Forschung & Innovation

Auf der Suche nach der nachhaltigen Proteinquelle der Zukunft

TU Clausthal überzeugte beim chemPLANT-Wettbewerb 2020 mit einem veganen Proteinkonzentrat

03.02.2021 - Aufgabenstellung: Entwicklung eines Verfahrens zur klimaneutralen Produktion innovativer Nahrungsmittel durch die Anwendung neuer Technologien aus der Bioverfahrenstechnik.

Das kontinuierliche Wachstum der Weltbevölkerung und der fortschreitende Klimawandel machen eine effizientere Nutzung aller Ressourcen notwendig. Für die Versorgung mit Nahrungsmitteln sind Proteine essentiell, die der Mensch für seinen Stoffwechsel benötigt. Trotz steigender Verwendung von pflanzlichem Protein bildet tierisches Protein die Hauptproteinquelle in der menschlichen Ernährung. Fleischproduktion durch Tierhaltung ist jedoch ressourcenintensiv und die Tierhaltung leistet mit derzeit 14,5 % einen großen Beitrag zur anthropogenen Treibhausgas-Emission.

Die Aufgabe des chemPLANT-Wettbewerbs 2020 bestand darin, aus CO2 eine alternative Proteinquelle für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie zu entwickeln. Zu bewerten waren sinnvolle Reinheitsgrade, Kosten der vermarktbaren Stoffströme sowie die Auswirkung des Gesamtverfahrens auf die Umwelt. Im besonderen Fokus bei der Konzept- und Verfahrensentwicklung standen Innovation, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Gewinnerkonzept 2020: Microtein

Das Studierendenteam der TU Clausthal verwendet das Bakterium Cupriavidus necator, um Microtein – ein veganes Proteinkonzen­trat mit geringem Flächen- und Wasserbedarf und negativen CO2-Emissionen – herzustellen. Neben den Gasen Wasserstoff und Sauerstoff benötigt der Mikroorganismus zum Wachstum auch CO2 und ein Minimal-Medium mit hinreichender Stickstoff- und Phosphatquelle. Sowohl das Treibhausgas CO2 als auch Abwässer mit ausreichenden Konzentrationen an Ammoniumstickstoff und Phosphaten fallen in der Düngemittelindustrie an und werden im Gewinnerkonzept im Sinne der Kreislaufwirtschaft weiterverwendet, um zu einer möglichst effizienten und nachhaltigen Ressourcennutzung beizutragen. Aufgrund der in Deutschland bisher unzureichenden Infrastruktur zum Transport von Wasserstoff sieht das Konzept auch die Erzeugung der benötigen Gase Wasserstoff und Sauerstoff vor. Diese Gase werden durch PEM-Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen, wobei der Sauerstoff im Überschuss anfällt und als Nebenprodukt an den Düngemittelbetrieb verkauft werden kann.

Mikroben zu Microtein

Um die Entstehung unerwünschter Nebenprodukte zu unterdrücken, wird das Bakterium im Bioreaktor unter Sauerstofflimitierung vermehrt. Geringfügige Änderungen der in Lösung befindlichen Sauerstoffkonzentration können dabei über die Anpassung der Wachstumsrate durch den Mikroorganismus selbst ausgeglichen werden. Der Rührkesselreaktor wird zur Erhöhung des Stoffdurchgangs mit 2 bar Überdruck betrieben. Dabei kommt aufgrund der potenziell explosionsfähigen Knallgasatmosphäre ein abgestuftes ATEX-Sicherheitskonzept zum Einsatz.

Dem Bioreaktor ist ein mehrstufiger Aufreinigungsprozess nachgeschaltet, der aus mehreren Zentrifugationen und Filtrationen, einer Homogenisierung und pH-Behandlung sowie Neutralisation und Wärmebehandlung besteht. Dabei werden keinerlei organische Lösungsmittel verwendet, um keine weitere Belastung für die Umwelt zu verursachen. Die Aufreinigung dient im Wesentlichen dazu, protein­arme Bestandteile sowie Nukleinsäuren aus dem Produktgemisch zu entfernen und somit die Proteinkonzentration zu steigern. Das Produkt, das am Ende des Herstellungsprozesses eine hohe Proteindichte aufweist, wird abschließend zu einem verzehrfertigen Pulver sprühgetrocknet.

 

Wie Sojaproteinkonzentrat – nur teurer?

Unter den oben beschriebenen Bedingungen erhält man ein Proteinkonzentrat mit etwa 78 % Eiweißanteil, das bei einer jährlichen Produktionsmenge von zunächst etwa 383 t zu einem Kilopreis von 8,10 EUR verkauft werden könnte. Dieser Preis ist im Vergleich zu herkömmlichem Sojaproteinkonzentrat, das derzeit oft in Fleischersatzprodukten verwendet wird, um ein Vielfaches höher. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch auch die zahlreichen Vorteile des Produkts auf:

  • Der Proteingehalt von Microtein liegt knapp 20 % höher
  • Für Microtein wird rund 41-mal weniger Wasser und eine um das 950-fach verringerte Fläche benötigt
  • Microtein kann regional produziert werden und verursacht einen wesentlich geringeren Transportaufwand.
  • Die CO2-Bilanz von Microtein ist mit einem Verbrauch von fast 4 kg CO2/kg Produkt negativ

