Anlagenbau & Prozesstechnik

Digitalisierung in der Chemie

Warum die Denkweise, einfach nur etwas herzustellen, keinen Sinn ergibt

28.05.2024 - Als ich als Entwicklungschemiker in der Branche anfing, war ein guter Tag für mich, wenn ich etwas herstellte, das besser war als das, was ich am Tag davor hergestellt hatte.

Das war meine Vorstellung von Erfolg. Mit der Zeit wurde mir allerdings klar, dass das Produkt meiner Experimente nicht wirklich der Stoff in den Flaschen war, sondern das, was ich lernte: das notwendige Wissen, um konstant Produkte herzustellen, die den Anforderungen unserer Kunden entsprechen. Es war eine Offenbarung. Meine Aufgabe bestand nicht darin, etwas herzustellen, sondern darin, Verständnis zu wecken.

Ich gehe davon aus, dass es im Moment viele Chemiker gibt, die diese Reise gerade erst begonnen haben. Für den Erfolg in der digitalen Zukunft der Chemie brauchen Wissenschaftler Anleitung und Ermutigung, um diesen Wandel herbeizuführen. Vielleicht können wir sogar verhindern, dass sich die Macher-Mentalität überhaupt erst durchsetzt.

 

© JMP/SAS

 

Von der Vorbereitung bis zur Planung

In der Schule und an der Universität bestand meine einzige Erfahrung mit Experimenten aus Laborpraktika. Sie waren nützlich, um die Synthesewege zu demonstrieren, die wir lernten und um praktische Fertigkeiten zu entwickeln, aber Erfolg wurde hier oft als ein Haufen von großen, farblosen Kristallen definiert. So kam ich auf den Gedanken, dass es bei Experimenten darum geht, unser Verständnis von chemischen Mechanismen zu bestätigen.

Diese Vorstellung wurde bei meinem ersten Job als Prozesschemiker, der Toner für Laserdruck herstellt, sofort in Frage gestellt. Das System war einfach zu komplex und chaotisch, um es allein theoretisch zu verstehen – gebogene Pfeile waren nutzlos! Stattdessen verbrachte ich meine Tage damit, akribisch „Vorbereitungen“ zu treffen, um herauszufinden, wie man Latex, Pigmentdispersion und andere Inhaltsstoffe zur Herstellung von Tonerpartikeln in einheitlicher Größe kombiniert. Mit jeder Vorbereitung änderte ich etwas an der Rezeptur. Ich tauschte einen Ausgangsstoff aus, änderte Konzentrationen und Anteile oder die Temperatur einer der Haltephasen. Es gab immer eine Begründung dafür und ich war zufrieden damit, der wissenschaftlichen Methode zu folgen (eine Hypothese aufstellen, eine Vorhersage treffen, die Vorhersage testen), aber es gab kaum eine Strategie. Wenn ich an einen Punkt gelangte, wo etwas funktionierte, wusste ich nicht genau, wie ich dorthin gekommen war. Ich gewöhnte mich an die Unvorhersehbarkeit dieses Ansatzes, aber ich fühlte mich niemals wohl dabei.

 

© JMP/SAS

 

Eine Willensfrage

Ein Seminar von Dick de Veaux, dem Professor für Statistik, führte mich schließlich an eine neue Denkweise heran: Die erfassten Daten, die sich aus Beobachtungen aus vielen Ausführungen eines industriellen Prozesses angesammelt hatten, können „ausgewertet“ werden, um Erkenntnisse über die Verhaltensweisen zu gewinnen, die das System antreiben, und um ein Modell zu bauen, wie sich die Eingaben auf die Ergebnisse auswirken. Kurz gesagt, anstatt einen Schritt nach dem anderen zu machen, in der Hoffnung, schließlich die beste Rezeptur zu finden, könnte ich die Daten ganzheitlich nutzen, um eine Karte zu erstellen, die mir anzeigt, wo ich die beste Rezeptur finde.

Das war zumindest die Theorie. In der Praxis waren meine eigenen Datensätze nicht sehr nützlich. Jede Vorbereitung nahm viel Zeit und Ressourcen in Anspruch, daher waren zwanzig Datenzeilen eine Menge für ein Projekt und so stellt sich niemand Big Data vor. Es gab kaum eine oder gar keine gemeinsame Basis zwischen einem Projekt und dem nächsten, also war es nicht der Mühe wert, Verlaufsdaten zusammenzutragen. Und als ich mir die Daten ansah, wiesen viele der Eingabevariablen kaum Unterschiede auf. Ich brauchte eine neue Denkweise, die mit dem neuen Ansatz einherging.

Ich musste jedes Projekt so planen, dass es die Daten lieferte, die mir helfen würden, die Entwicklungszielfunktionen zu erreichen. Ich musste die zu unterscheidenden Eingaben und die zu messenden Ausgaben wählen und wie ich die Eingaben systematisch zu variieren hatte, um zu optimieren, was ich aus jedem Einzelversuch lernen konnte. Glücklicherweise gab es dafür bereits eine Methodik: Versuchsplanung und Analyse von Experimenten oder DOE.

Mit diesen Extras und meiner neuen Perspektive wurden meine Projekte effizienter und vorhersehbarer und meine Kolleginnen und Kollegen begannen, darauf aufmerksam zu werden. Wir hatten einige große Erfolge, wie die Verdoppelung der Produktivität eines Engpass-Fertigungsschritts, ohne dass eine teure neue Anlageninfrastruktur erforderlich war. Meine Kollegen mit DOE zu unterstützen, wurde meine Vollzeit-Leidenschaft und mein beruflicher Fokus.

Seitdem habe ich gelernt, dass viele Wissenschaftler und Ingenieure ähnliche Wege zur Realisierung gegangen sind. In einem aktuellen Webinar erläuterte Pilar Gómez Jiménez, leitende Wissenschaftlerin bei Johnson Matthey, wie die Einführung dieses intelligenteren Ansatzes bei Experimenten dazu beitrug, die Forschungs- und Entwicklungskosten des Unternehmens um 50 % zu senken. „Jedes chemische Problem oder jede Herausforderung, die meine Kollegen mir stellen, sehe ich als eine Tabelle mit Spalten und Zeilen. Das ist eine völlig andere Denkweise …“, erklärte sie.

Wie viele andere wünschten Pilar und ich, wir hätten früher in unserem Berufsleben etwas über diese Konzepte erfahren. Die Graduiertenausbildung in DOE des Center for Rapid Online Analysis of Reactions (ROAR) am Imperial College ist ein seltenes Beispiel dafür, wie man Studierenden diese Ideen vermittelt, bevor sie in die Branche gehen. Aber warum gibt es keine einfachen DOE-Übungen für Studierende oder sogar für den naturwissenschaftlichen Unterricht an weiterführenden Schulen?

Es ist nie zu früh oder zu spät, diese Fähigkeiten zu erlernen und Sie können sofort damit beginnen.

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Statistical Thinking for Industrial Problem Solving (STIPS)

Kostenlose Online Schulung: www.jmp.com/statisticalthinking

 

Autor:

Phil Kay, Learning Manager, JMP Statistical Discovery, SAS Institute GmbH, Heidelberg

„Ich folgte der wissenschaftlichen Methode, aber es gab kaum eine Strategie.”

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