Brenntag bündelt Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Interview mit Karsten Beckmann, Matthias Compes und Michael Thürmer über die neue DACH-Organisation
Brenntag hat im Laufe des Jahres die Aktivitäten in den Ländern Deutschland (D), Österreich (A) und Schweiz (CH) in einer sog. DACH-Organisation gebündelt. Diese Organisation des Chemiedistributeurs umfasst 25 Standorte, vier davon in Österreich und vier in der Schweiz. Rund 1.700 Mitarbeiter sind in der DACH-Region beschäftigt, mehr als 18.000 Kunden werden beliefert. Matthias Compes ist als President Brenntag DACH für die Ressorts Strategie, Logistik/Operations und Personal zuständig. Michael Thürmer verantwortet als COO die kommerziellen Bereiche. Neben Compes und Thürmer befragte CHEManager auch Karsten Beckmann, CEO Brenntag EMEA und Vorstandsmitglied der Brenntag AG, zu den Hintergründen der Reorganisation. Die Fragen stellte Dr. Birgit Megges.
CHEManager: Die erste Frage, die sich bei einer Reorganisation stellt, ist die nach dem Warum. Können Sie Ihre Gründe kurz erläutern?
K. Beckmann: Die neue Region ist eingebettet in eine Neuordnung der europäischen Brenntag-Organisation mit dem Ziel, die Gemeinsamkeiten und die zahlreichen Stärken der eingebundenen Länder bestmöglich zu nutzen. Dank der Ausrichtung unserer Vertriebsstrukturen auf industriespezifische Branchen können wir uns noch besser den Anforderungen unserer Partner widmen und unsere Marktkenntnisse, unser technisches Know-how sowie unsere Mehrwertleistungen einbringen, insbesondere wenn es um gemeinsames Wachstum im Bereich der Spezialchemikalien geht.
M. Compes: Die drei Länder der neuen Region bringen sehr unterschiedliche Erfahrungen und Stärken in die DACH-Organisation ein. Diese werden wir nutzen, um im Interesse unserer Kunden, Lieferanten, Investoren und nicht zuletzt auch unserer Kollegen konzentrierter am Markt aufzutreten.
Ist dieser Schritt Teil der strategischen „2020 Vision“ von Brenntag, mit der Sie sich langfristig erfolgreich im Markt für Chemiedistribution positionieren möchten?
K. Beckmann: Chemiedistribution ist ein sehr vielschichtiges Geschäftsmodell, das den Einkauf, die Lagerung, den Transport, den Verkauf und das Marketing von chemischen Produkten sowie eine Vielzahl an Mehrwertleistungen umfasst. In unserem Markt ist die Servicequalität der Schlüssel zum Erfolg. Die Anforderungen unserer Kunden sind genauso vielfältig wie unser Geschäft. Der DACH-Ansatz unterstützt unsere Partner dabei, ihre Wertschöpfungskette effizienter zu steuern. Er ist eingebettet in die globale „2020 Vision“ von Brenntag und setzt die Ziele zu Sicherheit, Commercial Excellence, Operational Excellence und Personalentwicklung um.
Welche konkreten Ziele sind mit der neuen Organisation verbunden?
M. Compes: Bereits bei unserer ersten Diskussion zur Gründung der Region DACH war unser Ziel, eine tatsächlich regional agierende Organisation aufzubauen, die grenzüberschreitend gilt und vor nationalen Interessen steht. Wir haben das Ziel, nicht so sehr als Matrix sondern viel mehr als ein Land DACH zu arbeiten.
M. Thürmer: Alle drei Landesorganisationen haben in der Vergangenheit erfolgreich vielfältige Herausforderungen bewältigt. Mit der neuen Organisation können alle von den unterschiedlichen Erfahrungen und besten Ideen der drei Länder profitieren. Wir werden durch das stärker regionale Denken und Handeln noch besser auf die Wünsche unserer Geschäftspartner eingehen können.
Eine Reorganisation kann nur Schritt für Schritt verlaufen. Wie weit sind Sie mit der Durchführung? Welche Schritte sind noch geplant?
M. Thürmer: In den letzten Monaten haben wir unser Geschäftsmodell in den Bereichen „Life Science“ und „Material Science Spezialchemikalien“ mit einem klaren Fokus auf die jeweiligen Industrien ausgerichtet und dabei konsequent regional organisiert. Das Geschäft des Bereichs „Industriechemikalien/Industrial Sales & Services“ wird sich weiterhin an den landesspezifischen Besonderheiten orientieren und verbleibt damit in der lokalen Verantwortung.