Das vegetarische und vegane Proteinkonzentrat, das zudem alle essentiellen Aminosäuren enthält, weist somit einen wesentlich kleineren ökologischen Fußabdruck auf als das Konkurrenzprodukt. Der Klimawandel wird gesellschaftlich verstärkt wahrgenommen und Konsumenten achten zunehmend auf einen nachhaltigen und effizienten Einsatz der Ressourcen. Käufer sind daher bereit, für ökologisch verträgliche Produkte einen höheren Preis zu bezahlen, sodass sich das Produkt trotz der Konkurrenzsituation auf dem Markt etablieren könnte. Es soll dabei zur Weiterverarbeitung in Fleischersatzprodukten dienen und nicht direkt an den Endverbraucher verkauft werden. Die Investitionskosten der Microtein-Anlage liegen bei knapp 5 Mio. EUR, womit sich bei dem genannten Verkaufspreis eine Amortisationsdauer von etwa sieben Jahren ergibt.

Zukunftsziel Nachhaltigkeit

Vorrangiges Ziel in der Auslegung des Microtein-Prozesses war die Integration des Prozesses in bestehende industrielle Kreisläufe. Weiterhin sollten in der Gesamtbilanzierung möglichst wenige negative Folgen für die Umwelt entstehen. Durch die Verwertung der Abgas- und Abwasserströme aus der Düngemittelindustrie und das Einspeisen des überschüssig produzierten Sauerstoffs in diesen Kreislauf, die Nutzung erneuerbarer Energien und anorganischer Lösungsmittel sowie den geringen Platzbedarf der Anlage wurden diese Kreislauf- und Umweltaspekte berücksichtigt. Ein entsprechender Investitionsbedarf spiegelt sich jedoch im Produktpreis wider – dem einzigen Aspekt, in dem Microtein bisher nur bedingt mit vergleichbaren Proteinkonzentraten konkurrieren kann. Damit sich das ändert, wären zukünftig eine stärkere Anhebung der CO2-Steuer, als sie bereits geplant ist, und generell mehr Förderungsmaßnahmen für Unternehmen und Produkte, die zum Klimaschutz beitragen, wünschenswert.

Die Autoren
Deniz Cifci, André Hebenbrock, Dominika Siwek, Hannes Stagge, Lydia Weseler, TU Clausthal


Die Autoren danken dem Institut für Chemische und Elektrochemische Verfahrenstechnik, insb. Prof. Dr.-Ing. T. Turek und M. Sc. F. Schwering, sowie dem Institut für Energieverfahrenstechnik und Brennstofftechnik, insb. Prof. Dr. mont. Dr. rer. nat. M. Fischlschweiger, für die Unterstützung während des Projekts.

Der chemPLANT-Wettbewerb

Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt den chem­PLANT-Wettbewerb jährlich mit wechselnden Aufgabenstellungen durch. Ziel ist es, Studierende dafür zu begeistern, industrielle Prozesse zu planen und neue Anlagen zu konzipieren. Thinking out of the Box ist das Motto – auch auf den ersten Blick verrückt scheinende Ideen sind ausdrücklich erwünscht.

Am chemPLANT-Wettbewerb 2020 (s. a. CITplus 11/2020, S. 11) beteiligten sich 17 Studierenden-Teams. Das Finale wurde am 23.09.2020 erstmals digital im Rahmen der ProcessNet-Jahrestagung ausgetragen. Die Clausthaler erhielten für ihr Siegerkonzept ein Preisgeld von 2.000 EUR. Die zweit- und drittplatzierten Teams von der Hochschule Niederrhein und der RWTH Aachen durften sich über 1.000 bzw. 500 EUR Preisgeld freuen. Der ­chemPLANT-Wettbewerb 2020 wurde finanziell unterstützt von BASF, Bayer, Clariant, Covestro, Evonik und Merck.

chemPLANT 2021

  • Anmeldeschluss: 10.04.2021
  • Veröffentlichung der Aufgabe: 12.04.2021
  • Konzepteinreichung: 12.05.2021
  • Abgabe der Ergebnisse: 12.07.2021
  • Vorstellung der Ergebnisse mittels Poster und Science Pitch beim Finale im Rahmen des Thermodynamik-Kolloquiums, 27.–29.09.2021

www.vdi.de/chemplant

oder

https://bit.ly/3oLVVia

 

ChemCar 2021

Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt seit 2006 den ChemCar-Wettbewerb durch, bei dem Modellfahrzeuge ins Rennen gehen, die von (bio)-chemischen Reaktionen angetrieben werden. Die Studierenden-Teams können mit ihrer innovativen Idee, aber auch mit einem überzeugenden Sicherheitskonzept und einer guten Präsentation beim Posterwettbewerb punkten. Beim digitalen Wettbewerb können sich alle teilnehmenden Teams über Preisgelder in gleicher Höhe freuen, die von hochrangigen Unternehmen der chemischen Industrie zur Verfügung gestellt werden.

  • Anmeldeschluss: 01.04.2021
  • Konzepteinreichung: 12.04.2021
  • Nominierung der Teams: 30.04.2021
  • Abgabe der Sicherheitskonzepte: 14.06.2021
  • Sicherheitsgespräche: 13.–17.09.2021
  • Finale im Rahmen des Europäischen
  • Kongresses ECCE, 19.–23.09.2021

www.vdi.de/chemcar

oder

https://bit.ly/36CQImN

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