Neue Herausforderungen auf dem Weg zur Dekarbonisierung
Die Umstellung auf erneuerbare Energien und CO2-arme Prozesse in der chemischen Industrie ist ein langwieriger Prozess
Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge war die Industrie im Jahr 2021 für rund 23,8 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Der CO2-Ausstoß der chemischen Industrie belief sich dabei auf mehr als 5,5 Mio. t. Trotz steigenden Energiebedarfs werden die CO2-Emissionen zukünftig sinken müssen. Im Sinne der Energiewende wäre es ideal, wenn schon morgen alle Unternehmen auf erneuerbare Energien und CO2-arme Prozesse umstellen würden. Der Weg dahin ist aber ein langwieriger Prozess, denn fossile Energieträger sind mittelfristig auch weiterhin für die Versorgungssicherheit der Industrie notwendig. So können Unternehmen mit Erdgas einen ersten wichtigen Schritt bei der Transformation gehen und ihren CO2-Fußabdruck in der Zwischenzeit maßgeblich senken.
Viele Unternehmen der chemischen Industrie haben bereits damit begonnen, die Dekarbonisierung ihrer Prozesse und Energieversorgung voranzutreiben. Eine besonders große Herausforderung sind Transformationspfade für Prozesse, die sich nicht oder nur teilweise elektrifizieren und damit auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen umstellen lassen. Darunter fallen bspw. die Dampfreformierung zur Herstellung von Ammoniak oder der Dampfspalter für Basischemikalien. Für sie ist das langfristige Ziel, auf grüne Gase wie Biomethan und grünen Wasserstoff umzusteigen. Solche Alternativen sind aber aktuell nur in sehr geringen Mengen verfügbar.
Industrieunternehmen im Chemiesektor benötigen allerdings schon heute Lösungen, um CO2-Emissionen zu reduzieren und die Umstellung auf grüne Energie einzuleiten. Erdgas und die daraus entstehenden Produkte (z.B. Wasserstoff) können dabei eine Schlüsselrolle spielen. Erdgas zeichnet sich besonders dadurch aus, dass es vielfältig einsetzbar und im Vergleich der CO2-ärmste fossile Energieträger ist. 2021 lag der industrielle Einsatz von Erdgas bei rund 369 Mrd. kWh, was 37 % des gesamtdeutschen Erdgasabsatzes entsprach.
LNG – flexible Erdgasversorgung
Um auch zukünftig für die Versorgung mit Erdgas gewappnet zu sein, setzt Shell auch in Deutschland auf LNG (Liquefied Natural Gas). LNG wird durch das Herunterkühlen von Erdgas auf -162 °C erzeugt. In diesem flüssigen Zustand hat es ein 600-fach geringeres Volumen als Erdgas. LNG ermöglicht somit eine sehr flexible Versorgung mit Erdgas, die sich zudem schnell an sich verändernde Handelsstrukturen anpassen kann.
Shell führt Gespräche mit verschiedenen Partnern zur Abnahme von LNG sowie u.a. mit Terminalbetreibern, um Möglichkeiten zu eruieren, LNG nach Deutschland zu bringen.
Anwendungszwecke in der Chemieindustrie
Statt sich auf Erdgas für eine schrittweise Dekarbonisierung zu verlassen, muss der Ausbau erneuerbarer Energiequellen massiv beschleunigt werden. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und in ihrem sogenannten Osterpaket entsprechende Ziele und Maßnahmen vorgelegt. Industrieunternehmen müssen sich jetzt mit dieser neuen Ausgangslage vertraut machen und ihre Dekarbonisierungsstrategie unter Berücksichtigung der neuen Lage anpassen. Dabei wird für viele Unternehmen der Fokus darauf liegen, Wege zu finden, den Einsatz grüner Gase wie Biomethan und grüner Wasserstoff vorzubereiten.
Je nach Sektor finden grüne Gase unter anderem als Ersatz für Erdgas sowohl zur Strom- als auch Wärmeerzeugung Verwendung. Schon heute wird im chemischen Industriesektor vielfach Wasserstoff verwendet – etwa zur Synthese von Ammoniak, das große Bedeutung für die Düngemittelherstellung hat. Dabei wird per Dampfreformierung aus Erdgas Wasserstoff hergestellt. Wenn das daraus resultierende CO2 abgeschieden und gespeichert wird, handelt es sich um blauen Wasserstoff.
