Erfolgreiche Defossilisierung
Strategieberatung CMC² sieht Chemieindustrie als Vorreiter für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
Die Chemiebranche unterstützt das Ziel einer nachhaltigen, klimaverträglichen und auf Zirkularität ausgerichteten Produktionswirtschaft, die zudem auch ökonomisch sinnvoll fortentwickelt wird. Die Nutzung und Verarbeitung von Rohstoffen, sowie die damit eng verknüpfte Energiewirtschaft nehmen dabei eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess ein. Chemieunternehmen arbeiten mit Hochdruck an innovativen Produkten, Services und Geschäftsmodellen, die die Chancen der ökologischen Wende berücksichtigen und gleichzeitig ökonomisch machbar sind.
Für die Gewinnung, Umwandlung und Nutzung von Ressourcen, Rohstoffen und Energien muss im Rahmen einer erfolgreichen ökologischen Transformation ein Nachhaltigkeitszielbild entwickelt werden, das die folgenden Bausteine berücksichtigt:
- Minimierung von Verschwendung – lasse in den Prozessen bereits weniger anfallen: Einführung von Lean Management und optimalen Prozessen (kein Ausschuss, alles digital, minimaler Einsatz von Energien und Rohstoffen)
- Erhöhte Wiederverwendung – wenn Reste anfallen, führe sie in den Prozess zurück: Maximierung des Wertstoffrecyclings und der mechanischen und chemischen Wiederverwendung
- Erneuerung Produkte – entwickle Produkte, die im natürlichen Umfeld aufgehen, ohne Verschwendung und mit maximierter Wiederverwendung: Produktentwicklung auf Basis eines Zero-Waste Lebenszyklus
- Defossilisierung – Elektrifiziere industrielle Prozesse und minimiere fossile Energieträger: Umstellung auf erneuerbare Alternativen in einem zeitlich sinnvollen Wechsel mit anderen Energiearten
- Transparente Wertschöpfungssysteme – schaffe Möglichkeiten, messbare Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und deren Erreichung zu steuern: Erhöhung der Steuerbarkeit chemischer Ökosysteme (inkl. Lieferketten und Infrastrukturen)
Übergreifend liegt der Transformationsfokus somit auf einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft und der energetischen Optimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Minimierung von Verschwendung
Unternehmen der chemischen Industrie haben mit zahlreichen Projekten begonnen, die Minimierung der Verschwendung in allen Prozessen zu realisieren. Dazu zählt häufig eine durchgehende Digitalisierung der technischen und kaufmännischen Prozesse. Ebenso die Einführung von Lean Management und Ansätzen wie 5S zur Reduktion unnötiger Ressourcen. Die Reduktion des Energie- und Medienverbrauchs wird bereits bei der Herstellung der Produkte durch Nutzung moderner energieeffizienter Produktionsanlagen adressiert. Die Nutzung von grünen Medien und Energien für den Produktionsprozess, z.B. durch Nutzung von grünem Wasserstoff als Brennstoffersatz für Erdgas in energieintensiven Produktionsprozessen wird intensiv meist mit Partnernetzwerken vorangetrieben. Darüber hinaus gibt es zahlreiche ökonomisch interessante Projekte, bei denen bisherige Abfall- und Nebenprodukte als Reaktionspartner verwertet werden (z.B. die stoffliche Nutzung des „Abfallprodukts“ CO2 in diversen Carbon Capture and Utilization (CCU) Prozessen).
