Strategie & Management

Zukunft meistern – Wege in die Nachhaltigkeit

Neue, zukunftsweisende Formen des Wirtschaftens sind unumgänglich

07.06.2024 - Wie Unternehmen mit sieben Initiativen schnell in die Wirksamkeit kommen

Neue, zukunftsweisende Formen des Wirtschaftens sind unumgänglich. Die alten haben eine erschöpfte Umwelt und erschöpfte Menschen hinterlassen.

Gemeinsam müssen wir unser Verhalten rasch in intelligentere Bahnen lenken: die Transformation in eine regenerative, klimapositive Gesellschaft. 
Viele Unternehmen haben sich längst auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft gemacht. Andere starten gerade durch. Dranbleiben mit immer neuen wirksamen ­Initiativen ist in beiden Fällen ein Muss. Hier im Überblick meine Top-7-Maß­nahmen:

1. Eine Taskforce implementieren
Wird Umweltschutz in eine Abteilung gesperrt, entsteht eine silotypische Die-da-Kultur: „Wir sind gar nicht zuständig, die sollen das machen.“ Eine frühe und zugleich interdisziplinäre Einbindung hingegen sorgt dafür, dass wirklich jeder im Unternehmen zu einem Beschützer von Klima und Umwelt werden kann.
Am besten wird eine crossfunktional agierende, generationsübergreifende, interhierarchisch aufgestellte Taskforce zum Thema gebildet, ein Kernteam, das situativ durch weitere Mitarbeitende und Experten unterstützt wird. Die Taskforce braucht einen klingenden Namen, vor allem aber Ressourcen und Umsetzungsmacht. Sie vernetzt sich mit Nachhaltigkeitsgleichgesinnten über die Firmengrenzen hinaus. Sie bildet sich zum Thema fortlaufend weiter. Sie veranstaltet Lunch-Talks mit profilierten Externen, an denen alle Mitarbeitenden teilnehmen können.
Alle Beteiligten gehen die einzelnen internen Bereiche immer wieder aufs Neue durch, um passende ­Initiativen anzuschieben. Die Grundausrichtung: vermeiden, reduzieren, eliminieren, regenerieren. Es gibt hunderte Ansatzpunkte, wie ein Unternehmen ökologischer, energieeffizienter, sozialer werden kann. Dabei geht es nicht nur um die eigene Nachhaltigkeit. Auch Partner und Kunden werden gezielt unterstützt, nachhaltiger zu handeln.

2. Die Hot Spots zuerst
Niemand sollte warten, bis ein komplettes Ökoprogramm die Instanzen durchläuft und irgendwann (hoffentlich) genehmigt wird.

Am besten beginnt man mit operativen Sofortmaßnahmen, die dringlich sind und durchgreifende Erfolge zügig sichtbar machen. Zunächst werden alle angedachten Ideen gesammelt. Dazu nutzt man kollaborative Tools. Die priorisierten Initiativen arbeitet man in Kleingruppen aus.
Diese werden zunächst testweise umgesetzt und dann weiter geschärft. Dabei stellt man nicht nur den faktischen Zugewinn der einzelnen Maßnahmen heraus, sondern auch den emotionalen. Von Druck und Zwang fühlen sich die Menschen bedroht. Hingegen kann die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu sehr entschlossenem Handeln führen.
Ein wunderbarer Nebeneffekt: Wer Initiativen selbst entwickelt und in die Tat umsetzt, kommt sogar mit Einschnitten besser zurecht. Die Beteiligten agieren zugleich nach innen und außen als Botschafter und Multiplikatoren. Offen, ehrlich und heiter bekunden sie Resultate. Sie drehen Videos, machen Foto­strecken oder schreiben Storys und geben dies in ihren Netzwerken weiter.

3. Ein Umweltschutz-Wir-Gefühl schaffen
In Zeiten der Vereinzelung durch Homeoffice und hybridisierte Arbeit sind Maßnahmen, die Verbundenheit unterstützen, überaus wichtig. Insofern stärkt jede gemeinsam umgesetzte Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlinitiative das Wir-Gefühl. Zunächst geht es um ein vertieftes Verständnis für Umwelt- und Klimabelange, dann um breite Zustimmung, hiernach um sichtbare Ergebnisse und ansprechende Narrative.
So waren beim Beratungsunternehmen HR Pioneers, wie die dortige Gemeinwohl-Koordinatorin Wiebke Joester erzählt, Nike-Schuhe in Firmenfarben ein gemeinsames Identifikationssymbol, das alle gern trugen. Nachdem man sich die Lieferketten und Arbeitsbedingungen bei Nike gründlich angeschaut hatte, wurde schnell klar, dass Schuhe dieser Marke nicht länger vertretbar waren. Natürlich war das zunächst ein Einschnitt. Weil aber die gesamte Belegschaft am Prozess beteiligt wurde, kam es reibungslos zu dem Beschluss, künftig darauf zu verzichten.

