Abwicklungsmodelle in Life-Science-Projekten
3C-Management: Optimal verzahnt zum Erfolg
Bauvorhaben der Life Sciences-Branche lassen sich über eine Vielzahl von unterschiedlichen Abwicklungsmodellen realisieren. Doch nur das passende Modell – die enge Verzahnung – von Construction (Bau), Commissioning (Inbetriebnahme) und Compliance (Qualitätsabnahme) führt auf direktem Weg zum Erfolg.
In den drei Sparten der Life Sciences-Branche Pharmazie, Medizintechnik und medizinische Biotechnologie gelten höchste Sicherheits- und Hygienestandards, deren Einhaltung wiederum strengen Kontrollen unterliegt. Bau-, Prozess- und Qualifizierungsprojekte, die im Rahmen der weltweit steigenden Nachfrage nach Life Science-Produkten notwendig werden, bergen daher zahlreiche Herausforderungen, zumal Projekte häufig im Super-Fast-Track-Verfahren realisiert werden. Werden Vorgaben wie die Einflüsse der pharmazeutischen Qualitätssicherungssysteme nicht bzw. zu spät berücksichtigt oder fehlen Koordination und Struktur, kann dies das gesamte Vorhaben gefährden.
Angesichts der derzeitigen Situation der gut ausgelasteten Baubranche stellt dies die betroffenen Unternehmen respektive Bauherren vor enorme Anforderungen. Denn hier herrschen seit Jahren Preis- und Termindruck sowie Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Im Zuge des zurückgehenden technischen Know-hows schwinden auch der Fokus auf Qualität und effiziente Mängelbearbeitung und nicht zuletzt die Beratungskompetenz – etwa im Hinblick auf Life-Cycle-Betrachtungen.
Vergabestruktur bestimmt den Erfolg
Entsprechend wichtig ist es für Bauherren, die Verantwortungsbereiche für die Planung und spätere Realisierung und die damit entstehenden Überwachungsaktivitäten sowie grundsätzliche Entscheidungen im Projekt von Anfang an in die richtigen Hände zu legen. Denn das zum eigenen Vorhaben passende Abwicklungsmodell – Einzelplaner, Generalplaner bzw. EPCM (Engineering, Procurement, Construction Management) sowie die Vergabe in Einzelgewerken bzw. als GÜ/EPC (Generalübernehmer /Engineering, Procurement, Construction) ist von essenzieller Bedeutung für den Erfolg des jeweiligen Projekts.
In der sogenannten Einzelplanerstruktur steuern der Bauherr und das ihm bzw. seiner Hierarchieebene zugeordnete PMO (Projekt Management Office) die Planungsbereiche Architektur, Tragwerk, Bauphysik, Gebäudetechnik und Prozesstechnik, während bei der Generalplanerstruktur eine weitere vertragliche Ebene – der Generalplaner – zwischengeschaltet ist. In der EPCM-Struktur ordnet sich das die Planungsbereiche steuernde EPCM-Management der Bauherrenebene unter, steuert aber gemeinsam und in Abstimmung mit dem Kunden/Sponsor das Projekt.
Entscheidet sich ein Bauherr daher für das Abwicklungsmodell der Einzelplanerstruktur, verantwortet er automatisch auch das Projektmanagement. Er übernimmt damit eine zeitintensive Aufgabe, bei der er auch die funktionierende Zusammenarbeit im Planungsteam beachten muss. Dazu gehört auch, gegensätzliche Positionierungen zu moderieren, die sich aufgrund der unterschiedlichen Interessen zwischen Bauherren und Architekten, Prozessplanern und weiteren beteiligten Ingenieuren und Consultants immer wieder bilden können. Andererseits kann er selbst die besten Planungsbüros auswählen, während sich das Planungsteam gegenseitig kontrolliert. Auch ein hoher Qualitätsanspruch der einzelnen Planungsbeteiligten während der Planung und der späteren Realisierung sowie die Möglichkeit, Planungsänderungen während der Umsetzung vor Ort z. T. kostenneutral zu kompensieren, können mit diesem Abwicklungsmodell einhergehen.
„Die Erwartungshaltung an Planung und Bau ist abhängig von der jeweiligen Landes- und Baukultur.”
