Optimale Prozesshygiene durch Chlordioxid
Wasserqualität in der Galvanotechnik
In korrosionskritischen Anwendungen in der Galvano- und Oberflächentechnik sieht man sich durch das Einstellen von Schwermetallen zum Korrosionsschutz mehr und mehr mit wachsenden Problemen durch mikrobiellen Befall konfrontiert. Mikroorganismen beeinträchtigen maßgeblich die Wasserqualität der Spülbäder und damit das qualitative Ergebnis des Beschichtungsprozesses. Dieses wird im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels aus der Karosserievorbehandlung der Fahrzeuglackiererei erläutert.
Auswirkung von Biofilmen auf die Wasserqualität
Wenn es im Prozesswasser zu Überschreitungen der mikrobiologischen Parameter kommt, sind meist Biofilme dafür verantwortlich. Als belagartige Schleimschichten begünstigen Biofilme die Anlagerung und Vermehrung von Mikroorganismen, wie z.B. Bakterien, Hefen oder Pilzen, und bieten diesen eine Schutzschicht gegen Hitze, Desinfektion und Austrocknung – damit stellen sie eine große Herausforderung für nahezu alle wasserführenden Prozesse dar. Im Prozess der Karosserievorbehandlung betrifft Biofilmbildung im Speziellen die letzten Spülzonen vor dem Übergang zur kathodischen Tauchlackierung. Die Spritz- und Tauchspülbecken der Vorbehandlungslinie werden in der Regel mit vollentsalztem Wasser (VE-Wasser) betrieben, das laufend umgewälzt und frisch aufbereitet wird. Die Vielfalt an Oberflächen, Wandungen, toten Rohrleitungssträngen, Behältern und Füllkörpern im VE-Wasserkreislauf schafft ideale Bedingungen für den Aufbau und das Wachstum von Biofilmen. Bei den Ionenaustauschern lagern sich Biofilme an den Harzen ab und führen zu längeren Regenerationszyklen, Kapazitätsverlusten und einem Anstieg der Leitfähigkeit. Auf den Multimediafiltern bewirken Biofilme eine Erhöhung des Filterwiderstandes und können sogar eine ständige Rekontamination des Wassersystems verursachen. Nicht zuletzt können Anlagenteile aus Stahl oder anderen Legierungen schwer von mikrobiologisch induzierter Korrosion und Lochfraß betroffen werden.
Dadurch ergeben sich eine Reihe produktionskritischer Zustände, die direkt, aber auch indirekt, zu Qualitätsproblemen und zusätzlichen Kosten und Aufwand führen. In letzter Konsequenz beeinträchtigen zu hohe Keimbelastungen und Biofilmbildung in der Vorbehandlung auch die nachfolgenden Prozessschritte der Fahrzeuglackierung.
Herangehensweise an Prozesshygiene
Hygieneprogramme in der Vorbehandlung beruhen in der Regel auf der Reinigung der Anlagenteile und dem Einsatz von Bioziden im VE-Wasser. Die bisherige Herangehensweise basiert betriebsbedingt (zeitlich oder räumlich) auf der getrennten Reinigung der einzelnen Anlagenkomponenten, wie Filter, Harze, Rohrleitungen, Behälter etc. Da Biofilme sich aber immer im gesamten wasserführenden System ausbreiten, kann ein uneinheitliches Reinigungskonzept bzw. die Vernachlässigung von einzelnen Anlagenkomponenten oder Leitungssträngen zu einer Verschleppung der mikrobiologischen Belastung und einem hohen Risiko der Rekontamination führen. Alle Maßnahmen sollten daher grundsätzlich das gesamte System einbeziehen, was bei wiederkehrenden Gesamtreinigungen und häufigem Austausch von Füllmaterialien der Ionentauscher schnell kostspielig und aufwendig wird.
Als Biozide werden in der herkömmlichen Herangehensweise meist Wasserstoffperoxid, Peressigsäure oder organische Biozide eingesetzt. Diese Biozide besitzen jedoch nicht die Fähigkeit, in den Biofilm zu diffundieren und so die Schleimproduktion zu stoppen. Alternativ oder ergänzend zu Bioziden wird auch ein physikalisches Desinfektionsverfahren angewandt, bei dem das Wasser mit desinfizierend wirkender UV-Strahlung behandelt wird. Aber auch bei diesem Verfahren werden Biofilme nicht entfernt. Deshalb können sich trotz der Behandlung weiterhin Biofilme ablagern, anreichern und zur Wiederverkeimung führen. Nicht nur die eingeschränkte Wirksamkeit dieser Biozide sondern auch mögliche Unter- oder Überdosierungen sind dabei kritisch in der Anwendung. Denn Unterdosierung oder der Einsatz von zu „sanften“ Bioziden bedingt mehrere zeit- und kostenaufwendige Behandlungsschritte, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Überdosierung, hohe Wirkstoffkonzentrationen oder aggressive Biozide können Anlagenteile beschädigen, wie z.B. eine langsamen und irreversible Entnetzung der Polymerstruktur der Ionenaustauscherharze mit darauffolgendem Verlust der Kapazität. Um die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des gesamten Vorbehandlungsprozesses zu optimieren, ist daher eine umfassende Hygienisierung aller Komponenten in einem Schritt notwendig.
