Forschung & Innovation

Innovation braucht Infrastruktur

Vom Proof of Concept bis zur Skalierung: Zugang zu Laboren und Anlagen entscheidend für die Bioökonomie

15.09.2021 - Eine kreislauffähige und smart aufgesetzte Bioökonomie bietet ein vielversprechendes Lösungsset für die Krisen, denen auch die Industrie sich stellen muss.

Soweit die Theorie, die mittlerweile Politik, Industrie, und zunehmend auch der Finanzsektor verstehen. Dabei im Mittelpunkt: bioökonomische Innovationen und somit eine Erneuerung unseres fossil basierten Systems. Doch erst, wenn Ideen und Prozesse wirklich angewandt werden, erst wenn Produkte am Markt sind, kann von Innovation gesprochen werden.

Sieht man sich dieser Tage auf einschlägigen Plattformen um, wird schnell klar: an Akteuren, die bioökonomische Ideen und Inventionen vorantreiben, mangelt es nicht. Immer öfter liest man auch von erfolgreichen Finanzierungsrunden für Bioökonomie Start-ups, wie jüngst Origin Bio, Lignopure oder MK2 Biotechnologies. Sogar traditionell weit von der Bioökonomie entfernte Branchen rufen vermehrt nach biobasierten Lösungen.

Faktor fehlende Infrastruktur
Viele Akteure stehen also in den Startlöchern, doch um den entscheidenden Schritt durch das vielzitierte „Valley of Death“ zu gehen, müssen diverse Herausforderungen bewältigt werden. BioCampus Straubing bietet deshalb im Rahmen des Start-up Wettbewerbs PlanB sowie als Netzwerk- und Infrastruktureinrichtung Unterstützung für junge, aber auch für etablierte Unternehmen an. In der Arbeit mit Unternehmen, die bioökonomische Prozesse und Produkte entwickeln, kristallisiert sich dabei immer wieder ein entscheidendes Hemmnis heraus, das Start-ups, KMU und Großkonzerne gleichermaßen betrifft – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung: der Zugang zu innovationsfördernder Infrastruktur.

Sharing-Modelle gesucht
Start-ups benötigen sowohl für die Erbringung ihres Proof of Concept (PoC), als auch im weiteren Verlauf bei der Prozess-Skalierung Laborräumlichkeiten. Auch, wenn sich dabei die Anforderungen an Standards und Ausstattung unterscheiden, scheitert es zumeist schon an der reinen Verfügbarkeit von Laboren mit Grundausrüstung. Eine Investition in eigene Labore kommt für die wenigsten in Frage. Der Verbleib in der Universität ist häufig begleitet von komplizierten Verhandlungen bis hin zu IP-Streitigkeiten. Eine Lösung könnten Technologie- und Gründerzentren bieten. Doch in denen gibt es, auch begründet durch die starke Fokussierung auf Investitionen in digitale Zentren, kaum Laborflächen. Die wenigen verfügbaren sind heiß begehrt und zumeist besetzt. Dazu kommt, dass Start-ups in bestimmten Phasen verstärkten Bedarf für Laborinfrastruktur haben, in anderen Phasen weniger. Immer wieder wird daher nach flexiblen Sharing Modellen gefragt. Auch diese sind jedoch selten. Rechtliche und sicherheitstechnische Fragestellungen sowie ein vergleichsweise hoher Betreuungsaufwand für die Betreiber von Gründerzentren und anderen Innovationseinrichtungen stehen solchen Lösungen oft im Weg.

 

 

„Der Weg von der Invention zur Innovation
in der Bioökonomie ist infrastrukturell gesehen steinig.“



Das Ungleichgewicht aus Angebot und Nachfrage mit Blick auf Laborzugang setzt sich im Entwicklungszyklus bei Pilotierung und Demonstration fort und trifft Start-ups ebenso wie größere Player. Die Errichtung eigener Anlangen-Infrastruktur zu diesem Zwecke erfordert hohe Investments, sodass sie kaum stattfindet. Technologiepartner aus verwandten oder konventionellen Branchen zu finden, um bspw. Anlagen kurzfristig mit zu nutzen, ist langwierig und scheitert häufig an fehlendem Vertrauen oder Mut. Multipurpose-Anlagen, die die Skalierung vielfältiger Prozesse ermöglichen sollen, sind noch rar gesät und stark ausgelastet. Der Weg von der Invention zur Innovation in der Bioökonomie ist infrastrukturell gesehen also steinig.

Flexible, mutige Lösungen finden
Um bioökonomischen Innovationen in der Breite gute Voraussetzungen zu bieten, muss sich das Infrastruktur-Angebot in Deutschland also verbessern. Universitäten, öffentliche Innovationseinrichtungen, aber auch Unternehmen sind gefordert, flexible, kreative Modelle zur Infrastruktur-Nutzung zu entwickeln.
Ein unkonventioneller, aber potentiell innovationsträchtiger Ansatz, der beiderseitigen Mut erfordert: Start-ups nutzen Labore und Anlagen bestehender Unternehmen bei gleichzeitiger Innovations-Kooperation. Gerade für die Skalierung und Produktmusterherstellung wäre dieser Weg geeignet. Die Technische Universität München baut aktuell sogenannte Venture Labs zu verschiedenen DeepTech-Bereichen auf, darunter der Chemspace in Garching und, in Planung, ein Lab für Sustainability und Bioeconomy in Straubing. Am Biocampus im Hafen Straubing werden vom Freistaat Bayern gefördert 16 Mio. EUR in die Erweiterung des dortigen Technologie- und Gründerzentrums investiert. Flexible und auch für Sharing-Konzepte geeignete Laborinfrastruktur wird dabei mitgedacht.
Für die Schließung der Lücke zum industriellen Maßstab sind in Deutschland aktuell außerdem zwei weitere Infrastrukturen angekündigt: die Biocampus Multipilot in Straubing, eine Open-Access-Multipurpose-Anlage für Prozesse der industriellen Biotechnologie, die 2024 in Betrieb gehen soll und deren Bau mit 40 Mio. EUR vom Land Bayern gefördert wird, sowie das Bio Scale-up Center NRW. Diese Lösungsansätze könnten künftig zumindest den Infrastruktur-Bedarf, und damit eine der Herausforderungen im Feld bioökonomischer Innovationen decken helfen.

Ann-Kathrin Wagner, Director Biobased Economy, BioCampus Straubing GmbH, Straubing

 

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ZUR PERSON
Ann-Kathrin Wagner ist seit 2017 Leiterin Biobasierte Wirtschaft bei Biocampus Straubing. Sie verantwortet dort die Netzwerkarbeit sowie die Standortentwicklung und -vermarktung des Hafens Straubing hin zu einem Hub für die biobasierte Wirtschaft und Bioökonomie Start-ups. Zuvor war sie an gleicher Stelle Clustermanagerin. Wagner studierte Sustainable Development in Utrecht und International Cultural and Business Sciences in Passau.

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