Rino Woyczyk, Partner, Head of Life Sciences, Drees & Sommer
Im Vergleich dazu hat das Projektmanagement beim Generalplanermodell eher Überwachungscharakter statt Leitungsfunktion. Der Bauherr muss lediglich in der Startphase eines Projekts mit erhöhtem Zeitaufwand rechnen. Sein alleiniger Vertragspartner und Ansprechpartner ist der Generalplaner (i. d. R. Architekt oder Prozessplaner). Dieser ist der „Bestimmer“ im Team sowie über die örtliche Bauleitung und auch verantwortlich für die Qualitätsüberwachung der Ausführungen. Mit der Entscheidung für die Generalplanerversion entfällt für den Bauherrn allerdings die freie Auswahl der Planungsbüros und notwendige Planungsanpassungen lassen sich oft nicht kostenneutral abwickeln.
Beschließt der Bauherr das Abwicklungsmodell mit EPCM, hat er ebenfalls nur einen Vertragspartner: den EPCM-Manager. Dieser „Bestimmer“ im Team übernimmt als erfahrener Generalist über alle Disziplinen den Planungsablauf und den Ausschreibungsprozess und leitet durch die örtliche Bauleitung des Construction Managers (die Lean Site Methodik ist hierbei Pflicht) auch die Qualitätsüberwachung der Bauausführung. Das Bauherren-Projektmanagement PMO erfolgt auf direkter Ebene zum EPCM-Management. Für den Bauherren ist das Projekt nur zum Projektstart zeitintensiv. Allerdings gilt auch hier: Planungsänderungen sind oft nicht kostenneutral, werden aber durch den EPCM-Manager fachlich fundiert zur Entscheidung aufbereitet.
Die der Planungsphase folgenden Realisierungsphasen für Bau und Prozess bieten im Grundsatz zwei alternative Abwicklungsmodelle an, wobei Zwischenlösungen auch möglich sind.
Für die Vergabe in Einzelgewerken gilt:
- Zeitintensiv für Bauherren im Ausschreibungsprozess
- Qualitativ hochwertige /erfahrene Bauleitung auf Bauherrenseite (analog deutscher HOAI, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) ist Pflicht
- Auswahl der besten Unternehmen möglich inkl. Direktverhandlungen
- Gegenseitige Kontrolle der Firmen auf der Baustelle
- Höherer Qualitätsanspruch der einzelnen Firmenbeteiligten infolge Direktkontakte
- Planungsänderungen z. T. kostenneutral kompensierbar
- Chemie auf der Baustelle muss stimmen
- Bauherren-Projektmanagement ist Pflicht
Bei der Vergabe als Generalübernehmer /Totalübernehmer (TÜ) EPC für Bau, Prozess und Qualifizierung gilt:
- Zeitintensiv für Bauherrn nur zum Projektstart und bei der GÜ- / TÜ-Beauftragung
- Termin- und Kostengarantie bereits in der Planung
- Keine freie Auswahl der neuen Planungsbüros
- Bauausführende (GÜ/TÜ) ist der „Bestimmer“ im Team
- Planungsänderungen oft nicht kostenneutral (mit Auswirkungen auf Bauausführungen)
- Einzelhonorierung nicht transparent
- Bauherren-Projektmanagement nur als Controller
Unabhängig vom gewählten Abwicklungsmodell bleibt die größte Herausforderung – das Ziel – des baubegleitenden Projektmanagements eines Life Sciences-Projekts in jedem Fall gleich: Es muss sicherstellen, dass der Projektverlauf die Unternehmensprozesse nicht beeinträchtigt und dass die Vorhaben im Hinblick auf Kosten, Termine und Qualitäten in höchstem Maß sicher sind.
3C-Management verzahnt Einzelphasen
Dies ist immer dann gewährleistet, wenn ein integriertes Projektmanagement gewählt wird, das Construction, Commissioning und Compliance – in Kürze 3C-Management – ganzheitlich betrachtet. Von der Eingangsanalyse bis zur abschließenden Abnahme, Übergabe und Inbetriebnahme mit Qualifizierung und Validierung müssen alle Maßnahmen eng aufeinander abgestimmt werden. Dazu gehört auch, die Gebäude- und Prozessplanung eng aufeinander abzustimmen, die GMP-Anforderungen von Anfang an einzubeziehen und Qualifizierungskonzepte schon zu Projektbeginn zu etablieren. So gestaltet, wird der Bauablauf effizient – Kosten, Termine und Qualitäten können eingehalten werden. Das Projekt wird zum Erfolg.