Transformation ist unausweichlich
Den digitalen Wandel in der Intralogistik gestalten
Die Logistik wird von diesem Transformationsprozess besonders stark beeinflusst. Denn eine digitale Logistik bringt erhebliche Kosten-, Transparenz- und Geschwindigkeitsvorteile. Speziell die Intralogistik kann durch smarte Integration digitaler Technologien umweltschonender und effizienter gestaltet werden. Ein Treiber ist der zunehmende Online-Handel. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Warenströme im Zuge des E-Commerce und der damit verbundenen Retouren-Thematik steigt auch der Grad der Vernetzung, Automatisierung und Systemintegration. Die Lieferketten sind heute durchgängig organisiert und verkettet – von den Ursprungspunkten der Rohstoffe bis zur Lieferung an die Haustür des Verbrauchers und darüber hinaus bis zur Retoure, zur Entsorgung und zum Recycling.
Als Systemanbieter liefert die Beumer Group für Online-Händler und Logistikzentren Hochgeschwindigkeits-Sortieranlagen. Diese lassen sich in ihrer Leistung den stetig steigenden Anforderungen der Betreiber anpassen. „Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, müssen wir unsere Produkte permanent verbessern, damit unsere Kunden ihre Kosten senken und Prozesse optimieren können“, erläutert Dr. Christoph Beumer, geschäftsführender Gesellschafter der Beumer Group mit Hauptsitz in Beckum. Dazu hat der Systemanbieter seit Jahren ein Innovationsmanagement fest in seine Strategie integriert und so in der Vergangenheit fast 100 Patente angemeldet. Für ihr konsequentes und vielfältiges Engagement in diesem Bereich erhielt die Beumer Group den Axia Award 2017, der mittelständische Unternehmen für ihre nachhaltige und erfolgreiche Unternehmensführung auszeichnet. Doch im Zeitalter der digitalen Transformation ist es nicht nur wichtig, interne Prozesse zu verbessern, sondern auch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Es geht also nicht nur darum, Bestehendes zu optimieren. „Wir müssen Neues schaffen. Denn Anlagen und Systeme werden leistungsstärker und bieten immer höhere Geschwindigkeiten“, beschreibt Dr. Beumer.
Trends setzen, nicht verschlafen
Das Worst-Case-Szenario einer jeden Branche ist: Sie verschläft schlicht die Trends. Für Marktführer kann das verheerende Folgen nach sich ziehen. Ein Beispiel: die analoge Fotografie. Die Firma Agfa konnte sich in mehr als 100 Jahren Unternehmensgeschichte einen exzellenten Ruf aufbauen. Von Agfa stammt unter anderem die erste Flüssigkeit zur Filmentwicklung und die erste Blitzlampe, der erste Sicherheitsfilm und die erste vollautomatische Kamera – nicht aber die erste Digitalkamera. Die hat ein anderer entwickelt, nämlich ein Ingenieur der Firma Kodak. Allerdings ließ sein Arbeitgeber die Innovation lange ungenutzt in der Geheimschublade. Ein fataler Fehler, wie sich bald herausstellen sollte: Konkurrenzfirmen wie Apple, Casio und Canon brachten in den 1990ern erste Digitalkameras für die breite Masse auf den Markt und überrollten damit die beiden bis dahin weltweit erfolgreichsten Fotokonzerne. Wer also nicht rechtzeitig auf den digitalen Zug aufspringt, wird verlieren.
„Das gleiche Schicksal kann auch der Maschinenbau- und der Intralogistikbranche mit dem 3D-Druckverfahren drohen. Wenn es irgendwann möglich sein wird, einen Stahlträger mit diesem Verfahren herzustellen, wird das die gesamte Industrie revolutionieren“, prognostiziert Dr. Beumer. Eine ganz neue Art der Lagerhaltung könnte Einzug halten. Statt jederzeit ein breites Sortiment an Ersatzteilen vorzuhalten, würden die Teile per Print-on-Demand erst bei Bedarf gedruckt. Zeitpunkt und Stückzahl wären so punktgenau steuerbar. Aufwändige Bestellprozesse würden entfallen. „Wir schicken die Zeichnung des Ersatzteils einfach an unsere Niederlassungen in Thailand oder Brasilien. Unsere Kollegen drucken vor Ort die Komponente im 3D-Druck aus. Wir müssen das Bauteil nicht erst mit dem Schiff wochenlang übers Meer schicken“, sagt Dr. Beumer.
