Erfolge und Herausforderungen in der Bioprocessing-Industrie
13.09.2017 -
Egal ob Sie mit den Ausdrücken „Biopharmazeutika“, „Biologika“, „große Moleküle“, „Biomanufacturing“ oder „Bioprocessing“ vertraut sind, wir alle sind in einer Branche tätig, die Wachstumsraten im zweistelligen Bereich verzeichnet – insbesondere bezieht man die Finanzierung und Aktivitäten im Zusammenhang mit Arzneimittelentwicklung, Prozessentwicklung, klinischen Studien und abschließender Produktherstellung mit ein. Der Anteil der Entwicklungen von Biologika hat bei großen Pharmaunternehmen jedes Jahr prozentual zugenommen, während der prozentuale Aktivitätsanteil bei der Entwicklung niedermolekularer Arzneimittel abnimmt.
Einige herausragende Beispiele jüngster Erfolge unsere Branche im Bereich der Immunonkologie ist die beschleunigte Markteinführung von Mercks Keytruda (Pembrolizumab) und Bristol Myers Squibbs (BMS) Opdivo (Nivolumab) zur Behandlung des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms, zusammen mit Erfolgen in klinischen Studien zur CAR-T-Therapie für die Behandlung von pädiatrischer Leukämie. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen Krebs hat ebenfalls deutlich zugenommen. Diese Erfolge haben zu einer explosionsartigen Zunahme der Aktivitäten bei der Entwicklung vergleichbarer Produkte und neuer biologischer Wirkstoffe für ähnliche Erkrankungen und neue Indikationen geführt. Die oben beschriebenen Produkte sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die Entwicklung und Herstellung neuer Wirkstoffe zur Behandlung von Erkrankungen geht, für die es bisher keine akzeptablen Optionen gab. In der Folge nimmt die Produktionskapazität für die Herstellung von Biologika signifikant zu, um dem Bedarf der vorgelagerten Fermentation und Zellkulturverarbeitung sowie der nachgelagerten Aufreinigung gerecht zu werden.
Aus diesem Grund müssen biopharmazeutische Kunden eine effektive Lieferkette für wichtige Rohmaterialien von zuverlässigen und nachhaltigen Lieferanten implementieren, um eine zunehmende Versorgung zu gewährleisten.
Ungeachtet der zuvor erwähnten Erfolge gibt es verschiedene externe Einflüsse, denen unsere Branche ausgesetzt ist. Nähern sich bspw. Biologika dem Ende der Patentlaufzeit (wie Humira [Adalimumab] und Remicade [Infliximab]) gehen billigere Alternativen, sogenannte Biosimilars, in die Entwicklung und Vermarktung, um dem Wunsch unserer alternden Bevölkerung nach preiswerteren Optionen nachzukommen. Weiterhin haben Regierungen rund um den Globus medizinische Zulassungen von zuvor erwähnten, teuren Biologika verschoben und verweigert. Daher steht die Branche unter verstärktem Druck, die Herstellungskosten und somit die Patientenkosten zu senken.
Kostensenkung
Nehmen wir einen therapeutischen monoklonalen Antikörper als Beispiel: vor mehr als 5 Jahren betrugen die durchschnittlichen Kosten pro Gramm $ 10.000. Prozessverbesserungen und eine bessere Rohstoff-Lieferkette haben die durchschnittlichen Kosten heute auf $ 100 pro Gramm reduziert. Es gibt sogar einige wenige Berichte über Kosten von gerade einmal $ 30 je Gramm.
Allerdings setzt der bestehende Impuls, die Kosten sogar noch weiter zu senken, die Rohstofflieferanten unter Druck, kostengünstigere Optionen anzubieten. Die Kostensenkungsmaßnahmen haben folgende Entwicklungen angestoßen:
Einführung der „Single-use-Technologie“, um die Produktionsausrüstung aus Edelstahl ganz oder teilweise zu ersetzen. Diese Umstellung hat zu einer Senkung der Kapital- und Energiekosten geführt, zusammen mit dem Wegfall von Kosten und Aufwand für die effektive Reinigung wiederverwendbarer Edelstahlausrüstung.
