Von Robotern assistiert
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Cobots können bereits dem Maschinenbauer in der Produktion zur Seite stehen, indem sie bspw. repetitive Aufgaben automatisieren, was nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch die Arbeitsbedingungen für das Personal verbessert. „Die Anwendungsbereiche für Cobots in der Produktion sind vielfältig“, erklärt Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der AG Medizintechnik bei VDMA, dem Medizintechniknetzwerk der Zulieferindustrie. „Sie können unter anderem schwere Komponenten heben oder sehr kleine Teile zusammensetzen. Darüber hinaus eignen sie sich für monotone Aufgaben, bei denen ein Teil stundenlang mehrfach von A nach B bewegt werden muss, sowie für Aufgaben, die keinen ständigen Eingriff des Menschen erfordern.“
Auch im Operationssaal assistieren Cobots schon Chirurgen bei präzisen Eingriffen. Sie entfalten als medizinische Hilfsmittel ihr volles Potenzial bei der sehr sensiblen Ausführung von Aufgaben, wobei sie durch menschliche Überwachung unterstützt werden. Im Operationsraum kann der Roboter dann eine Position sehr genau anfahren. Diese Position kann mithilfe eines Navigationssystems überprüft werden und mit der Bildgebung wie einem Röntgensystem oder Ultraschallsystem kombiniert werden. Das medizinische Personal kann also exakt vorgeben, in welchem Winkel welcher Punkt angefahren werden soll und dies mithilfe der Bildgebung kontrollieren oder überwachen. „Roboter erhalten die Zielkoordinaten und können dann den Bewegungsablauf automatisch abfahren wie zum Beispiel die genaue Platzierung eines Biopsiekanals, sodass das medizinische Personal nur noch die Nadel setzen muss“, erklärt Jennifer Schlichting, Business Developer Medical Robotics bei Stäubli Tec-Systems. Stäubli entwickelte mit der Firma BHS aus Innsbruck Roboter mit hochauflösenden Kamerasystemen, die unter anderem den Ärzten den Einblick ins Operationsfeld erleichtern.
Cobots
Cobots können mit diversen Sensoren ausgestattet werden: Beispielsweise mit Kraft-Momenten-Sensoren, die es dem Anwender ermöglichen den Roboter per Hand an einen gewissen Punkt zu fahren oder ein Instrument auf einer exakten Linie ein Stück weiter hinten oder weiter vorne zu positionieren, wie es beim Roboter von Stäubli Tec-Systems der Fall ist. Zusätzlich zu ihren „Augen“, ihrer Kamera, sollen Roboter als Medizinprodukte künftig auch einen Tastsinn erhalten. Das Start-up-Unternehmen SURAG, eine Ausgründung aus dem Universitätsklinikum Magdeburg, ist in den letzten Jahren auf ein System gekommen, das die Navigation bei Nadelintervention anhand von Vibration unterstützen soll. Zum Beispiel muss bei Epidural- oder Spinalanästhesie ohne Bildgebung die Nadel in einen Bereich der Wirbelsäule eingestochen werden, in dem viele Nervenbahnen verlaufen und sich weitere anatomische Strukturen befinden, die nicht verletzt werden sollten. Bis ein Arzt das durchführen kann, erfordert es enorm viel Erfahrung und Übung. „Vibrationen werden generiert, wenn eine Nadel mit Gewebe interagiert. „Jede Gewebeschicht hat unterschiedliche mechanische Eigenschaften, daher erzeugt jede Schicht eine andere Schwingung, wenn man mit der Nadel durchsticht. Wir haben also einen Sensor entwickelt, der so sensitiv ist, dass er Schwingungen erfassen und interpretieren kann, die der Mensch nicht wahrnimmt. Der kann dann Rückmeldung darüber geben, in welcher Struktur man angekommen bist. Das kann zum Beispiel der Spinalraum sein. Der ist von einer Schicht umgeben, die eine bestimmte Art von Vibration erzeugt“, sagt Moritz Spiller, CEO bei SURAG.
