Anlagenbau & Prozesstechnik

Scheitert eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Deutschland?

Digitalisierung und vernetzte Datenräume

16.08.2023 - Die Nachhaltigkeit scheitert nicht an der Technologie und Digitalisierung, sondern am Mangel an Menschen, die sie umsetzen wollen und können.

Warum ist der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft so wichtig für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland? Zum einen werden über 40 % des Primär­energiebedarfs in Deutschland in Form von Erdgas und Erdöl für die industrielle Produktion und das Gewerbe benötigt. Das ist ungefähr die doppelte Menge unseres derzeitigen Strombedarfs, der so in Deutschland kaum nachhaltig zu decken ist. Durch den Aufbau einer sektorenübergreifenden Kreislaufwirtschaft wäre es möglich, den Energiebedarf zu senken und die Produktion zu elektrifizieren. Zum anderen ist Deutschland im Verhältnis zu seinem Bedarf ein sehr rohstoffarmes Land. Der größte Teil der Rohstoffe muss importiert werden.

Das bedeutet Abhängigkeiten von den Lieferländern, allen voran China. Recycling würde an dieser Stelle sowohl Bedarf als auch Kosten der Rohstoffe reduzieren und gleichzeitig die Resilienz unserer Lieferketten stärken. Der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft erhöht aber auch die Komplexität der gesamten Wertschöpfungskette. Um diese Prozesse effizient steuern zu können, müssen unternehmensübergreifend Informationen eines Produkts ausgetauscht werden, aber nicht nur zu Preisen, sondern auch zur Nachhaltigkeit, z.B. der Carbon Footprint eines Produkts, inklusive seiner Komponenten. Die Kreislaufwirtschaft verlangt daher ein höheres Maß an Digitalisierung als die aktuelle lineare Supply Chain.

Der digitale Produktpass (DPP), wie in der aktuellen Ökodesign-Verordnung der EU gefordert, ist ein Anfang. Der DPP verlangt aber nur Daten für Endprodukte, die in den Verkehr gebracht werden. Am Ende müssen die Daten aber über die gesamte Wertschöpfungskette gemanaged werden. Das bedeutet: wir brauchen Standards für die Inhalte, die Datenmodelle und ein gemeinsames Daten-Ökosystem, wie z.B. Manufacturing-X, in Verbindung mit der Verwaltungsschale, für alle Teile der Wertschöpfungskette.

Digitalisierung und vernetzte Datenräume

Aber wo stehen wir aktuell? Kreislaufwirtschaft und Recyclingprozesse rechnen sich in Deutschland nicht, oder sogar nicht mehr. Denn etablierte Kreisläufe werden aufgrund höherer Energiekosten immer unrentabler und werden deshalb durch günstigere globale Rohstoffzukäufe ersetzt. Mit ihren nicht unerheblichen Anfangsinvestitionen, den fehlenden Mengen an bezahlbarem grünem Strom und für wirtschaftliche Recyclingprojekte noch zu geringe CO2-Preise, fehlen die Grundlagen für die Freigabe der Mittel in den Firmen. Zusätzlich werden aktuelle Digitalisierungsprojekte meist nur innerhalb einzelner Unternehmensgrenzen umgesetzt, aber für nachhaltige und branchenübergreifende Kreislaufwirtschaften wird ein wesentlich offenerer Kommunikationsansatz benötigt.  Für die Umsetzung solcher firmen- und branchenübergreifenden Digitalisierungsprojekte fehlen sowohl die Konzepte als auch der Wille und die Bereitschaft, sich datentechnisch zu öffnen.

Im Rahmen der Initiative Manufacturing-X (Plattform Industrie 4.0), unterstützt mit einer dreistelligen Millionensumme durch das BMWK, wurde nun begonnen, einen solchen Datenraum für digital vernetzte Lieferketten und Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Aktuelle Geschäftsprozesse können sich durch diesen vernetzten Datenraum wesentlich zielorientierter, schneller und somit flexibler auf Marktbedürfnisse anpassen. Neue Geschäftsprozesse lassen sich skalierbarer etablieren, was den Umsetzungsaufwand und das Anfangsrisiko minimiert. Zusätzlich werden aber auch verlässliche Rahmenbedingungen zu europäischen Regulierungsvorhaben benötigt, um Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen, und der ökologischen Transformation eine Chance zu geben.

Wobei die Produktion und Beschaffung von bezahlbarer grüner Energie ein wichtiger Bestandteil dieser Rahmenbedingungen sein muss. Durch diese Kombination des digitalen firmenübergreifenden Datenraums Manufacturing-X, verlässlichen Rahmenbedingungen der EU, und Firmen, die neuen Kreislaufwirtschaften eine längerfristige Amortisationsphase einräumen, könnte der Aufbau der Kreislaufwirtschaft gelingen und wir würden uns global als innovativer und nachhaltiger Arbeitgeber bewerben für die dazu dringend benötigen Fachkräfte im Land. Aus diesen Gründen unterstützt auch die NAMUR die Initiative Manufacturing-X und viele weitere Automatisierungs- und Digitalisierungsprojekte, die einen Beitrag für einen nachhaltigen und für Fachkräfte interessanten Industriestandort liefern.

Denn die Nachhaltigkeit scheitert nicht an der Technologie und Digitalisierung, sondern am Mangel an Menschen, die sie umsetzen wollen und können.

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