Erhöhte Wiederverwendung
Es ist davon auszugehen, dass der Begriff „Abfallentsorgung“ zukünftig seine bisherige Bedeutung verlieren wird. Stattdessen wird der Begriff „Wertstoffwiederverwendung“ an seine Stelle treten. Die bisherige thermische Nutzung durch Verbrennung widerspricht den Klimazielen der UN und daher wird die stoffliche Nutzung von Wertstoffen mit diversen Recyclingverfahren konsequent ausgebaut. Und dies nicht nur im Bereich der mechanischen Recyclingprozesse (bspw. bei Verpackungsmaterialien), sondern auch mit innovativen chemischen Recyclingprozessen für Metalle und Kunststoffe. Der chemischen Wiederaufbereitung kommt dabei eine besondere energetische Bedeutung zu. Beim chemischen Recycling werden „Abfälle“ zu nutzbaren Rohstoffen umgewandelt, die der chemischen Industrie wieder als Einsatzstoffe zur Verfügung gestellt werden können. Viele erfolgreiche Pilotprojekte mit den spezifischen Varianten der chemischen Wiederaufbereitung (z.B. Pyrolyse, Gasifizierung, Solvolyse) zeigen, dass die Chemieindustrie hier nicht das Problem darstellt, sondern der wesentliche kompetente Problemlöser für eine nachhaltige, klimaneutrale zirkuläre Wirtschaft ist.
Erneuerung Produkte
Bereits zu Beginn der Produktentwicklungsphase muss das Konzept des nachhaltigen Designs im Mittelpunkt stehen, welches die Entstehung von Abfällen vermeidet und vollständige Wiederverwertbarkeit ermöglicht. Auch hier spielt die Chemieindustrie eine Schlüsselrolle (u.a. bei der designseitigen Sicherstellung von vollständiger Sortier- und Trennbarkeit von Komponenten in Endanwendungen (wie TVs, Kühlschränken oder Möbelstücken), der Auslegung von Bauteilen mit Monomaterial anstatt Multiwerkstoffverbunden oder der gezielten Entwicklung von sortenrein aufschmelzbaren Kunststoffen wie bspw. Polycarbonat in CDs und DVDs. Hier wird oft der Endkunde über das ökonomisch Machbare in der Preisakzeptanz entscheiden.
Defossilisierung
Die Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung und Wiederverwertung von Ressourcen und Rohstoffen muss unter einem völlig neuen Blickwinkel betrachtet werden. Die Abkehr von der Nutzung fossiler Energieträger in industriellen Prozessen erfordert Technologiesprünge, die die Wertschöpfungsketten sowie historisch gewachsene Strukturen grundlegend verändern werden. Die chemische Industrie benötigt mit diesen neuen Rahmenbedingungen eine prinzipielle Offenheit für neue Produktionsprozesse, neue Technologien und eine Innovationskultur, welche auf Nachhaltigkeit, Zentrierung auf den Menschen und Resilienz in den Fertigungs- und Lieferketten setzt.
Es steht außer Frage, dass die regenerative Primärenergieerzeugung (mit Solar, Wind etc.) die Grundlage bildet und die Chemiebranche zahlreiche Innovationen zur Umwandlung und Speicherung der Energie in Form chemischer Medien (wie Wasserstoff, Ammoniak und Methanol) beisteuert. Auch im Bereich der Prozessführung und Anlagentechnik gibt es zahlreiche Beispiele, die das Konzept der direkten Elektrifizierung als Substitution von klassischen Verbrennungsvorgängen verfolgen (z.B. elektrisch beheizte Steamcracker, die 90 % weniger CO2-Emissionen verursachen, oder neue Wärmepumpensysteme, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden und Dampf aus bislang ungenutzter Restwärme erzeugen).
„Abfälle werden zu nutzbaren Rohstoffen umgewandelt.“
Transparente Wertschöpfungssysteme
Vor allem durch Impulse aus der Politik hat sich die ökologische Verantwortung von Unternehmen im Laufe der letzten Jahre weit über die eigenen Prozesse hinaus erweitert. So wurde bspw. im Jahr 2021 das Sorgfaltspflichtengesetz für Lieferketten verabschiedet, welches Unternehmen dazu verpflichtet umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten zu bewerten. Vor diesem Hintergrund hat sich die ökologische Transformation auch weit bis in die Lieferkette ausgedehnt. Seit 2022 formalisiert die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) den Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen noch deutlicher, da z. B. auch die sog. Scope 1 bis Scope 3 CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette berichtet werden müssen. Die Wichtigkeit der Betrachtung des gesamten chemischen Ökosystems über die Unternehmensgrenzen hinaus ist ohne Zweifel. Allerdings muss diese Transparenz von Daten, Beteiligten, Abläufen zunächst geschaffen werden. Am besten direkt digital verfügbar, bewertbar und als Basis für die Steuerung und Einhaltung der Zielvorgaben nutzbar. Nachhaltigkeit ergibt sich nicht ohne messbare Kontrolle der erzeugten Emissionen entlang der logistischen und produzierenden Lieferkette.
