Bessere Luft in Innenräumen
Möbel, Bodenbeläge, Farben und andere Produkte können flüchtige gesundheitsschädliche Substanzen – Volatile Organic Compounds (VOCs) – in die Luft freisetzen.
Seit langem ist das Phänomen bekannt, dass Menschen, die einen großen Teil ihrer Zeit in Büros oder anderen geschlossenen Räumen verbringen, über gesundheitliche Probleme klagen. Zu den häufigen Beschwerden zählen tränende Augen, Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen, Atemnot oder Asthma. Die Forschung spricht von der Building Related Illness.
Als Auslöser gelten u. a. sogenannte flüchtige organische Verbindungen, englisch Volatile Organic Compounds (VOCs). VOCs sind gasförmige Emissionen, die etwa Fußbodenbeläge, Möbel, Wandfarben oder Lacke freisetzen können. Zu ihnen zählen Substanzen wie Formaldehyd, aber auch Lösungsmittel und unterschiedlichste Additive, die Produkteigenschaften verbessern sollen.
Die Gefährdung durch VOCs hat an Bedeutung gewonnen, weil Menschen in Europa inzwischen mehr als 80 % ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen. Zudem reduzieren dichte Fenster und immer bessere Dämmungen den natürlichen Luftaustausch und begünstigen das Phänomen.
Grundsätzlich gilt zwar, dass von Möbeln oder Baustoffen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen dürfen. Doch verpflichtend sind Tests auf VOCs nur für bestimmte Produktgruppen. Hinzu kommt ein grundsätzliches Problem: VOCs sind als flüchtige Substanzen häufig schwer zu messen und zu quantifizieren – gerade, wenn es um neue Produktentwicklungen geht.
„Bislang gibt es für VOCs zwar einheitliche Prüfvorschriften, jedoch bestehen noch Lücken bei der metrologischen Rückführbarkeit dieser Tests. Das führt dazu, dass die Genauigkeit der erzielten Werte nicht immer bekannt und auch die Vergleichbarkeit der Messergebnisse nicht unbedingt gegeben ist“, erklärt Matthias Richter, Ingenieur für Technischen Umweltschutz und Experte für Luftschadstoffe an der BAM.
Die Europäische Kommission hat im Bereich der VOCs 2020 einen besonderen Forschungsbedarf identifiziert. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) startet daher mit metrologischen Instituten, universitären und außeruniversitären Einrichtungen sowie Testlaboren aus sieben Ländern ein gemeinsames Forschungsprojekt.
„Wir wollen ein Referenzmaterial entwickeln, das über einen längeren Zeitraum eine definierte Menge aus verschiedenen VOCs freisetzt, wie sie in Innenräumen vorkommen können“, erklärt Matthias Richter, der das Vorhaben leitet und koordiniert. „Mit diesem Material sollen Betreiber von Testkammern überprüfen können, ob ihre Messeinrichtungen auch wirklich genau arbeiten. Zugleich wollen wir zertifizierte Referenzgasstandards entwickeln. Substanzen also, mit denen die Labore ihre Messgeräte für VOCs in Zukunft exakt kalibrieren können. Insgesamt sollen die heute praktizierten Prüfungen damit besser vergleichbar und die erzielten Daten rückführbar werden.“
Die Entwicklung von Referenzmaterialien und Standards in diesem Bereich ist technisch herausfordernd wie auch kostenintensiv und daher von der Privatwirtschaft kaum zu leisten. Die BAM als wissenschaftlich-technische Ressortforschungseinrichtung, die für die Sicherheit in Technik und Chemie zuständig ist, ist seit langem auf Referenzprodukte spezialisiert. Die Erforschung von VOCs ist zudem ein Schwerpunkt an der BAM.
„Mit unserer Expertise wollen wir zum Gesundheitsschutz und gleichzeitig zur Sicherheit für herstellende Unternehmen beitragen“, so Matthias Richter. „Am Ende geht es darum, dass Menschen in Innenräumen weitgehend vor Gefährdungen durch VOCs geschützt sind.“
Gefördert wird das Projekt vom European Metrology Programme for Innovation and Research (EMPIR).
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