M. Compes: Als Management gestalten wir den Veränderungsprozess so, dass sich bei all unseren Mitarbeitern möglichst schnell das Gefühl einstellt, in der Region DACH zu Hause zu sein und regional zu denken und zu handeln. Wir haben interne Workshops durchgeführt und informieren unsere Teams auf vielen Kanälen regelmäßig, damit die Organisation sich schrittweise entwickelt. Natürlich liegt noch viel vor uns. Aber da sich die Rahmenbedingungen – nicht nur in unserer Branche – immer schneller verändern, werden wir auch zukünftig stets flexibel auf Veränderungen reagieren müssen. Wichtig erscheint mir aber vor allem, dass wir als Brenntag in DACH in der Lage sind, Markttrends zu setzen.
Ihr Bereich Life-Science gehört mit den Segmenten Animal Nutrition, Food, Pharma und Cosmetics in der heutigen Zeit sicherlich zu einem der schnell wachsenden Märkte, die einen großen Wettbewerb hervorrufen. Wie schätzen Sie für Brenntag die Marktsituation in diesem Bereich ein?
M. Thürmer: Die Trends bei Life Sciences liegen auf der Hand. Nehmen wir beispielsweise den Bereich Food und die damit zusammenhängenden Begriffe wie „vegan“, „vegetarisch“ oder „Clean Label“: Dies zeigt, wie unsere Ernährungsgewohnheiten sich in der Vergangenheit gewandelt haben. Entsprechend werden die Kundenanforderungen an die Lebensmittelhersteller oder eben auch andere Unternehmen im Bereich Life Sciences zunehmend komplexer. Wir verstehen uns mit unserem Spezialitäten-Know-how als der ideale Partner, um unsere Kunden in diesem komplexen Umfeld zu unterstützen.
Es ist unser klar definiertes Ziel, in allen genannten Life-Sciences-Industrien überproportional zu wachsen. Hierfür werden daher auch die entsprechenden Mittel für Wachstum zur Verfügung gestellt – sei es bei der Mitarbeitergewinnung, beim Produktportfolio-Ausbau und der Erweiterung unseres Dienstleistungsangebots. Darüber hinaus stehen wir auch gezielten Akquisitionen positiv gegenüber.
M. Compes: Gerade im Bereich der Life Sciences ist es für unsere Kunden von herausragender Bedeutung, rechtliche Bestimmungen zu kennen und mit zertifizierten Partnern zu arbeiten, damit der Konsument die entsprechende Qualität erhält. Unsere Lieferanten und Kunden werden zukünftig noch besser vom Know-how und der Kompetenz unserer Vertriebsteams profitieren. Denn unser Wissen um Fertigungsmethoden, -technologien, Produkteigenschaften und aktuelle Trends hat durch die Bündelung der Erfahrungen der drei Länder weiter zugenommen.
Sie haben bereits den Bereich „Material Science Spezialchemikalien“ erwähnt, den es seit dem 1. September 2016 gibt. Was steckt dahinter?
M. Thürmer: Material Science SC ist unser DACH-Vertriebskanal für Spezialchemikalien in den Industrien Coatings & Construction, Cleaning, Oil & Gas, Schmierstoffe, Polymere und Rubber.
Innerhalb von DACH beschäftigen wir in den Bereichen Material Science und Life Science mehr als 50 Mitarbeiter mit technischem Hintergrund im Verkauf, Produktmanagement oder auch unseren anwendungstechnischen Laboren. Das ist insbesondere für solche Kunden von Interesse, die selbst über keine spezialisierten Ressourcen verfügen. Aber auch für bestehende und zukünftige Lieferanten ist es von enormem Vorteil, auf dieses Know-how unserer Spezialisten zurückzugreifen.
Auch wenn zunächst das Zusammenwachsen im Vordergrund steht, sind und bleiben die Themen organisches Wachstum und Akquisitionen für den Konzern bedeutsam. Wo erwarten Sie die größten Wachstumschancen für die DACH-Region?
K. Beckmann: Brenntag hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz seine Stärken in vielerlei Hinsicht bewiesen. Wir sind hochdiversifiziert im Hinblick auf Kunden, Lieferanten, Kundenindustrien, Produkte und regionale Abdeckung. Wir bieten ein Vollsortiment von Industrie- und Spezialchemikalien und reagieren flexibel auf sich verändernde Marktbedingungen. Im Rahmen der DACH-Neuorganisation können wir jetzt noch konzentrierter die wachstumsstarken Märkte erschließen.
Sollte sich innerhalb der DACH Region die Möglichkeit ergeben, durch Akquisitionen unser Leistungsspektrum sinnvoll abzurunden, werden wir solche Chancen selbstverständlich auch prüfen. Mit der Akquisition von Leis Polytechnik Ende 2015 haben wir uns mit unseren Formulierungskenntnissen klar als Produktentwicklungspartner bei technischen und Hochleistungskunststoffen positioniert. Im Hinblick auf die Übernahme von ACU im März 2016 im Bereich Feinstmahlung von Feststoffen haben wir unser Portfolio an Mehrwertleistungen, insbesondere für Kunden im stark wachsenden Life-Sciences-Sektor, konsequent weiter ausgebaut.