Wettbewerb im Chemiestandorte-Markt
Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop
Eigentlich könnte die Wettbewerbssituation von vielen Chemiestandortbetreibern nicht besser sein: Ihre Kunden – die Chemieproduzenten – sind mit dem Standort sehr verbunden und ein Wechsel ist oft nur sehr schwer möglich (so manchmal der Glaube und das gelebte Verständnis). Im dem Falle, dass der Chemiestandortkunde auch (Mit-)Eigentümer der Betreibergesellschaft ist, hat er ein zusätzliches Interesse an dessen Wirtschaftlichkeit und profitiert von einem guten Jahresergebnis.
Doch ist der Markt tatsächlich so abgeschlossen? Welche Chance haben externe – nicht am Standort ansässige – Dienstleister und ergibt sich dadurch für die Chemiestandortbetreiber und für die Eigentümer von Chemiestandorten eine Gefahr oder eher eine Chance? Tatsächlich haben externe Dienstleister teilweise eine geringere Branchenkenntnis und sehen sich daher hohen Markteintrittsbarrieren gegenüber. Die besonderen Anforderungen der Branche in Bezug auf Sicherheit und Zuverlässigkeit können nicht so einfach durch Erfahrungen und Referenzprojekte aus anderen Branchen nachgewiesen werden.
Dennoch haben externe Dienstleister den Vorteil, dass sie sich oftmals auf einen Servicebereich konzentrieren und dadurch ein großes Vertrauen ihrer Kunden in diesem Bereich haben – sie gelten als Experten in ihrem Bereich und haben ein starkes Branding. Zudem zeigen sie eine große Expertise und hohe Wirtschaftlichkeit durch das regelmäßige Gewinnen von Ausschreibungen.
Diese Vorteile der externen Dienstleister können genutzt werden, um Pilotprojekte im Chemiestandort-Markt erfolgreich umzusetzen. Auf diese Weise können die externen Dienstleister einen Fuß in die Tür bekommen und die eigene Expertise beweisen. Sie können in einem ersten Schritt direkt an die Chemiestandort-Kunden herantreten und deren wenige Erfahrung im Umgang mit eigenen Industriedienstleistungen ausnutzen und sie vom Outsourcing-Potential überzeugen. Dies schaffen sie durch eine hohe kosteneffiziente und innovative Kompetenz in Prozessen, geringem Aufwand und transparentem Nachweis der entsprechenden Leistung. Der zweite Schritt liegt nahe: Konnte sich der externe Dienstleister beweisen, so wird ihm auch zugetraut werden, weitere Dienstleistungen zu übernehmen. Dies kann eine Ergänzung der Leistungen des ansässigen Betreibers sein – Kooperationen sind hier denkbar. Möglicherweise bietet der externe Dienstleister außerdem die gleichen Leistungen wie der Betreiber an und erhöht dadurch die Angebotsvielfalt am Standort.
Insbesondere für den Eigentümer des Standortes können diese zusätzlichen Angebote eine Chance sein: Durch eine größere Auswahl an Anbietern und Leistungen, die seinen Standortkunden angeboten werden, wird der Standort attraktiver und wettbewerbsfähiger. Der Markteintritt von externen Dienstleistern kann für den Betreiber dagegen zur echten Gefahr werden, da sich dadurch seine Wettbewerbssituation verschärft.
Sich dieser Gefahr bewusst zu sein, mögliche Wettbewerber im Auge zu behalten und sich nicht von dem Gedanken einer Monopolstellung leiten zu lassen, wird zukünftig immer wichtiger. Was kann der Betreiber also tun? Er sollte zum einen die zukünftige Entwicklung seiner Branche im Auge behalten, Industrieszenarien durchdenken und selbst den „idealen Wettbewerber“ entwerfen. Dieser richtet sich an den Industrieszenarien aus und spiegelt den optimalen „Markt-Player“ wider. Der Betreiber muss sich entsprechend die Frage stellen, was der optimale Wettbewerber tun würde, um das bestehende Betreiber-Geschäftsmodell zu zerstören und wie er am Markt agieren würde: Transparenz in Bezug auf Preise und Prozesse zu schaffen, sowie die Abnahme von Leistungen zu flexibilisieren oder Leistungen sowohl einzeln als auch in diversen Leistungspaketen anzubieten, können Beispiele hierfür sein.
Sich dann die Unterschiede der eigenen Organisation und der des idealen Wettbewerbers aufzuzeigen und auf diese Weise einen Entwicklungspfad für die eigene Organisation zu beschreiben, bietet eine große Chance. Denn nur wer selbst der ideale Wettbewerber ist, braucht Konkurrenz nicht zu fürchten!