Chemie & Life Sciences

Gedruckte Elektronik ist im Alltag angekommen

Die Technologie vereint vorteilhafte Eigenschaften und kommt in immer mehr Produkten zum Einsatz

11.02.2019 -

Organische und gedruckte Elektronik steht für eine revolutionäre neue Art von Elektronik, die dünn, leicht, flexibel, robust sowie kostengünstig und somit massenproduktfähig zugleich ist. Sie eröffnet neue Einsatzfelder, u.a. durch die Möglichkeit, Elektronik dezent in Gegenstände des täglichen Lebens zu integrieren. Hierbei werden funktionale Tinten und Pasten mit Massendruckverfahren zur Herstellung von Elektronikkomponenten kombiniert. Durch ihre Flexibilität macht die Technologie zahlreiche Anwendungen überhaupt erst möglich, in denen Silizium-Elektronik aufgrund ihrer starren, spröden Beschaffenheit wenige Chancen hat.

Die organische und gedruckte Elektronik hat sich zu einem Weltmarkt von rund 28 Mrd. USD entwickelt. OLED-Displays spielen derzeit die größte Rolle. In den kommenden Jahren wird laut Prognosen ein starkes Wachstum bei Anwendungen wie NFC/RFID, Sensoren, Wearable Electronics und im Bereich Automobil und Medizin erwartet. Diese Trends spiegelt auch die aktuelle Geschäftsklimaumfrage der Organic and Printed Electronics Association (OE-A) wider. Mehr als 80 % der Befragten erwarten, dass die Branche sich positiv entwickeln wird. Nach einem erfolgreichen Jahr 2018, mit einem Umsatzwachstum von rund 9 %, erwarten die OE-A-Mitglieder laut Umfrage ein weiteres Wachstum von 6 %; mit Zuwächsen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Diese Technologie eröffnet neue Einsatzfelder und hat sich in verschiedenen Bereichen bereits etabliert — oft, ohne dass man im Alltag über ihren Einsatz überhaupt Bescheid weiß. Vom Internet der Dinge über Unterhaltungselek­tronik und Gesundheitswesen, der Automobilindustrie, smarten Verpackungen bis hin zu Gebäuden: Gedruckte Elektronik kommt weltweit inzwischen in zahlreichen Produkten und Branchen zum Einsatz. Obwohl vieles auf dem Weg in den Markt erreicht worden ist, gibt es aber auch noch Herausforderungen zu bestehen. Hier setzt die OE-A an, die den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur für Produktion und Kommerzialisierung von organischer und gedruckter Elektronik weiter fördert und eine Brücke schlägt zwischen Wissenschaft, Technologie und Anwendung.

Standardverfahren gibt es nicht
Der gedruckten Elektronik liegen leitfähige, halbleitende oder dielektrische Tinten und Pasten zugrunde. Diese können großflächig und kostengünstig auf Folie, Polyester oder anderen Kunststoffen sowie auf Papier, Glas oder Textilien gedruckt werden. Entscheidend ist, dass sich die Materialien in Druck- und Beschichtungsprozessen verarbeiten lassen. Ein Standardverfahren für die Herstellung von gedruckter Elektronik gibt es nicht.
Es kommt immer auf die spezielle Anwendung, die Tinte und das Substrat an. Der Hersteller muss sich fragen, ob es eine hohe Auflösung, einen hohen Durchsatz oder eine sehr hohe Homogenität braucht. Es werden fast alle industriellen Druckverfahren eingesetzt. Tief- oder Flexo­druck sind genauso möglich wie Sieb- und Inkjet-Druck. Diese Verfahren müssen aber für den Druck von Elektronik modifiziert werden. Daneben können Hersteller auch aus der klassischen Halbleiterfertigung bekannte Verfahren wie das Aufdampfen einsetzen. Die Kombination all dieser Verfahren und die Erfahrungen aus anderen Industriezweigen wie der Halbleiterfertigung oder der Druckindustrie machen eine Massenproduktion erst möglich.

Mehr gestalterische Freiheit
Organische und gedruckte Elektronik ist der Schlüssel zur Herstellung einer Vielzahl von elektronischen Komponenten. Diese reichen von Transistoren, Schaltkreisen und Sensoren bis hin zu Displays, Lichtquellen, Solarzellen und Touch-Oberflächen. Es geht nicht nur darum, mit gedruckter Elektronik andere Technologien zu ersetzen. Gedruckte Elektronik ist eine Ergänzung, die neue Anwendungen ermöglicht, da sie neue technische und gestalterische Freiheit bietet. Viele Produkte sind mit anderen Technologien kaum herstellbar. Bestes Beispiel sind die großflächigen Sensoren auf dehnbaren Substraten, die  z. B. im Gesundheitswesen eingesetzt werden.

Bereits etablierte Anwendungsbereiche
Die organische und gedruckte Elektronik hat in wichtigen Anwenderbranchen bereits fest Fuß gefasst:
In der Automobilindustrie ist die Nutzung von gedruckter Elektronik schon weit fortgeschritten. Sie wird u.a. für die Beleuchtung, als Sensor und als Akzentbeleuchtung genutzt. In Zukunft wird ihre Bedeutung bei Bedienelementen und Assistenzsystemen bis hin zur Innenraumbeleuchtung noch weiter zunehmen.

