Transportlogistik-Potenziale durch Kollaboration heben
Interview mit Marc-Oliver Simon, Geschäftsführer der Transporen Group
Die fortschreitende Digitalisierung und die Kollaboration der Verlader sowie Dienstleister über leistungsstarke Plattformen werden zu spürbaren Effizienzsteigerungen führen, davon ist Marc-Oliver Simon, Gründer und Geschäftsführer der Transporeon Group aus Ulm, überzeugt. CHEManager sprach mit ihm über Potenziale in der Transportlogistik der Chemiebranche.
CHEManager: Herr Simon, Sie gehen davon aus, dass in der Transportlogistik auch in der Chemiebranche noch Potenzial für weitere Effizienzsteigerungen liegt. Wo sehen Sie die wesentlichen Potenziale?
M.-O. Simon: Viele Chemieunternehmen sind in den letzten Jahren im Digitalisierungsprozess gut vorangekommen. Das ist sicher im Vergleich zu anderen Branchen ein Plus. Dennoch gibt es auch hier weiteres Optimierungspotenzial, wenn es etwa darum geht, Leerkilometer zu vermeiden, die Repositionierungskosten der Lkw zu verringern oder die Wartezeiten an den Ladestellen zu verkürzen.
Auch in der Transportvergabe liegen für Chemieunternehmen Ansatzpunkte für Effizienzsteigerungen. Viele Verlader denken in Eins-zu-eins-Verträgen für bestimmte Relationen. Oft ist nur ein Spediteur für bestimmte Routen hinterlegt. Hier gibt es also zu wenig Agilität, um auf die sich ständig ändernden Bestellverhalten der Kunden zu reagieren.
Die Kapazitätsbeschaffung auf dem Spotmarkt ist ein weiteres Feld: Sie wird heute häufig noch telefonisch betrieben, dabei lässt sie sich wesentlich effizienter über eine Plattform organisieren. Es geht also generell darum, mehr Dynamik in die Disposition zu bringen, echte Kollaborationen mit vielen Spediteuren zu ermöglichen, um Leerkilometer zu reduzieren und manuelle Prozesse in der Transportvergabe zu digitalisieren. Besonders nützlich ist dies bei saisonalen Peaks wie etwa im Agrarsektor. Als Lieferant ist davon auch die Chemiebranche betroffen. Wenn Düngemittel im Frühling oder Spätsommer abgerufen werden, kann es schnell zu Engpässen bei den Transportkapazitäten kommen.
Wie schätzen Sie das Potenzial der Effizienzsteigerung durch digitale Plattformen in der Chemiebranche ein, die ja doch sehr spezielle Anforderungen an die Transportlogistik stellen?
M.-O. Simon: Der Prozess der Transportvergabe an einen qualifizierten, zertifizierten Carrier ist vergleichbar mit anderen Branchen. Die Anforderungen an den Transport sind allerdings speziell, da stimme ich Ihnen zu, beispielsweise bei Gefahrgut. Und auch bei der Zeitfensterbuchung gilt es, Besonderheiten zu beachten. Transporeon greift hier auf 17 Jahre Erfahrung zurück. Deshalb haben wir ein tiefes Verständnis für die Prozesse beim Kunden und können diese entsprechend abbilden.
Was die Quantifizierung der Potenziale anbelangt: Covestro hat auf der Logichem einige Zahlen vorgelegt. So liegt der Anteil der Repositionierungskosten insbesondere im Bulk/Silo-Bereich an den Transportkosten bei über 20%. Für verpackte Ware bewegen sich die Zahlen bei etwa 10 bis12% im nationalen Durchschnitt. Die Reinigung und Aufbereitung von Silofahrzeugen ist ja teurer als die von herkömmlichen Lkw. Unsere Erfahrungen mit Kunden, die für die Spotvergabe auf die Best Carrier-Funktion der Transporeon-Plattform umsteigen, zeigt, dass sich die Frachtkosten allein durch die Senkung der Repositionierungskosten um 3 bis 7% reduzieren lassen.
Für Chemiekunden haben wir zudem spezielle Branchenlösungen im Bereich Zeitfenster-Management entwickelt. Diese berücksichtigen bei der Be- und Endladung beispielsweise das Gleichzeitigkeitsverbot von Chemikalien. Der Buchungsassistent zeigt nur Slots, die unter Berücksichtigung dieser Sicherheitsaspekte für den gewählten Transport verfügbar sind. Das System bietet außerdem aktiv optimierte Nutzungen der Verladestellen an, was zu besseren Auslastungen führt.
Wie kann man diese Potenziale noch besser heben?
M.-O. Simon: Das können Chemieunternehmen in der Tat. Das Stichwort ist hier „Collaboration“, das heißt die Zusammenarbeit des Verladers mit vielen Transporteuren über eine gemeinsame Plattform. Wir empfehlen dabei den schrittweisen Einstieg in die Kollaboration. Der erste Schritt ist die einfache digitale Anbindung einer organisatorischen Einheit über die Plattform. In weiteren Stufen können dann funktionale Erweiterungen folgen, als auch mehrere Werke bzw. Länder einbezogen werden. So sind positive Effekte rasch sichtbar. Die Projektschritte finden dann schnell und in überschaubaren Einheiten statt und ziehen sich nicht über Jahre hin.
Digitalisierung ist also ein wesentlicher Treiber. Allerdings bieten nun viele Start-ups digitale Plattformen für die Vernetzung zwischen Verlader und Spediteur. Wie können da übergreifende Netzwerke entstehen?
M.-O. Simon: Absolut! Digitale Kommunikation ermöglicht die Kollaboration in Echtzeit. Dadurch entstehen Synergien und eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Diese positiven Effekte stellen sich ein, wenn mehrere Parteien eine Plattform nutzen. Die Lösungen bestehen nicht darin, Inseln zu erzeugen. Das maximale Potential wird wirklich gehoben, wenn viele Akteure übergreifend miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Der Netzwerkeffekt stellt sich also erst ab einer bestimmten Größe ein und der Mehrwert wächst für alle Beteiligten mit jedem neuen Akteur.
Blick in die Zukunft: Wird es in näherer oder fernerer Zukunft Konzentrationen geben und am Ende weltweit betrachtet die gesamte Transportlogistik über einige wenige digitale Plattformen abgewickelt werden?
M.-O. Simon: Ja, damit ist zu rechnen. In andern Bereichen, wie bei den Suchmaschinen, nehmen Sie Google, oder beim Online-Shopping – das Beispiel Amazon – haben wir solche Entwicklungen schon beobachten können. Plattform-Business ist ein „the winner takes it all“-Business. Deshalb ist eine kritische Masse wie sie Transporeon als europäischer Marktführer aufbieten kann, aus meiner Sicht unabdingbar für den Erfolg. Wir arbeiten kontinuierlich daran, durch Innovation und Kundenservice unsere Position zu stärken.