Qualität aus Oberschwaben
Rentschler: Familienunternehmen mit Anspruch auf Technologieführerschaft in der Biopharma-Branche
Rentschler Biopharma ist einer der führenden Auftragsproduzenten für biopharmazeutische Arzneimittel. Das oberschwäbische Unternehmen in Familienbesitz beschäftigt rund 800 Mitarbeiter und setzt jährlich mehr als 150 Mio. EUR um. In seiner gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelten Strategie 2025 hat das Management von Rentschler formuliert, wohin die Reise des Unternehmens in den kommenden Jahren gehen wird. Thorsten Schüller sprach mit Vorstandschef Frank Mathias über die Details der Unternehmensstrategie.
CHEManager: Herr Mathias, Rentschler Biopharma hat eine Strategie 2025 ausgearbeitet. Was hat Sie bewogen, in die Zukunft zu blicken?
Frank Mathias: Rentschler produziert mit Hilfe von Säugetierzellen hochkomplexe Biopharmazeutika. Damit sind wir sehr erfolgreich und gehören weltweit zu den führenden Anbietern. Wir wollen aber sicherstellen, dass wir auch noch im Jahr 2025 erfolgreich sind. Darum haben wir die Strategie 2025 entwickelt. Dafür haben wir uns im Vorfeld viele Gedanken gemacht, beispielsweise, wie unsere Welt in acht bis zehn Jahren möglicherweise aussehen wird.
Wir haben uns die Megatrends unserer Gesellschaft angeschaut und uns unter anderem gefragt, wie unser Umgang mit Gesundheit dann sein wird. Wir haben auch unsere Kunden gefragt, was sie von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit in Zukunft erwarten, oder Personalberater, was den Mitarbeiter motivieren wird. Mit diesen und vielen anderen Fragen haben wir ein gutes Bild der Welt in den nächsten Jahren gewonnen und daraus ein Zielbild entwickelt, wie unser Unternehmen künftig aussehen sollte. Auf dem Weg dahin haben wir selbstverständlich noch einigen Etappen vor uns.
Und wie sieht dieses Zielbild aus?
F. Mathias: Vieles davon ist noch vertraulich. Aber ganz klar ist, dass wir auch im Jahr 2025 ein unabhängiges, privates Unternehmen sein wollen.
Also kein Börsengang?
F. Mathias: Genau. Das ist auch das feste Ziel der Familie Rentschler und vor allem von Nikolaus Rentschler, der Vorsitzender des Aufsichtsrats ist. Herr Rentschler ist Unternehmer durch und durch. Er sieht die Stärken sowohl eines privaten Familienunternehmens als auch des Mittelstandes und möchte das sicherlich nicht verändern.
Das dürfte aber nicht Ihr einziges Ziel für 2025 sein, oder?
F. Mathias: Im Kern werden wir unseren Ehrgeiz für Innovation und höchstmögliche Qualität noch weiter bekräftigen. Dabei werden wir unseren Kunden immer wieder neue Produktionsverfahren anbieten, wie beispielsweise durch die Technologie Leukocare, die wir im Rahmen einer strategischen Allianz nutzen. Dieses Biotechunternehmen bietet best-in-class Formulierungen. Das ist auch ein Beispiel für unseren Anspruch auf Technologieführerschaft in unserer Branche.
Welchen Nutzen bringt diese Technologie für Sie beziehungsweise Ihre Kunden?
F. Mathias: Die Formulierungsentwicklung für therapeutische Proteine steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Kunden haben Wirkstoffe, die bei minus 70°C gelagert werden müssen. Auch wenn das ein extremes Beispiel ist, so muss doch die Kühlkette in vielen Fällen eingehalten werden. Die Technologie von Leukocare ermöglicht es, die Proteine bei Raumtemperatur besser stabil zu halten. Das ist ein riesiger Wettbewerbsvorteil, der unseren Kunden zugutekommt. Damit kann ein Präparat, das die Apotheke verlässt, vielleicht zwei bis vier Wochen bei Raumtemperatur gelagert werden, und so können Patienten es am Wochenende mitnehmen oder sogar damit in den Urlaub fahren.
Mit welchen Überraschungen werden Sie noch aufwarten?