Chlordioxid als Behandlungsalternative
Der Einsatz von Chlordioxid als Biozid gewinnt branchenübergreifend zunehmend an Bedeutung, insbesondere dort wo Biofilmkontrolle erforderlich ist. Chlordioxid (ClO2) ist ein im Wasser gelöstes Gas, bei dem die biozide Wirkung sofort und bereits bei niedrigen Dosierungen einsetzt. Im Gegenteil zu den meisten Bioziden dringt Chlordioxid aufgrund seiner physikalisch-chemischen Eigenschaften in Biofilme ein und inaktiviert die vorhandenen Mikroorganismen. Dabei greift das ClO2-Molekül die Zellwände oxidativ an, indem es mit relevanten Eiweißstrukturen reagiert, und letztendlich die Zellstruktur zerstört. Hierdurch wird die Schleimproduktion gestoppt und der Biofilm von der Oberfläche entfernt. Darüber hinaus ist das mikrobiologische Wirkungsspektrum von ClO2 nicht nur umfassender, sondern erstreckt sich auch über einen weiteren pH-Bereich (2 bis 10) als z. B. chlorbasierte Desinfektionsmittel. Eine Adaption der Mikrobiologie an das Biozid, was bei organischen Bioziden der Fall ist, findet bei Chlordioxid nicht statt, so dass der dauerhafte Einsatz möglich ist.
Im Bereich der Vorbehandlung liefert ClO2 entscheidende Vorteile: vorhandene Biofilme können in allen Bereichen der Spülzonen abgelöst werden und es entstehen keine neuen Biofilme, was die Gefahr einer Rekontamination erheblich verringert. Damit ermöglicht ClO2 die schnelle, effektive, und schonende Hygienisierung sämtlicher wasserberührter Anlagenteile, auch der empfindlichen Ionenaustauscherharze, in einer einzigen Maßnahme. Bisher waren in der Karosseriebehandlung jedoch die Komplexität, die Sicherheitsbedenken sowie die hohe Korrosionsgefahr, die mit konventionellen Herstellungsverfahren verbunden sind, ein Hindernis für die Implementierung von Biozidprogrammen auf Chlordioxidbasis. Einen völlig neuen Ansatz bietet hier das Clorious2-Desinfektionssystem.
Ablaufschema eines typischen Vorbehandlungsprozesses mit dem zugehörigen VE-Wasserkreislauf.
© Endress+Hauser
Komplettlösung für die Desinfektion mit ClO2
Mit dem Clorious2-Desinfektionssystem bieten die Partner A.p.f Aqua System, Brenntag und Endress+Hauser ein bewährtes Behandlungskonzept, das es der Automobilindustrie erstmals ermöglicht, die Vorteile von ClO2 für die Prozesshygiene bei höchsten Standards der Arbeitsplatzsicherheit zu nutzen. Herzstück der Komplettlösung ist der Clorious2-Generator, der eine ClO2-Lösung bedarfsgerecht und vor Ort herstellt. Chemisch gesehen basiert das Verfahren auf der Oxidation des Ausgangsstoffs Natriumchlorit. Hierbei kommt, im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Herstellungsverfahren, keine Säure zum Einsatz. Durch die geringe Salzfracht (kein nennenswerter Gehalt an Chloriden) werden die Leitfähigkeit des VE-Wassers und das Korrosionsverhalten der Anlagenteile nicht beeinträchtigt. Außerdem entsteht kein freies Chlor und damit keine Quelle für chlororganische Verbindungen wie AOX, für die strenge Grenzwerte bei der Abwasserentsorgung gelten.
Die erzeugte Chlordioxid-Lösung verlässt den Generator als fertiges Produkt mit einer konstant gleichbleibenden Konzentration und wird anschließend in der exakt benötigten Menge dem Prozess zudosiert. Die vollautomatisierte Komplettlösung umfasst auch die Mess- und Analysetechnik sowie weitere Dienstleistungen von der Montage und Inbetriebnahme bis hin zur Fernüberwachung und Wartung des Generators.