Die Unterhaltungselektronik ist derzeit die größte Industrie, in der organische und gedruckte Elektronik zum Einsatz kommt. Sie findet sich in Displays von E-Readern, Smartphones und Tablets wieder, macht Kleidung und Accessoires zu intelligenten Wearables und erleichtert Anwendern die Bedienung von Geräten durch Touch-Sensoren.
Gedruckte Elektronik spielt auch eine immer größere Rolle im stark wachsenden Feld des Gesundheitswesens (Medizin, Pharma und Wellness). Anwender setzen die Technologie bereits für Diagnosesensoren, tragbare Displays und in der Lichttherapie ein. Außerdem wird es schon bald Sensorsysteme auf dem Markt geben, die Körperfunktionen überwachen. Diese Systeme können direkt auf der Haut angebracht werden,  z. B. dehnbare Elektroden für das Elektrokardiogramm.

Die Nutzung von gedruckter Elektronik erleichtert den Einsatz flexibler Sensoren, Temperaturlogger und smarter Objekte, die mithilfe der Near Field Communication (NFC) oder Radio Frequency Identification (RFID) kommunizieren und sich mit der digitalen Welt verbinden. Diese Anwendungen werden bereits kommerziell eingesetzt,  z. B. für den Markenschutz, die Logistik, das Marketing oder den Informationsaustausch.
Die gedruckte Elektronik in Verpackungen ermöglicht Werbung, Kundenkommunikation sowie Qualitätskontrolle. Smarte Verpackungen für Arzneimittel prüfen, ob der Patient die Medikamente rechtzeitig genommen hat oder integrierte Sensoren messen die Temperatur entlang der Lieferkette, um sicherzustellen, dass das Produkt nicht verdorben ist. Auch Magazine lassen sich interaktiv gestalten und mit Leucht­effekten und Sensorik ausstatten und vernetzen.
Auch die Bauindustrie wandelt sich gerade: Gedruckte Sensoren werden in Baumaterialien inte­griert, um Materialqualität, Energieverbrauch und weitere wichtige Faktoren für das Wohlbefinden wie Temperatur, Feuchtigkeit, Schimmel oder Gase zu messen und zu überwachen. In dieses Gebiet fallen auch Anwendungen wie die organischen Leuchtdioden (OLED), die angenehmeres und energieeffizientes Leuchten ermöglichen sowie innovative Lösungen für die Energiegewinnung.

Fazit
Die potenziellen Einsatzgebiete gedruckter Elektronik nehmen weiter zu, da die einzelnen Komponenten durch kontinuierliche Weiterentwicklung immer leistungsfähiger werden (s. Kasten „Wichtige Elemente der gedruckten Elektronik“). Das Anwendungsfeld der gedruckten Elektronik ist daher komplex und nicht einfach zusammenzufassen.

Wichtige Elemente der gedruckten Elektronik
OLED: Organische Leuchtdioden sind flächige, homogene Lichtquellen, die Hersteller auch biegbar gestalten können. Eine OLED besteht aus zwei flächigen Elektroden (mindestens eine davon ist transparent), zwischen denen zwei oder mehr organische Schichten mit unterschiedlichen Funktionen liegen. Durch das Anlegen einer geringen Gleichspannung wird Licht emittiert. OLED-Produkte punkten durch ihre Besonderheiten wie sehr klares, blendfreies Licht auf großen Flächen, flexible und sehr dünne Formfaktoren, hohe Effizienz und unterschiedliche Farben. Sie können als Leuchten oder als individuelle Pixel in Displays eingesetzt werden.

OPV: Organische Photovoltaik ermöglicht die Umwandlung von Sonnenenergie in Strom. Eine organische Solarzelle besteht, wie eine OLED, aus mehreren organischen Schichten unterschiedlicher Funktion auf einem flexiblen Substrat. Gerade diese Eigenschaft macht OPV zu einer leichten und anpassungsfähigen Energiequelle. Sie eignet sich für verschiedene Anwendungen wie Wearables und mobile Geräte. Durch das geringe Gewicht und die hohe Effizienz auch bei diffusem Licht erlaubt OPV die Integration nicht nur auf Dächern, sondern auch an Gebäudefassaden oder bspw. auf Zelt- oder Leichtbauüberdachungen.

NFC und RFID: Die Near Field Communication und die Radio Frequency Identification sind Übertragungsstandards für die kontaktlose Datenübertragung mittels elektromagnetischer Induktion. Die Reichweite variiert von wenigen Zentimetern (NFC) bis hin zu mehreren Metern (aktive RFID). Als Hybridsystem aus gedruckter Antenne, Sensorik und Energieversorgung mit einem klassischen Silizium-Chip oder Printed-Dopant-Polysilicon (PDPS-)NFC-Chip sind den Anwendungen kaum Grenzen gesetzt. Ein Beispiel ist die Kombination von NFC-Technologie mit Temperatursensoren, welche die Überwachung der Kühlkette in der Logistik gewährleisten kann. Möglich sind aber auch Anwendungen in den Feldern Markenschutz, Authentifizierung, Marketing oder Kommunikation.

Zur Person
Sophie Isabel Verstraelen
arbeitet seit 2015 für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Bei der OE-A ist sie für Projektmanagement und als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Die gebürtige Niederländerin hat International Business & Languages und Public Policy & Human Development in Arnhem und Maastricht studiert.

Zur Person
Klaus Hecker
ist seit 2003 im VDMA tätig und führt seit 2004 die Geschäfte der Arbeitsgemeinschaft OE-A (Organic and Printed Electronics Association). Der promovierte Physiker war zuvor Projektleiter für Flachdisplays und Mikrotechnik am Institut für Mikrotechnik Mainz (IMM).
 

Kontakt

OE-A Organic Printed Electronic Association

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