F. Mathias: Heute nehmen wir die Ideen der Biotechforscher auf, entwickeln einen Produktionsprozess und liefern am Ende das fertige Produkt. Wir bedienen damit die gesamte Wertschöpfungskette vom Gen bis zum Vial, also dem Fläschchen mit dem abgefüllten Arzneimittel. Entlang dieser Kette können wir an vielen Stellen weitere Innovationen anbieten. Man kann zum Beispiel die Entwicklung der Zelle beschleunigen oder auch andere als die heute meist verwendete Hamsterzelle benutzen, beispielsweise Insekten-, Geflügel- oder Pflanzenzellen.
Man kann auch die Effizienz des Produktionsverfahrens erhöhen. Heute hat man oft eine Ausbeute von drei bis vier Gramm Antikörper pro Liter. Man kann das, wenn die Rahmenbedingungen passen, in Richtung bis zu zehn Gramm pro Liter bringen. Auch bei der Filtration bieten sich Verbesserungen an. Schließlich könnte man sich überlegen, in der Wertschöpfungskette einen Schritt weiter zu gehen und auch die Verpackung und die Logistik bis zum Krankenhaus oder zur Apotheke übernehmen. Damit würden wir alles aus einer Hand anbieten, wären also ein One-Stop-Shop.
Wenn Sie diese weit gespannte Kette abdecken, wäre es dann für Sie nicht lukrativ, auch den Anfang zu übernehmen, also eigene Ideen für biopharmazeutische Produkte zu entwickeln?
F. Mathias: Die Frage ist berechtigt. Wir haben aber im Rahmen unserer Strategie 2025 entschieden, dass wir das nicht tun werden. Denn indem wir keine eigene Pipeline aufbauen, treten wir auch nicht in Konkurrenz zu den Produkten unserer Kunden. Das schätzen diese sehr.
Aktuell erleben wir technologische Durchbrüche in der Arzneimittelentwicklung. Wie wird das Ihre Arbeit als Dienstleister in den nächsten Jahren beeinflussen?
F. Mathias: Es gibt heute weltweit wohl über 800 therapeutische Proteine in der klinischen Entwicklung. Das ist also ein äußerst dynamischer Markt, die Nachfrage nach diesen Produkten ist sehr groß. Gleichzeitig gibt es einen starken Trend zum Outsourcing. Wir sehen immer öfter, dass kleine und mittelständische Unternehmen die Produktion nicht selbst übernehmen. Unser Ziel ist es, für diese Firmen die Prozessentwicklung und Produktion bis zur Marktversorgung zu übernehmen.
Was steckt hinter diesem Trend zum Outsourcing?
F. Mathias: Die Entwicklung geht immer mehr in Richtung Spezialisierung. Außerdem werden auch die Produktionsverfahren immer komplexer und setzen mehr Erfahrung voraus. Im Übrigen ist es ein genereller Trend der Industrie, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren und alles andere weiterzureichen.
Was heißt das für Biotechunternehmen?
F. Mathias: Dass sie eher die grundsätzliche Entwicklung von neuen Arzneimitteln übernehmen und die Prozessentwicklung und Produktion extern vergeben. Ein Teil unserer Kunden, die mittelständischen und kleineren Biotechunternehmen, haben in der Regel selbst keine Produktion. Übrigens, auch Big Pharma folgt diesem Trend und vergibt die Produktion aus Teilen ihrer eigenen Pipeline verstärkt nach außen. Von den 20 größten Biopharmaunternehmen der Welt sind 15 Kunden bei uns.
Wieso kommen die Kunden zu Ihnen, worin liegen Ihre Stärken?
F. Mathias: Das liegt an erster Stelle an der hohen Qualität, die wir bieten. Ich, als gebürtiger Franzose, mache mir immer eine Freude, wenn ich unseren internationalen Kunden sage, unsere Produkte sind Made in Germany. Dann gehe ich einen Schritt weiter und sage, sie sind sogar Made in South-Germany – und noch besser: Made in Swabia, also in Oberschwaben. Das wird nicht ohne Grund international mit höchster Qualität verbunden.
Qualität und Liefertreue bieten die Schweizer oder Koreaner doch auch.
F. Mathias: Die können aber nicht sagen „Made in Germany“, das hat nochmal eine ganz andere Wertigkeit. Ein weiterer Grund, warum die Kunden zu uns kommen, ist die Tatsache, dass wir nicht nur Produzent, sondern auch Lösungspartner sind. Wir helfen unseren Kunden neue Wege zu gehen. Wir denken dabei out-of-the-box
Wie viele Kunden haben Sie?
F. Mathias: Wir haben seit 1997 rund 130 Kunden bedient und mit 250 Molekülen gearbeitet.
Rentschler ist ein rein deutsches Unternehmen, Ihre Kunden kommen aber aus der ganzen Welt. Beabsichtigen Sie, künftig auch in anderen Ländern präsenter zu werden?