Behandlungskonzept auf Prozesskontrolle ausgelegt
Das Behandlungskonzept zielt darauf ab, mikrobiologische Verunreinigungen und Rekontamination im System dauerhaft und sicher zu verhindern – im Gegensatz zu konventionellen Biozidprogrammen, die auf kurative, diskontinuierliche Hygienisierungsmaßnahmen zurückgreifen. Denn mit dem Clorious2-Desinfektionsystem wird das Spülwasser in den Spritz- und Tauchspülbecken kontinuierlich mit Chlordioxid behandelt, sodass Keime von Beginn an entfernt werden und ein Aufbau von Biofilm verhindert wird.
Die Impfstelle zur Dosierung der ClO2-Lösung befindet sich in der Zuleitung zum letzten Tauchspülbecken, vor dem Übergang zur kathodischen Tauchlackierung. Durch den Übertrag als Kaskade werden die vorgelagerten Spülzonen ebenfalls mit desinfiziertem Wasser versorgt und es wird eine Hygienisierung des Gesamtsystems erreicht. Der Zustand des Wassers wird in Echtzeit durch Analysemesstechnik überwacht und die gemessenen Werte steuern wiederum die Dosierung. So ist eine permanente und vollständige Kontrolle des Prozesses gegeben. Genauer betrachtet, steuert das Clorious2-Desinfektionssystem die benötigte Dosiermenge der ClO2-Lösung kontinuierlich und automatisch so, dass die Messwerte für die Desinfektionsparameter Redoxpotenzial und ClO2-Konzentration in einem festgelegten Bereich liegen, in dem mikrobiell einwandfreie Bedingungen geschaffen werden, ohne den Leitfähigkeitswert oder das Korrosionsverhalten zu beeinträchtigen.
Die Messwerte werden lückenlos aufgezeichnet und das zugehörige Datenmanagementpaket erlaubt die sichere Fernüberwachung des Systems, mit grafischen Darstellungen, automatisierten Auswertungen und umfangreichen Alarmierungsfunktionen. Ein weiterer Vorteil ist die Steigerung der Arbeitssicherheit. Denn die Chlordioxid-Lösung wird am Einsatzort produziert und gerät dank des geschlossenen und überwachten Clorious2-Generators nicht in Kontakt mit der Umgebung. Integrierte Alarmvorrichtungen und Sensoren sorgen für zusätzliche Sicherheit. So profitieren Betreiber von einem sicheren Arbeitsumfeld. Sie müssen lediglich die leicht handhabbaren Eduktgebinde für den Generator austauschen, wenn diese leer sind, was ebenfalls automatisch gemessen und gemeldet wird.
Die automatische Messung und Kontrolle in den vorgegebenen Bandbreiten, hier am Beispiel des Redoxpotentials, stellt permanent die Desinfektionswirkung sicher und dokumentiert diese. © Endress+Hauser
Dauerhaft optimale Prozesshygiene
Das Desinfektionssystem wurde am Stammwerk eines Premiumautobauers ausgiebig und in enger Kooperation mit den Systemlieferanten validiert. Dabei wurde die Kompatibilität der ClO2-Lösung, sowohl mit traditionellen Phosphatierungsverfahren als auch mit neuen silanbasierten Dünnschichttechnologien, erfolgreich nachgewiesen. Die Spülzonen der Vorbehandlung sind dauerhaft in einem mikrobiell einwandfreien Zustand. Zudem findet keine Biofilmbildung statt, auch nicht an schwer zugänglichen Depotstellen wie Totzonen, Dichtungen und Fugen in Rohrleitungen, sowie in Behältern und Füllkörpern.
Mit der Senkung der Keimbelastung sind auch wichtige Einsparungen verbunden. Neben verlängerten Badstandzeiten konnte die Nachspeisung von VE-Wasser in den Spülzonen um 40 % reduziert werden, was Rohwasser und Energie für die Aufbereitung spart und Kosten für die Abwasserentsorgung reduziert. Der Biozidverbrauch konnte dank der bedarfsgerechten, exakten Dosierbarkeit der ClO2-Lösung erheblich reduziert werden. Außerdem konnten die Filterstandzeiten um ein vierfaches erhöht werden, was weniger Filterwechsel und somit weniger Aufwand, Filterkosten und Abfallmengen bedeutet.
Der Einsatz des Clorious2-Desinfektionssystems ebnet in vielen Industrien neue Wege zur ressourcenschonenden Wasserbehandlung und damit zur Verringerung des Wasserfußabdrucks. Darüber hinaus senkt es den Biozid- und Energieverbrauchs und reduziert die Abfallmengen für einen nachhaltigen Anlagebetrieb.
Autoren: Dr. Janina Zimmermann, Product Manager Sales Marketing, Endress+Hauser Deutschland
Sjef Swinkels, Director Water Treatment Industry Marketing EMEA, Brenntag
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