4. Hackathons für das Klima
Hackathons, eine Wortschöpfung aus Hack und Marathon, sind Events zur konzentrierten gemeinsamen Lösung von Aufgabenstellungen mit einem sehr engen Zeitplan. So kommt man zu hocheffizienten Ergebnissen oft in der Hälfte der üblichen Zeit. Zum Beispiel hat die Fraunhofer IESE zu einem 24-h-Smart-City-Hackathon für Klimaschutz und Nachhaltigkeit eingeladen.
Der erste Platz ging an die „PfaffRunner“. Ihre Idee: Über spezielle Bodenplatten wird aus dem Druck, den Menschen beim Laufen darauf ausüben, sauberer Strom erzeugt. Ein so ausgestatteter Rundkurs, etwa in einem Park oder auf einem Firmengelände, kann nicht nur erneuerbare Energie erzeugen, sondern die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zu mehr Nachhaltigkeit „bewegen“ – und zugleich ihre Gesundheit fördern.

5. Jams für mehr Nachhaltigkeit 
Die Suche nach Klima- und Umweltschutzaktivitäten lässt sich auch in ganz großem Stil organisieren, um in weitverzweigten Organisationen alle Interessierten einzubinden. Das passiert im Rahmen von Jams. Jams sind Online-Veranstaltungen, die auf speziellen Jam-Plattformen weltweit stattfinden können. Dabei diskutieren die Teilnehmenden in moderierten Foren und bringen ihre Ideen ein. Software kanalisiert die Themen über Bewertungen, Rankings und Diskussionsintensität.
Zum Beispiel trafen sich unter dem Titel „Tomorrowcraft – Global Sustainability Game Jam“ interessierte Akteure und Game-Designer aus der ganzen Welt drei Tage lang online, um in interdisziplinären Teams Spiel-Prototypen zum Thema nachhaltige globale Entwicklung zu erschaffen. Solche Jams finden fortan auch in virtuell begehbaren Räumen statt, wo die digitalen Zwillinge der Teilnehmer zusammenkommen.

6. Eine Gemeinwohl-Matrix erstellen
Die Gemeinwohl-Matrix umfasst 20 Themenfelder, die vier Grundwerte (Menschenwürde, Solidarität/Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz/Mitentscheidung) und fünf Berührungsgruppen (Lieferkette, Eigentümer/Finanzpartner, Mitarbeitende, Kunden/Mitunternehmen sowie das gesellschaftliche Umfeld) umfassen. Jedes Feld wird anhand von Leitfragen abgearbeitet und mit Zahlen, Daten und Fakten belegt.
Dabei werden alle Vorgehensweisen im Unternehmen kritisch unter die Lupe genommen. Hieraus ergibt sich eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten. Damit das Ganze zu einem gemeinsam getragenen Handeln führt, sollten möglichst viele Beschäftigte an den einzelnen Etappen mitarbeiten. Öffentlich zugängliche Stellwände oder Online-Boards sowie Berichte machen den Stand der Dinge und den Fortgang der Aktivitäten sichtbar.

7. Berichterstattung und Narrative
Greenwashing und Schönfärberei sind indiskutabel. Erstellen Sie vielmehr einen offenen, ehrlichen Nachhaltigkeitsbericht, selbst dann, wenn dies aus gesetzlichen Gründen (noch) nicht notwendig ist. Er nennt Ziele, liefert Fakten und beschreibt Maßnahmen, die in Umsetzung sind. Zudem spricht er Emotionen an. Dafür werden ansprechende Bilder und Geschichten genutzt. Erfolgsnarrative sollten ständig die Runde machen.
Viele Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind für ein unterhaltsames Storytelling geradezu prädestiniert. Solche Inhalte sollten frei zugänglich auf der eigenen Website stehen. Dies ist bei der mobilen Suche lesefreundlicher als ein PDF. Zudem lassen sich in dieser Form auch Videos und Animationen integrieren. Ferner wird der Content so von den Suchmaschinen indexiert, wodurch der Traffic steigt. Überdies können einzelne Aspekte dann auch leicht in die sozialen Netzwerke fließen, sowohl über die Leser als auch über die Mitarbeitenden, die ihr Umweltengagement mit der Welt teilen wollen.
Hat ein Anbieter bislang auf Kosten des Gemeinwohls externalisiert, die Natur ruiniert, Menschen wissentlich ausgebeutet, Fördermittel missbraucht und so weiter, stoppt man das besser sofort. Die Transparenz ist inzwischen dermaßen groß, dass unethisches Handeln Unternehmen teuer zu stehen kommt. Kunden, Beschäftigte und Finanzpartner wenden sich ab. Zudem muss mit exorbitant hohen Bußgeldern gerechnet werden.

Anne M. Schüller, Autorin, München
 

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