F. Mathias: Wir sind heute in der Tat ein rein oberschwäbisches Unternehmen. Damit fehlt uns die Internationalisierung trotz einer eigenen Präsenz wie in den USA ein wenig. Wir können uns gut vorstellen, 2025 mehrere Standorte in der Welt zu haben.
Wo wären die dann?
F. Mathias: Das ist im Detail noch nicht entschieden, aber vorzugsweise dort, wo unsere Kunden sind – in den typischen Biotech-Hubs.
Also an der US-Ost- und Westküste?
F. Mathias: Natürlich denkt man sofort an diese Regionen. Aber nicht zu unterschätzen ist Asien. Gerade Südkorea ist stark im Kommen. Dort baut Samsung Biologics große Anlagen auf, das geht in Richtung einer Gesamtkapazität von über 360.000 Litern. Auch deutsche Unternehmen investieren jetzt in 12.000-Liter- und 15.000-Liter-Bioreaktoren.
Sind solche Größenordnungen auch für Sie vorstellbar?
F. Mathias: Wir haben uns entschieden, nicht in den Wettbewerb zu den Lohnherstellern mit großen Bioreaktoren zu treten. Unsere größte einzelne Bioreaktorkapazität wird bei 3.000 bis 4.000 Litern liegen.
Warum?
F. Mathias: Die Entwicklung geht immer mehr in Richtung personalisierte Medizin. Zudem werden die Medikamente immer effizienter. Das heißt aber auch, dass man dafür nicht mehr solche großen Bioreaktoren braucht. Deswegen wollen wir der Experte für alles zwischen 250 Litern und 4.000 Litern sein. Damit adressieren wir eher den Markt der Orphan Drugs, also der seltenen Erkrankungen und mit einer kleineren Anzahl an Patienten. Wir können mit unseren Kapazitäten bereits heute zwei Drittel aller Biopharmazeutika auch im kommerziellen Maßstab produzieren.
Wie gut gelingt es Ihnen heute, Ihre Produktionsanlagen auszulasten?
F. Mathias: Wir können unsere Produktionsabläufe noch deutlich optimieren. Warum? Weil wir heute überwiegend Material für klinische Studien produzieren, also Produkte, die noch in der Entwicklung sind. Doch das ändert sich. Wenn unsere Kunden für ihre Arzneimittel die Marktzulassung erhalten, wollen sie die Marktprodukte ebenfalls bei uns produzieren lassen. Damit begeben wir uns auf ein ganz anderes Terrain, denn das ist Routineproduktion. Darauf bereiten wir uns aktuell intensiv vor. Dafür brauchen wir andere Prozesse, teilweise auch andere Mitarbeiterprofile. Und bei dieser Art der Produktion spielt natürlich die Auslastung der Anlagen eine viel wichtigere Rolle. Außerdem überlegen wir, die Herstellung der Marktprodukte von der Produktion des klinischen Materials stärker zu separieren, um den jeweiligen Ansprüchen besser gerecht zu werden.
Bis wann wollen Sie die Kapazitäten für die Marktversorgung aufgebaut haben?
F. Mathias: Je früher, desto besser.
Wieviel werden Sie in die neue Produktion investieren?
F. Mathias: Die Herstellung von Biopharmazeutika ist kapitalintensiv. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben wir 50 Mio. EUR in Anlagen investiert. Ich schätze, dass wir in den nächsten fünf Jahren einen weiteren Investitionsbedarf von 50 bis 100 Mio. EUR haben werden.
Woher bekommen Sie als nicht börsennotiertes Unternehmen diese Summen?
F. Mathias: Indem wir mit dem Geld, das wir einnehmen, gut wirtschaften. Außerdem ist die Familie Rentschler bereit, aus eigenem Kapital Investitionen zu tätigen. So sind wir auch in den vergangenen Jahren gewachsen.
Sind Sie eigentlich auch an einem späteren Verkaufserfolg der Produkte, die bei Ihnen hergestellt werden, beteiligt?
F. Mathias: Wenn, dann bislang nur indirekt. Aber der Markt möchte das. Vor allem in den klinischen Phasen I bis III, wo noch nicht klar ist, ob ein Produkt eine Marktzulassung bekommen wird, wünschen sich viele Kunden, dass wir das Risiko mit ihnen teilen. Darüber denken wir nach, und das ist auch etwas, was wir in unserem Zielbild definiert haben.