Nicht-Produktiv-Zeit eliminieren
4.OPMC will Transformation nutzen, um dem demografischen Wandel zu begegnen.
Mitarbeiter mehr in wertschöpfenden und weniger in unproduktiven Nebenzeiten zu binden, birgt das derzeit vielleicht größte Optimierungspotenzial in der industriellen Instandhaltung, meinen die Experten des Berliner Vereins 4.OPMC. Das Netzwerk ist ein branchenübergreifender Zusammenschluss von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft mit dem Ziel, Lösungen grundlegender Fragen der industriellen Entwicklung Deutschlands zu erarbeiten und somit zur Sicherung des Produktionsstandortes beizutragen.
Die meisten Unternehmen sind auf der Suche nach Optimierungspotenzialen, zum einen um wirtschaftlicher und nachhaltiger im Hochlohnland effektiver produzieren zu können, zum anderen, um mit immer weniger verfügbaren Fachkräften die Verfügbarkeit der Produktionsanlagen sicher stellen zu können. Eine der Initiativen des Netzwerks ist das Projekt SLIM (Super Lean Industrial Maintenance). Der Verein kann hier in der Mitgliederstruktur auf ein breites Knowledge-Netzwerk zurückgreifen. Wissend, dass die deutsche Industrie in den kommenden 10 Jahren ca. 40 % der Facharbeiter aus der Erwerbstätigkeit verlieren wird, gilt es, diese Lücke zu schließen. Bei der Analyse der Produktivzeiten zeigt sich, dass selbst in sehr gut organisierten Instandhaltungsabteilungen die echte „Hands-On-Tool-Zeit“ zwischen rund 50 % der eingesetzten Arbeitszeit beträgt. Die übrigen Zeiten entfallen auf Dokumentation, Bereitstellung, Wege, Schulung, Wartezeiten, Vorbereitung. Viele dieser Schritte bergen erhebliche Ineffizienzen. Ziel von SLIM ist es, die „Nicht-Produktiv-Zeit“ auf ein Minimum zu reduzieren bzw. gänzlich zu eliminieren.
Um unternehmensübergreifend vergleichbar diskutieren zu können, wurde ein digitales Modell einer Produktionsanlage, des sog. Normlings entwickelt, dessen technische Spezifikation im DIN SPEC 77221 definiert wurde. Dieses Modell dient dazu, die Diskussionsbasis von den betreiberspezifischen Besonderheiten weg zu lenken, um eine reine Inhaltsdiskussion auf Meta-Ebene führen zu können.
„Ein Teil des demografischen Wandels kann kompensiert werden.“
Auf Basis eines Instandhaltungsprozesses auf Meta-Ebene wurde in einem Expertenworkshop auf Abwicklungsebene verschiedener Unternehmen, Dienstleister wie Anlagenbetreiber der Prozessindustrie, ein Detailprozess beschrieben, mit dem Ziel, die Einzelschritte und Schnittstellen zu definieren. Daraus wurde ein Prozessbenchmark abgeleitet, aus dem alle beteiligten Parteien lernen, wie andere die Abwicklung organisieren. Der resultierende Musterprozess ist vollständig End-to-End beschrieben. Bei der Identifikation der Schnittstellen wurde gezielt auf einfache offene Definitionen abgezielt, die auch unternehmensübergreifend funktionieren. Mit diesen Definitionen finden sich mehrere Schnittpunkte in diverse Prozessen, die erhebliches Optimierungspotenzial bergen.
An Hand eines Beispiels aus der Liste der Schnittstellen: konkrete Ableitungen sind neben der intensiven Unterstützung des DIN SPEC 91406, die mittlerweile im Rahmen des DDCC (Digital Data Chain Consortiums) in eine ISO Norm überführt wird. Das Standarddokument bedient sich der URI ( Uniform Ressource Identifyer) als Identifikator via QR Code bzw. RFID Chip. Mit der Logik ergibt sich eine eineindeutige Identifikation eines Equipments, die leicht lesbar und leicht integrierbar in Unternehmenssysteme eingebaut werden können. Diente diese Logik zunächst der Schnittstelle für dem Informationsaustausch zu einem Equipment, bieten sich schnell weitere Anwendungen: der Verein bietet seinen Mitgliedern einen kostenlosen Trackingservice an, der anonym die Geoposition und Zeitstempel eines Scans ablegt. So werden bei Stillständen mehrere Tausend Bauteile ausgebaut, transportiert, gelagert und müssen exakt zum richtigen Zeitpunkt wieder vor Ort zur Verfügung stehen. Gerade bei Bauteilen, die zwischenzeitlich bei externen Dienstleistern überarbeitet werden müssen, ist es ein großer, teils manueller Aufwand, hier die Übersicht zu behalten.