Diese Sensorik ist für die Neurologie oder die Anästhesie geeignet. Dadurch soll die Anzahl der Einstichversuche reduziert und Zeit gespart werden. In manchen Fällen muss bspw. ein CT-Bild gemacht werden, was im Ablauf des Krankenhauses nicht eingeplant ist und auch zusätzliche Kosten verursacht. „Es gibt schon viele Roboter mit Bilderkennungsalgorithmen, die in verschiedenen Bereichen Einzug finden. Eine Kamera hat vielleicht 120 Bilder pro Sekunde, wohingegen unsere Tasttechnologie 44.000 Werte pro Sekunde erfassen kann. So können Prozesse erfasst werden, die nicht sichtbar sind. Die Anforderungen an die Hardware sind minimal und auch die zu verarbeitenden Datenmengen bleiben gering im Vergleich zu einem HD Video“, sagt Spiller. Es gab bereits Versuche mit Da Vinci, dem weltweit am häufigsten eingesetzten roboter-assistierten Operationssystem. Hier soll die Sensorik von SURAG zukünftig autonom pulsierende Blutgefäße aufspüren, die heute für den Operateur nur schwer zu erkennen sind. In der offenen Chirurgie hat man das zuvor einfach vor dem Schneiden mit den Händen ertastet, was mit dem Roboter ohne Tastsinn natürlich nicht mehr geht.
Darüber hinaus werden kollaborative Roboter zunehmend in der Rehabilitation eingesetzt, um Patienten bei der Wiedererlangung ihrer Beweglichkeit und Funktionen zu unterstützen. Sie assistieren dem medizinischen Fachpersonal bei der Durchführung verschiedener therapeutischer Übungen und Aktivitäten für Patienten. Ihre sichere Arbeitsweise ermöglicht es, Bewegungen und Widerstände genau zu steuern, was besonders wichtig ist, wenn es um die Wiederherstellung von Muskelkraft und Beweglichkeit geht. Cobots helfen auch in der Reha dabei, repetitive Aufgaben zu automatisieren, entlasten das medizinische Personal und ermöglichen es ihnen, sich stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zu konzentrieren. Darüber hinaus können sie auch als Assistenzgeräte dienen, um Patienten bei der Bewältigung ihres Alltags zu unterstützen, bspw. beim Gehen oder beim Greifen von Gegenständen. „In der Rehabilitation kann ein Roboter zum Beispiel dabei helfen, ein Glas zum Mund zu führen, wenn ein Patient das nicht mehr selbst schafft“, sagt Schlichting. Insgesamt tragen Cobots dazu bei, die Effektivität und Effizienz der medizinischen Rehabilitation zu steigern und den Patienten eine verbesserte Genesung und Lebensqualität zu ermöglichen.
Neuesten Entwicklungen in der Automatisierung der Medizintechnik
Die Anwendung dieser kooperativen Roboter eröffnet neue Möglichkeiten in der Medizintechnik und setzt neue Maßstäbe in der kollaborativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. „Auch auf der diesjährigen MedtecLIVE vom 18. bis zum 20. Juni in Stuttgart werden die neuesten Entwicklungen in der Automatisierung der Medizintechnik von großer Bedeutung sein. Technologien wie Robotik sind entscheidend für die Weiterentwicklung der Branche. Auf der MedtecLIVE kommen Experten, Unternehmen und Innovatoren zusammen, um die Potenziale dieser Entwicklungen zu diskutieren und Lösungen zu präsentieren. Diese Veranstaltung bietet eine Gelegenheit, um in die Zukunft der Medizintechnik zu blicken“, sagt Christopher Boss, Geschäftsführer der MedtecLIVE und Executive Director der Veranstaltung.
Autorin: Sabrina Schnappauf, TBN Public Relations