Augmented Reality spart Reisezeit und -kosten
Genauso wenig müssen qualifizierte Servicetechniker für Wochen nach Übersee entsendet werden. Folgendes Szenario ist durchaus denkbar: Der zuständige Mitarbeiter vor Ort ist mit einer 3D-Brille ausgestattet. Er visiert am Ort des Geschehens das Objekt mit seinem Mobilgerät an. Durch Auto-ID-Merkmale auf dem Logistikelement – bspw. einem Förderer – und einer speziell dafür entwickelten App lassen sich die dazugehörigen Informationen erzeugen. Das können Stromlaufpläne, Wartungsanleitungen oder Steckerbelegungen sein. Die erforderlichen Daten werden in das Livebild der Gerätekamera eingeblendet. Der Techniker betrachtet das fehlerhafte Teil und kann sofort alle zugehörigen Handbücher oder Warenbestände abrufen. Jeder Arbeitsschritt wird angezeigt. Bei sehr komplexen Prozessen könnte er zum Beispiel einen Kollegen am Standort anrufen und gemeinsam mit ihm via Live-Stream das Problem lösen.
Besser selbst gestalten statt hinterherzulaufen
Der Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten. Die Frage ist nur: Wer treibt ihn an? Denn ganz ähnlich wie die Automobilindustrie mit der Elektromobilität konfrontiert wird und sich damit auseinandersetzt, wer künftig die Fahrzeuge und insbesondere die Antriebe entwickelt und herstellt, kommen in der Intralogistik die Wettbewerber bald nicht mehr nur aus den eigenen Reihen. Heute heißen sie auch in dieser Branche Apple, Google und Facebook – im Falle der Beumer Group sogar Spotify. Der Systemanbieter hat zwar keine Musik im Programm, aber seine Sortieranlagen waren unter anderem in der Musikindustrie für die CD-Verteilung oder -Sortierung im Einsatz. Doch seit die Streaming-Dienste immer populärer werden und der CD-Verkauf und damit die Produktion deutlich zurückgeht, bedarf es auch keiner Sortiertechnik mehr für diese Industrie. „Das war zwar nur eine kleine Nische, dieses Schicksal kann aber auch andere unserer Branchen treffen“, befürchtet Dr. Beumer. „Wir statten mit unseren Anlagen sehr erfolgreich den Gepäckabfertigungsbereich in Flughäfen weltweit aus. Mittlerweile gibt es aber schon Anbieter, die Koffer an der Haustür abholen und direkt zum Reiseziel bringen. Der Fluggast muss sich um nichts mehr kümmern.“ Das ist nur eine umgesetzte Idee von äußerst kreativen Start-ups. Der sogenannte „Unicorn Club“, also Jungunternehmen mit einer Bewertung in Milliardenhöhe, wächst kontinuierlich. Sollen Anbieter wie die Beumer Group nun darauf warten, bis sie von diesen Entwicklungen überrollt werden?
Der eigene disruptive Angriff von außen
Sicher nicht. Das Familienunternehmen trägt die Verantwortung für seine Mitarbeiter und Kunden. Deshalb reagiert der Systemanbieter auf diese massiven Veränderungen und schafft sich diesen disruptiven Angriff von außen selbst – mit der Gründung eigener Start-ups: „Wir haben zwei Ausgründungen, die wir zusätzlich zu unserer bestehenden Innovationsabteilung gestartet haben“, berichtet Dr. Beumer. „Sie entwickeln sogenannte Minimum Viable Products, also minimal ausgestattete Prototypen, deren Marktpotenzial wir bis zur Marktreife prüfen.“
Das Beumer Start-up BG.evolution sitzt in Dortmund im unmittelbaren Umfeld des Innovationszentrums Digital.Hub Logistics. Hier entwerfen Unternehmen und Forscher gemeinsam die Logistik für digitale Geschäftsmodelle. Zu den Entwicklungen gehört z. B. eine App, mit der Anwender über ihre Smartphones oder Tablets den aktuellen Status der an ihr System angeschlossenen Anlagen im Blick behalten.
Zudem wurde in Berlin die BG.challenge gegründet, bei der sich alles um die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle dreht, die bestehende Geschäftsmodelle von außen angreifen können. Sie bietet Jungunternehmen Starthilfen an. „Damit rüsten wir uns für die Zukunft und sind auf einem guten Weg ins digitale Zeitalter“, sagt Dr. Beumer.