Die Übertragung der Logik auf Mitarbeiter erlaubt es, personenbezogene Daten anonym und individuell durch den Mitarbeiter freizugeben. Damit bleibt der Datenschutz vollständig gewährleistet. Ein Mitarbeiter-Ausweis mit einem lesbaren QR Code (Digital oder als Print – „Zutrittsmanagement DIN SPEC 77219“) kann damit für den Werkszutritt, die Arbeitsfreigabe, die Leistungserfassung, die Prüfung der persönliche Schutzausrüstung (PSA), die Fach-/Sachkunde Prüfung als auch für die arbeitsmedizinische Freigabe verwendet werden.
Mit einer auf diese Weise offenen Schnittstelle kann jedes Unternehmen die eigene Entwicklungsgeschwindigkeit anpassen. Je besser die Anwendungsmöglichkeiten beschrieben sind, desto deutlicher funktioniert das gemeinsame Zielbild. Unternehmen können dann bei der Evolution oder Überarbeitung von Prozessen jederzeit auf einen Teilprozess einwirken, die individuelle Roadmap abarbeiten. Wenn Dienstleister und Betreiber dies gemeinsam tun, braucht es keine individuelle Schnittstellenbeschreibung mehr, sondern Dienstleister können die gleichen Informationen für verschiedene Unternehmen nutzen.
Der Dienstleister A arbeitet für das Unternehmen X, muss dort Abwicklung, Dokumentation, Leistungserbringung, Sicherheitsprozesse, Nachweise individuell zur Verfügung stellen. Beim nächsten Auftrag im Unternehmen Y sind wieder individuelle Schritte zu bedienen, inhaltlich unterscheiden sie sich in der Analyse aber nur marginal. Alle diese Schritte sind mit Abwicklungszeiten verbunden, die zu den Nicht-Produktiven-Zeiten gehören und nicht wertschöpfend, sondern verwaltend sind.
Mit diesem Ziel vor Augen hat 4.OPMC verschiedene DIN SPEC Verfahren angestoßen, die der Verein auch finanziert, um hier schnelle Lösungsansätze zu entwickeln. Für Zutrittsmanagement, Abwicklungen über Standard-Leistungsverzeichnisse (STLV), PSA Erkennung, wurden Initiativen gestartet, die allen Unternehmen helfen sollen, die Prozesse maximal zu digitalisieren. In einer Arbeitsgruppe wurde auch der Abrechnungsprozess betrachtet und gemeinsam mit SAP in einer CEI (Customer Engagement Initiative) weiterentwickelt. Damit findet das Format DIN SPEC 77229-XX STLV direkt Anwendung im nächsten SAP S/4Hana Release der meisten Anlagenbetreiber.
Beim „Durchspielen“ des Musterprozesses mit den Schnittstellen – und bereits leicht machbaren technischen Möglichkeiten – lassen sich erhebliche Teile der Abwicklung einfach digitalisieren und entlasten die Mitarbeiter von unproduktiven, auch wenig spannenden Nebentätigkeiten. Hierdurch wird die Ressource Mensch effektiver und ein Teil des demografischen Wandels kann kompensiert werden.
- Das Equipment in der Anlage ist vor Ort eineindeutig identifizierbar.
- Der Mitarbeiter, der am Equipment einen Auftrag zu erledigen hat, weiß sicherer, er ist im richtigen System.
- Freischaltung/Arbeitsfreigaben sind verwechslungssicher
- Der Mitarbeiter hinterlegt Qualifikation, arbeitsmedizinische Nachweise, das Vorhandensein der notwendigen PSA
- Anforderung und tatsächliche Ausprägung können automatisch abgeglichen werden, dies gilt für Arbeitssicherheitsunterweisungen, Qualifikation, Arbeitsmedizin, PSA
- Arbeitsschritte, Ergebnisse, Prüfungen, Protokolle, Informationen werden leicht und eindeutig zugewiesen
- Die Schnittstellen funktionieren unternehmensgreifend, damit die Skaleneffekte um die Digitalisierungsinitiativen auch zielführend effektiv für alle Unternehmen passen
- Die Abrechnungsprozesse bis zur Leistungsanerkennung und Ausgleich von Rechnung oder Kostenallokation bei internen Organisationen können automatisiert werden.
Andreas Weber, 1. Vorsitzender; Jens Reichel, 2. Vorsitzender; Bernhard Kurpicz, Vorstand, 4.OPMC
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