Logistik & Supply Chain

Trassenpreise müssen gesenkt werden!

Die Trassenpreiserhöhung gefährdet den Chemiestandort Deutschland und behindert die Klimawende

18.09.2024 - Meinungsbeitrag von Markus Krämer, CEO, HGK Logistik und Intermodal

In Berlin traf sich Anfang September das „Who is Who“ der deutschen Chemieindustrie. Geladen hatte der Chemieverband VCI zum „Chemie- und Pharma Summit 2024“. Branchen- und hochrangige Regierungsvertreter diskutierten darüber, wie der Chemiestandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden kann. Die Branche steht bekannterweise unter Druck: Energiekrise, Ukraine-Krieg und die konjunkturelle Schwäche in Deutschland zeigen Folgen. So sank der Gesamtumsatz der deutschen Chemieindustrie laut VCI im zweiten Quartal 2024 um 0,7% im Vergleich zum Vorquartal.

Mit einem Fünf-Punkte-Plan will Kanzler Olaf Scholz nun die Chemieindustrie stärken. „Deutschland ist ein zentraler Standort der Chemieindustrie und ich will, dass das so bleibt“, betont Scholz. Diese tatkräftige Aussage sollten VCI und Unternehmen nun im Kleinen direkt auf die Probe stellen, denn es droht erneut Ungemach für die Branche: Die Deutsche Bahn-Tochter InfraGo beantragte aktuell eine Erhöhung der Trassenpreise im zweistelligen Prozentbereich für den Schienengüterverkehr.

Hohe Investitionen in die Bahninfrastruktur verteuern Trassenpreise

Grund hierfür ist die marode Schieneninfrastruktur in Deutschland. Seit Jahrzehnten vernachlässigen Bund und Bahn dringend notwendige Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Für die Sanierung des Schienennetzes will die Bundesregierung der Bahn dafür im kommenden Jahr 4,5 Mrd. EUR zur Verfügung stellen. Allerdings nicht als Zuschuss, wie bisher, sondern als Unternehmensinvestition. Das hat zur Folge, dass die Deutsche Bahn für diese Investition Zinsen zahlen muss, die über höhere Trassenpreise gedeckt werden sollen. Die Trassenpreiserhöhung hätte nicht nur Auswirkungen auf den Fern- und Nahverkehr. Auch für den Güterschienenverkehr würden die erhöhten Trassenpreise zu deutlichen Kostensteigerungen führen.

„Güter gehören auf die Schiene“ mit diesem Slogan wirbt die Deutsch Bahn und ihre Tochter InfraGo. Tatsächlich beantragte die Deutsche Bahn-Tochter InfraGo eine Trassenpreiserhöhung um knapp 15% für das Jahr 2026 bei der Bundesnetzagentur. Bereits für 2025 genehmigte die Aufsichtsbehörde eine Erhöhung der Trassenpreise um 16,2%. Das bedeutet eine Verteuerung der Trassenpreise von mehr als 30% innerhalb von zwei Jahren. Bisher machten die Trassenpreise ein Fünftel der Gesamttransportkosten auf der Schiene aus. 

Es steht nicht zur Diskussion, dass die Deutsche Bahn deutlich in ihr Netz investieren muss. Dass die Bundesregierung dieses Vorhaben unterstützt, ist sicherlich auch lobenswert. Die Zeche sollte nun aber nicht die deutsche Wirtschaft zahlen müssen. Im Sinne eines klimafreundlichen Verkehrs fordert die Politik seit Jahren die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Der Transport auf der Schiene spart ganze 86% an Treibhausgasen ein. Daher ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, dass 25% des Güterverkehrs bis 2030 auf die Schiene verlagert wird. Aktuell sind es knapp 20%. Diejenigen, die die Schiene besonders stark nutzen, wie die Chemieindustrie, werden dafür nun finanziell bestraft.

Trassenpreise müssen sinken statt steigen

Ende der 2010er Jahre forderte die Bundesregierung im Masterplan „Schienengüterverkehr“ noch die Senkung des Trassenpreises. Gerade die Chemieindustrie, wie bspw. der Chemiepark Knapsack, investierte daraufhin in seine Bahnlogistik und -infrastruktur. Dass nun gerade die Ampelkoalition, mit Beteiligung der Grünen, die Trassenpreise erhöht, überrascht. Einerseits gefährdet sie so ein wichtiges zentrales Ziel der Klimapolitik, den Wechsel des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die erhöhten Transportkosten auf der Schiene werden Güter wieder auf die deutschen Straßen verlagern. Andererseits bestraft die Koalition Unternehmen, die mittel- und langfristig auf den Schienenverkehr gesetzt haben. Sie müssen erst einmal die gestiegenen Preise akzeptieren, bevor sie mittelfristig wieder auf Alternativen umsteigen können. Verkehrsministerium und Wirtschaftsministerium, sollten hier an einem Strang ziehen. Die Verhinderung einer Trassenpreissteigerung, also eine entsprechende Ausgleichszahlung an die Bahn, unterstützt die ganze Logistikbranche. Ein Trassenpreissenkung würde zu europäischen, deutschen sowie verkehrs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Zielen beitragen. Die Senkung würde u.a. dazu beitragen, dass die Wettbewerbsbedingungen der Industrie, auch für die Chemieindustrie, sich am Standort Deutschland etwas erholen könnten. Die geplante Erhöhung wäre wiederum Gift für die deutsche Konjunktur. Sie würde eine klimafreundliche Logistik, die auf Intermodalität setzt, ausbremsen. Daher müssen die Trassenpreise sinken statt steigen. Die Schieneninfrastruktur sollte gestärkt und der Wettbewerb im Güterschienenverkehr ausgebaut werden. Das ist das Gebot der Stunde!  

Verzerrte Marktbedingen

Die Deutsche Bahn, als monopolistische Anbieterin der Gleisinfrastruktur, argumentiert gegenüber der Bundesnetzagentur mit der Deckung der Zinszahlungen, die sie aufgrund des Investitionskredits der Bundesregierung aufzubringen hätte. Diese Kosten müsste sie an ihre Marktteilnehmer weiterberechnen. Diese Argumentation setzt einen freien, funktionierenden Markt voraus. Tatsächlich handelt es sich bei der Schiene um wesentliche Verkehrsinfrastruktur. Es ist eine originäre Aufgabe des Staates eine Volkswirtschaft mit hinreichender Verkehrsinfrastruktur zu versorgen und diese zu unterhalten. Verkehrsinfrastruktur stellt ein öffentliches Gut dar. Es ist die Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Ihre Versorgungssicherheit kann nicht hoch genug bewertet werden. Dass nun Deutsche Bahn und Bund mit Marktprinzipien argumentieren, ist wirtschafts- und klimapolitischer Unfug. Es muss ein Ende haben, dass der Schienenverkehr in Deutschland so stiefmütterlich behandelt wird. Übrigens, laut Zahlen von Statista aus dem Jahr 2021 subventioniert der Staat die Straßeninfrastruktur jährlich mit 45 Mrd. EUR.

Es ist an der Zeit, dass Wirtschaftsverbände und Unternehmen der Bundesregierung deutlich machen, dass eine funktionierende, preisgünstige Schiene, eine wesentliche Voraussetzung für einen klimafreundlichen, wettbewerbsfähigen Standort Deutschland ist. Ein erster Schritt dahin wäre eine Senkung der Trassenpreise!

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