Kupplungssystem für kryogene Medien
Drastisch verschärfte Abgasvorschriften prädestinieren Flüssigerdgas (LNG) als schadstoffarmen Schiffstreibstoff. Marine Service (MS) und RS haben eine hochflexible Lösung zur Umstellung auf den aussichtsreichen Treibstoff entwickelt.
Flüssigerdgas gilt als Zukunftsperspektive der Branche. Allerdings können Schiffe nicht einfach LNG statt Schweröl verfeuern. Das bei Zimmertemperatur gasförmige LNG wird bei einer Temperatur von -165 °C gelagert und transportiert. Für seinen Einsatz als Schiffstreibstoff ist ein spezielles Versorgungssystem nötig, dass eine sichere Handhabung und Lagerung des tiefkalten, umweltschädlichen Fluids garantiert.
MS hat im Jahr 2010 dazu ein neuartiges Konzept auf Basis eines Tankcontainers realisiert. Maßgeblich war dafür nicht nur der Container selbst, sondern insbesondere seine Schnittstelle zu den Treibstoff- und Verladeleitungen. Bei der Handhabung von LNG gibt es keinerlei Toleranz für Leckagen. Zudem mussten schnelle Kupplungsvorgänge und ein hoher Mediendurchfluss garantiert werden. Denn Schiffsmotoren brauchen eine kontinuierliche Treibstoffversorgung und zugleich sollten Verladezeiten möglichst kurz gehalten werden, um die Kosten des Schiffsbetreibers zu reduzieren. In konventionellen Temperaturbereichen wäre das eine fertigungstechnische Herausforderung, wie sie RS mit seinen Trockenkupplungen seit Jahrzehnten realisiert. Der Tieftemperaturbereich erforderte jedoch ein neues Konzept.
Bei Temperaturen zwischen -165 und -200 °C verändern sich die physikalischen Eigenschaften der meisten Materialien. Dichtungen, die um den Gefrierpunkt herum hervorragende Leistung zeigen, härten aus und verlieren ihre Wirkung. Jeder Wassertropfen im System gefriert sofort. Schon geringste Mengen Kondenswasser reichen, und das Gewinde friert fest. Für die sichere Handhabung des kryogenen LNG und ein zuverlässiges, vereisungsresistentes Kuppeln, Öffnen und Schließen des Strömungsquerschnitts entwickelte RS die TCC-Serie, ein Kupplungssystem, dessen Materialien und Konstruktion perfekt auf den Tieftemperaturbereich bis -200 °C zugeschnitten sind. Zusammen mit einer intelligenten Schlauchleitung wurde daraus ein hochsicheres Transfersystem für kryogene Medien.
Kupplung für Extrembedingungen
In seinem Mittelpunkt steht die TCC-Trockenkupplung. Sie verbindet den LNG-Tankcontainer im Verladeprozess mit dem Treibstoffbunker und im Schiffsbetrieb mit dem festen Rohrleitungssystem zum Schiffsmotor. Als Prozesskupplung wird sie Teil der Treibstoffversorgung, für eine Woche kontinuierlich durchflossen von tiefkaltem LNG. Diese Anwendung stellt extreme thermische und mechanische Anforderungen an Konstruktion und Material. Um diesem Umstand gerecht zu werden, setzte RS spezielle Tieftemperaturwerkstoffe und Verfahren zur Oberflächenveredelung ein.
Für einen reibungslosen und wirtschaftlichen Praxiseinsatz war zudem ein Kupplungssystem gefragt, dessen Verwendung keine lange Einarbeitung erfordert. Denn die Schiffsbetankung erfolgt in Häfen rund um die Welt durch Personal mit sehr unterschiedlichem Ausbildungsstand. Eine ergonomische, intuitiv nutzbare Kupplungsgestalt mit strömungsoptimierter und vereisungsfreier Konstruktion erfüllte diese Bedingung. Um für die Beanspruchungen langer Schiffsreisen gewappnet zu sein, wurde die TCC-Serie zudem auf ein Wartungsintervall von 2,5 Jahren ausgerichtet. Dem Schiffbetreiber gibt dies die Sicherheit, Wartungsarbeiten am LNG-Versorgungssystem im typischen Branchenintervall von Experten durchführen lassen zu können.
Konstruiert für Sicherheit
Ein unvermeidbarer Risikofaktor jedes Transfersystems ist der Verlade- und Betankungsprozess. Wird zum Beispiel der LNG-Tankcontainer vom Kran angehoben, während er mit dem Schiff oder Treibstoffbunker verbunden ist, treten mechanische Belastungen auf, die keine Schlauchleitung auf Dauer aushalten kann. Um das Reißen der Leitung oder Kupplung und den damit verbundenen unkontrollierten Medienaustritt zu verhindern, integrierte RS eine Nottrennfunktion in die TCC-Kupplung. Bevor die mechanische Beanspruchung zu Schäden führt, trennt sich die Kupplung an definierter Stelle. Sofort verschließen Rückschlagventile den Strömungsquerschnitt, wodurch der Medienaustritt verhindert wird. Mensch, Umwelt und Transfersystem werden geschützt.
Schließlich besteht das Transfersystem nicht allein aus dem Kupplungssystem. Ebenso wichtig ist die Schlauchleitung. Zur Absicherung gegen Leckagen und für eine optimale Isolation verwendete RS einen doppelwandigen, vakuumisolierten Metallschlauch. Ein ständig überwachtes Vakuum zwischen äußerer Schlauchhülle und mediumführenden Innenschlauch garantiert die Isolierung. Bei einer Beschädigung fällt das Vakuum zusammen, ein Alarm wird ausgelöst und der Austritt des Fluids kann aufgrund des doppelwandigen Aufbaus abgewendet werden.
Der Ausblick: mehr als LNG
LNG gilt als Schiffstreibstoff der Zukunft. Aus der Kooperation von Marine Service und RS ist ein flexibles LNG-Versorgungssystem entstanden, mit dem Schiffe sicher und kostengünstig nachgerüstet werden können. Das neuartige TC-Kupplungssystem von RS setzt darüber hinaus Standards in der Handhabung verschiedenster tiefkalter Fluide. Auf seiner Basis entstehen neue Lösungen für Prozesse, in denen kryogene Medien wie die technischen Gase Sauerstoff, Stickstoff und Argon verladen oder transportiert werden müssen.