzwerk zu generieren. Auch die Steigerung der Effizienz im Vertrieb ist für uns eine wichtige Aufgabe. Die zu diesem Zweck initiierten Projekte werden in Form eines neuen CRM-Moduls wirkungsvoll gebündelt und werden den Mitarbeitern im Vertrieb verbesserte Instrumente für den Markterfolg an die Hand geben. Unsere Wachstumsstrategie basiert auf unserem Portfolio- Management. Neben der kontinuierlichen Stärkung der Wachstumsbereiche durch die gezielte Bündelung von Ressourcen, bleiben auch ausgewählte Akquisitionen eine wichtige Maßnahme zur Erreichung unserer Wachstumsziele. Darüber hinaus beschäftigen wir uns im Rahmen der strategischen Projekte auch mit Fragestellungen, welche neuen Geschäftsideen Erfolg versprechend sind und sich ggf. mittel- bis langfristig in Geschäftsfelder für einen Chemiedistributeur umsetzen lassen können. Im Hinblick auf die Akquisition der Schweizerhall Chemie haben wir mittlerweile alle Integrationsaktivitiäten abgeschlosssen und setzen nun unsere erfolgreiche Strategie auch in der Schweiz um. Durch die aufgesetzten Projekte wurden die Voraussetzungen geschaffen, um die neu aufgestellte Brenntag Schweizerhall voll auf Wachstumskurs zu steuern und auch dort für Brenntag eine Erfolgsstory zu schreiben.
CHEManager: Thema Reach: Wie sehen Sie die neuen Verordnungen nach dem ersten Jahr? Welche Auswirkungen – positiv oder negativ hat Reach für Distributeure?
Heinrich Eickmann: Die Sensibilisierung aller im Umgang mit Chemikalien stehenden Unternehmen hat in den letzten 12 Monaten stark zugenommen. Dabei ist es insbesondere für kleinere Abnehmer oft schwierig, den Überblick zu behalten und sich auf dem neuesten Stand der Umsetzung der Verordnungen zu halten. Hier ist der Distributeur als Mittler zwischen Produkten und Anwendungen als Know-how Transferierer und Wissensmultiplikator gefragt. Dies zieht einen nicht unerheblichen Kostenblock nach sich. Die vielfältigen Aufgaben, die in weite Unternehmensteile Auswirkungen haben, müssen durch ein aufwändiges Projektmanagement bewältigt werden. Hier muss der Distributeur erhebliche Vorleistungen erbringen um seiner Rolle als Mittler zwischen Hersteller und verarbeitender Industrie gerecht zu werden. Neben der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bietet diese Aufgabe die Chance, sich weiter als Dienstleister für Lieferanten und Kunden zu profilieren. Zweifelsohne wird Reach uns alle noch sehr lange und sehr intensiv mit all seinen Facetten, die teilweise noch gar nicht in endgültiger Konsequenz feststehen, beschäftigen.
CHEManager: Das Motto des FECC-Kongress 2008 lautet „Partnership for Success“. Welche Rolle spielen Partnerschaften – mit Ihren Lieferanten, Kunden oder auch anderen Distributeuren – für Ihr Unternehmen?
Heinrich Eickmann: Wie schon am Beispiel Reach dargestellt, ist der Erfolg eines Chemiedistributeurs ganz entscheidend davon abhängig, dass die „Chemie mit den Lieferanten und der weiterverarbeitenden Industrie stimmt“. Die konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse unserer Kunden und Lieferanten prägt unser Handeln. Unsere Unternehmens- Organisation mit der getrennten Marktbearbeitung durch die Bereiche Industriechemikalien, Spezialchemikalien, Ernährung und Gesundheit, Automotive sowie den zusätzlichen Querschnitts-Bereichen Key Account Management, Mischungen/Dienstleistungen und Single Sourcing stellt dies in den Vordergrund. Diese service-orientierte Denkweise zieht sich durch die gesamte Brenntag GmbH. Ob wir beispielsweise in den Bereichen Spezialchemikalien und Ernährung und Gesundheit genau definierte Vertriebs- und Logistikleistungen bis hin zu einem europaweiten Produktmanagement für unsere Lieferanten erbringen und unsere Kunden durch anwendungstechnische Beratung unterstützen, in den Bereichen Single Sourcing und Mischungen / Dienstleistungen umfangreiche Outsourcing Leistungen erbringen, wodurch sich unsere Kunden noch stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können oder im Bereich Automotive in enger Kooperation mit unserem Partner Yara mit Air 1 einen ganz neuen Markt erschlossen haben, bis hin zu intelligenten IT-Lösungen für unsere Kunden und Lieferanten durch die wir die Komplexität reduzieren und doppelten Erfassungsaufwand vermeiden. Die Fähigkeit flexibel zu reagieren und effiziente Lösungen zum gemeinsamen Nutzen zu gestalten, wird von uns heute und auch zukünftig als entscheidender Wettbewerbsfaktor angesehen.
CHEManager: Erkennen Sie generelle Trends, die die Chemiedistributionsbranche in den nächsten Jahren prägen werden?
Heinrich Eickmann: Steigender Wettbewerbsdruck, ggf. kombiniert mit einer schwächeren konjunkturellen Entwicklung wird nach wie vor für hohen Kostendruck sorgen. Darüber hinaus wird die Konsolidierung innerhalb der Branche weiter anhalten. Hinzu kommen die zum Teil extremen Preissteigerungen der letzten Monate. Dieser u. a. durch die steigende Nachfrage aus Asien entstandene Trend wird aus unserer Sicht auch zukünftig nachhaltigen Einfluss auf die Preisentwicklung haben. Wie in den meisten Fällen, z. B. auch bei Reach bieten sich für einen Distributeur sowohl Chancen als auch Risiken aus zukünftigen Trends. Das Schaffen von intelligenten und kreativen Lösungen wird, wie in der Vergangenheit auch, die wesentliche Herausforderung in unserem Geschäft darstellen.