Um den CO2-Fußabdruck noch weiter zu senken, lässt sich der aus Erdgas hergestellte Wasserstoff im nächsten Schritt durch Elektrolyse-Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen wie Solar und Wind ersetzen, sobald dieser in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Konditionen zur Verfügung steht.
Was bedeutet welche Farbe bei Wasserstoff?
- Grauer Wasserstoff: Per Dampfreformierung aus Erdgas hergestellter Wasserstoff, ohne dass eine Kohlenstoffabscheidung vorgenommen wird. Das CO2 entweicht in die Atmosphäre.
- Blauer Wasserstoff: Per Dampfreformierung hergestellter grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Herstellung abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage).
- Türkiser Wasserstoff: Wasserstoff, der per Pyrolyseverfahren erzeugt wird. Als Nebenprodukt entsteht dabei fester Kohlenstoff. Die CO2-Intensität ist abhängig von der Energie, die für die Pyrolyse genutzt wird.
- Grüner Wasserstoff: Komplett CO2-neutral ist nur grüner Wasserstoff, der per Elektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne oder Wind hergestellt wird.
- Gelber Wasserstoff: Wasserstoff, der aus konventionellem Strom produziert wird.
- Roter Wasserstoff: Per Elektrolyse aus Atomstrom hergestellter Wasserstoff.
Alternative Energieträger bereiten Weg für die Zukunft
Durch Erdgas und blauen Wasserstoff konnten Unternehmen bereits ihre Prozesse und Energieversorgung auf die Energiewende ausrichten und dabei schrittweise den eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren. Bisher war damit schon ein Großteil der später nötigen Umstellungen vorgenommen. Mit der Marktaktivierung von grünem Wasserstoff könnte im nächsten Schritt der Umstieg auf einen CO2-freien Energieträger ermöglicht werden.
Mit dem beschlossenen Atomausstieg 2022 und dem Ausbau der Erneuerbaren auf 80 % im Strommix bis 2030 wird die Bedeutung von Wasserstoff weiter zunehmen, um ergänzend mit Erdgas eine sichere Stromerzeugung in Stunden mit geringer erneuerbarer Erzeugung sicherzustellen. Hierzu wird in Deutschland hauptsächlich auf Solar- und Windenergie gesetzt – On- wie Offshore. Der erneuerbare Strom wird bei diesem Verfahren genutzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Der daraus resultierende grüne Wasserstoff ist CO2-neutral und kann vielfältig eingesetzt werden.
Eine nachhaltige Alternative zu Erdgas stellt wiederum Biomethan dar. Es verfügt über die gleichen Eigenschaften wie das fossile Erdgas und stellt somit eine Option für Prozesse dar, die auf Erdgas angewiesen sind. Allerdings wird Biomethan nur einen geringen Teil des bisherigen Erdgasbedarfs ersetzen können. Bis 2030 könnten dem BDEW zufolge bis zu 10,3 Mrd. m³ Biomethan pro Jahr in das deutsche Gasnetz eingespeist werden. Das entspricht rund 100 TWh pro Jahr. Die CO2-Intensität von Biomethan variiert je nachdem, woraus es hergestellt wird.
CO2-Ausgleich für verbleibende Emissionen
Erdgas und die meisten Formen nicht-grünen Wasserstoffs tragen zwar dazu bei, den eigenen CO2-Fußabdruck zu senken, indem weniger Emissionen ausgestoßen werden als bei bisherigen Alternativen. Allerdings lassen sich CO2-Emissionen dadurch nicht vollständig vermeiden. Aus diesem Grund bietet Shell Chemieunternehmen den freiwilligen CO2-Ausgleich an. Damit lassen sich die verbleibenden CO2-Emissionen als mittelfristige Lösung mithilfe von Emissionszertifikaten kompensieren.
Hierzu fördert Shell lokale und internationale Klimaschutzprojekte, mit denen unter anderem Wälder geschützt oder wieder aufgeforstet werden, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Die von Shell unterstützten globalen Projekte erfüllen strenge Vorgaben: Shell kauft Zertifikate, die anerkannten externen Standards wie dem Verified Carbon Standard (VCS) entsprechen. Abhängig von den jeweiligen Anforderungen können diese Emissionsminderungsgutschriften auch direkt mit verschiedenen Energieprodukten gebündelt werden.
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