Nachhaltigkeitsstrategie als Grundstein für ökonomischen Erfolg
Zur Erfüllung der ambitionierten strategischen Nachhaltigkeitsziele hat die Chemieindustrie bereits vielversprechende technologische Fortschritte erzielt, die alle Industriezweige in ihrer langfristigen Unternehmensstrategie beachten und aktiv nutzbar machen sollten. Zunächst sind hierbei unternehmerischer Mut und Investitionen in Forschungs- und Innovationsprojekte erforderlich. In der Zukunft bieten sich dann durchaus strategische Wettbewerbsvorteile, wenn die voranschreitende Nachhaltigkeitstransformation in den Führungsetagen nicht als Risiko, sondern als ökonomische Chance betrachtet wird.
Autoren:
Clara Hiemer, Senior Consultant, Thomas Wagner, Senior Consultant, und Carsten Suntrop, Senior Expert, CMC2 GmbH Consulting for Managers in Chemical Industries, Köln
Neues Buchprojekt: Zirkuläre Chemieindustrie
Strategieberater und Autor Carsten Suntrop schreibt mit seinen Kollegen ein neues Buch mit dem Arbeitstitel “Nachhaltige und zirkuläre Chemieindustrie – Herausforderungen, Praxisfälle und Lösungsansätze”. Das Buch soll 2024 bei Wiley-VCH erscheinen und die signifikanten Veränderungen der Nachhaltigkeitsanforderungen an die Chemieindustrie betrachten. Zwischen dem Einband werden Praxisbeispiele zur nachhaltigen, klimaneutralen und zirkulären Chemiewirtschaft dargestellt – auch in Bezug auf nachhaltige Geschäftsmodelle, Produkte und Technologien. Gesetzliche Vorgaben, Megatrends und Marktentwicklungen werden aufgezeigt, sowie deren strategische Bedeutung und ökonomischen Chancen für die Branche.
Der Beitrag der Chemieindustrie zur Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit, Defossilisierung und Etablierung klimaneutraler Prozesse wird anhand konkreter Beispiele analysiert. Marktumfeld und Chemieökosystem werden zudem gesamtheitlich erfasst – von der Minimierung der Verschwendung beim Produktentstehungsprozess, Nutzung regenerativer Energiequellen über Innovationen bei Recycling und Wiederverwertung bis hin zur Transformation des Chemieproduktportfolios und zur Defossilisierung der gesamten Wertstoff- und Energiewertschöpfungskette.
Veränderungen der Anforderungen an die Chemieindustrie aufgrund von exogenen und endogenen Faktoren werden durchleuchtet und ideale strategische Zielbilder chemischer Unternehmen werden in diesem Kontext erläutert. Ein besonderer Fokus wird auf technischen Innovationen und digitalen Lösungen liegen, auf die die Chemieindustrie ihre gegenwärtigen und zukünftigen nachhaltigen Geschäftsmodelle aufbaut. Mit anschaulichen Nachhaltigkeitsroadmaps wird zudem ein Blick in die Zukunft geworfen und intelligente Modelle für Korporationen in neuen Partnernetzwerken werden aufgezeigt.
Das Buch soll Geschäftsführern in der chemischen Industrie, sowie Hochschulen, Unternehmensberatern und Industriedienstleistern Impulse für eine erfolgreiche ökologische Transformation der Branche und des eigenen Unternehmens liefern.
Wir besetzen derzeit die einzelnen Kapitel und Beiträge und viele Co-Autoren haben schon zugesagt - wir freuen uns sehr über weitere Bewerbungen zur Mitarbeit an diesem erstmaligen Werk. Kontaktieren Sie uns, per E-Mail an: carsten.suntrop@cmc-quadrat.de