Wechsel zum Continuous Processing (CP), das seit Jahren erfolgreich in anderen Branchen eingesetzt wird. Das von der US-amerikanischen FDA empfohlene CP ist ein Prozess, der zeitaufwändige und kostspielige Unterbrechungen, die dem Testen von Zwischenprodukten vor dem Übergang zum nächsten Produktionsschritt dienen, überflüssig macht. Process Analytical Technology (PAT) wird zur Echtzeit-Beurteilung von Zwischenprodukten verwendet und erlaubt den automatischen, verzögerungsfreien Transfer zum nächsten Produktionsschritt.
Auch wenn CP nicht für den gesamten Produktionsprozess (Upstream und Downstream) eingeführt wurde, wird es derzeit in Bereichen sowohl der Upstream- (Perfusionskultursysteme) als auch der Downstream-Prozesse (Chromatographie) verwendet. Das Feedback aus der Branche von Unternehmen, die mit CP arbeiten, war ausgesprochen positiv. Beispiele für Kostenvorteile umfassen:
- Produktionssystem mit geringerem Platzbedarf durch die Beseitigung sperriger Edelstahlausrüstung
- Reduzierung des Personals durch den Wegfall von Produktionsunterbrechungen und Reinigung
- Bessere Anlagenausnutzung, da mehr Chargen pro Jahr produziert werden
- Reduzierung des Einsatzes von Fermentations-/Zellkulturmedien und Pufferlösungen aufgrund des kleineren Produktionsmaßstabs
- Die Nutzung einer Single-use-Technologie ist für CP-Prozesse unverzichtbar
- Implementierung eines effektiven und effizienten Prozesses des Lieferkettenmanagements. Durch die zunehmende Globalisierung erfolgt die Materialbeschaffung auf mehreren Ebenen. In einigen Fällen ist deshalb die genaue Herkunft des Rohstoffs möglicherweise nicht bekannt. Es gab publizierte Fälle, wo mit Fremdstoffen (Viren) verunreinigte Rohstoffe entdeckt wurden, was zu kontaminierten Endproduktchargen und Produktionsumgebungen führte. Dies kann schwerwiegende Konsequenzen zur Folge haben, einschließlich Versorgungsunterbrechung, Gefährdung der Patientensicherheit, Untersuchungs- und Sanierungskosten sowie regulatorische Auswirkungen. Daher ist es wichtig, ein Programm zum Lieferantenmanagement zu nutzen, um die Qualität, Sicherheit, Rückverfolgbarkeit und allgemeine Compliance ihrer kritischen Rohstoffe zu gewährleisten. Außerdem trägt ein effektives Lieferkettenprogramm zu allgemeinen Kostensenkungen bei, da das Risiko eines unerwünschten Ereignisses ausgeschlossen wird.
Es wäre nachlässig, an dieser Stelle nicht auch die Notwendigkeit zur Implementierung effektiver Umweltkontrollen für die Herstellung eines biopharmazeutischen Produkts zu erwähnen. Während ein Produkt durch den Produktionsprozess läuft – von den Up- zu den Downstream-Prozessen weiter zur BDS (bulk drug substance) und schließlich zur finalen Abfüllung – nimmt der wirtschaftliche Wert dieses Arzneimittels signifikant zu. Wenn also, wie zuvor erwähnt, eine Verunreinigung mit einem Fremdstoff früh im Produktionsprozess erfolgt, kann es sein, dass dies erst bei der BDS oder noch später entdeckt wird. Dies könnte sich dann direkt auf die Patientensicherheit auswirken.
Lösungswege
Daher gibt es verschiedene Maßnahmen, die zur Risikominderung ergriffen werden können. Ein Beispiel dafür wäre das Tragen einer kompletten Schutzbekleidung von Kopf bis Fuß durch die Produktionstechniker, die in aseptischen Umgebungen arbeiten. Dadurch wird nicht nur der Mitarbeiter vor Kontaminationen aus der der Arbeitsumgebung geschützt, sondern auch das Risiko einer Verunreinigung des Produkts durch den Mitarbeiter minimiert. Eine weitere Maßnahme wäre die Reinigung von Decken, Wänden, Böden und Ausrüstung im Reinraum mit antimikobiellen Reinigungsmitteln und reinraumgerechtem Equipment (Wischtücher, Mopps).
Fazit
Dies ist eine spannende Zeit für unsere Branche; wir werden weiterhin einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Gesellschaft ausüben. Unser anhaltender Erfolg hängt von einer engen Zusammenarbeit mit biopharmazeutischen Unternehmen und ihren Lieferanten ab, geleitet von globalen Aufsichtsbehörden und der medizinischen Gemeinschaft, der wir dienen.
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