Anlagenbau & Prozesstechnik

Digitales Design und Automatisierung

Die Produktivität beim Kunststoff-Spritzguss wird weiter wachsen

12.10.2016 -

Zu den prägenden Trends in der Kunststoffindustrie gehören der verstärkte Einsatz moderner Software für digitales Design und Produktion sowie die zunehmende Automatisierung der Produktion. Aktuelle Entwicklungen verschaffen Unternehmen in der gesamten Produktionskette neue Möglichkeiten zur Optimierung der Betriebsabläufe, Verkürzung der Time-to-Market und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

18,45 Millionen Tonnen Kunststoffe wurden im vergangenen Jahr in Deutschland produziert, ein Plus von 1,4 Prozent. Die Umsätze stagnierten bei 24,4 Milliarden Euro, ein um 2,1 Prozent sinkender Inlandsumsatz konnte durch den um 1,5 Prozent gestiegenen Auslandsumsatz wettgemacht werden. Richtig gut lief es hingegen für die Kunststoff- und Gummimaschinenhersteller: Sie legten 2015 um fünf Prozent Umsatz zu. Kein Wunder, denn fortschrittliche Technologien wie Digitalisierung und verstärkter Softwareeinsatz und Robotik können in der Kunststoffproduktion erhebliche Einsparpotenziale bewirken. 

Zwar spielt Software schon seit Langem eine Rolle in der Produkt- und Formentwicklung, und die Automatisierung war von jeher eine Möglichkeit zur Steigerung der Produkteffizienz. Im Gegensatz zu früher bietet Design-Software heute jedoch häufig Hightech-Funktionen wie 3-D-Simulation und -Analyse oder sogar VR-Optionen (Virtuelle Realität). Diese Möglichkeiten unterstützen die Anwender bei der Entwicklung und schnellen Optimierung der Produzierbarkeit von Teilen und Formen, noch bevor Geld in den Stahlzuschnitt geflossen ist.

Formvollendet durch Roboter

Der Automatisierungstrend betrifft hauptsächlich Formhersteller, die immer preisgünstiger werdende Roboter in ihre Produktionslinien integrieren. Über viele Jahre waren Roboter große, spezialisierte Systeme, die teuer in der Anschaffung waren und Fachwissen für die Programmierung erforderten. Eine Art „Demokratisierung der Automatisierung“ hat inzwischen jedoch die Kosten vieler Roboter sinken lassen, sodass sie immer erschwinglicher werden. Auch die Programmierung wird einfacher – in vielen Fällen kann dies über ein Smartphone oder Tablet erfolgen. Ein weiterer großer Entwicklungsschritt sind so genannte „kollaborative Roboter“, die neben menschlichen Arbeitskräften sicher betrieben werden können und einfach zu programmieren sind.

Die Zuwächse bei Designsoftware und Robotertechnik werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Einer davon ist die Digitalisierung, die die Vernetzung von Maschinen und Daten innerhalb einer Fabrik fördert. Ein weiterer ist der zunehmende Einsatz moderner Materialien, die scheinbar widersprüchliche Eigenschaften zusammenführen, wie beispielsweise hohe Festigkeit und geringes Gewicht. Da das Potenzial dieser Materialien häufig nur mit unkonventionellen Designs ausgeschöpft werden kann, brauchen die Entwickler Software, mit der sie innovative Formen erstellen.

Design neu denken

Zu den Anbietern, die moderne Entwicklungs- und Produktionswege verfolgen, gehört auch Siemens, dessen Product Lifecycle Management (PLM)-Software NX eine Vielzahl von Funktionen und Programmen bietet. NX ist eine Plattform, auf der Entwickler sowie Form- und Werkzeughersteller mit integrierter Software für Anwendungen im Rahmen der Produktentwicklung aufsetzen können. Zu den Programmen gehören Entwicklungsmodule mit 3-D-Simulation, Software zur Berechnung von Verziehen, Schrumpfen und Verformung bei der Werkzeugentwicklung, Produktionssoftware für die Formentwicklung, Kalkulationstools, NC-Software für Maschinen, CAM-Software für die Produktion und Software für die Qualitätskontrolle.

Laut Siemens verkürzt die NX-Software die Entwicklungszeit um durchschnittlich 30 %. Die Softwareintegration ermöglicht den Anwendern den nahtlosen Übergang vom Konzept über die Designqualifizierung, Formentwicklung bis hin zur Maschinenproduktion. Insbesondere die Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen bei der Formherstellung können die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Formlieferanten verbessern.

Design- und Formsimulationen

Ein weiterer Anbieter von moderner Software ist Dassault Systèmes. Mit seinen 3-D-Simulationsprogrammen wie Catia, Material-Software wie Solidworks und Delmia, einem Digital-Twin-Programm für den Bau von Produktionslinien, bietet Dassault integrierte Lösungen, die die Produktentwicklungszeit deutlich reduzieren können. Solidworks ermöglicht Simulationen, in denen Teile getestet und optimiert werden können, bevor in Formen und Produktion investiert wird. Bei der Formentwicklung können die Entwickler zum Beispiel Kühlkanäle testen, Komponenten austarieren, das Fließverhalten in der Form überprüfen und die Teilequalität bewerten.

Catia bietet prozessorientierte 3-D-Simulationsprogramme wie den Plastic Mechanical Designer, der schnelle Iterationen von Designs ermöglicht, Merkmale wie Gitter, Rippen, Verstärkungen und Bossen kompensiert und zeigt, wie Modifikationen sich auf Füll- und Fließvorgänge und andere Arbeitsschritte auswirken. Eine andere Anwendung, Mold and Tooling Designer, ermöglicht das Experimentieren mit Einsätzen, Ausstoßern, Kühlsystemen, Trennlinien, Trennebenen und anderen Formmerkmalen.

Eine aktuelle Entwicklung, die möglicherweise auf der K 2016 gezeigt wird, ist Functional Generative Designer: Die Software ermöglicht die Optimierung des Kühlsystems einer Form, egal ob sie durch herkömmliche Bearbeitung oder durch generative Fertigungsverfahren (3-D-Druck) hergestellt wird, um die Teileproduktion und -eigenschaften zu verbessern.

Kollegiale Roboter

Die meisten Roboter am Markt sind schnell und liefern reproduzierbare und gleichmäßige Ergebnisse. Und sie arbeiten aus Sicherheitsgründen getrennt vom Bedienpersonal: Ein robuster Roboter, der sich schnell bewegen kann, ist nicht geeignet für die Arbeit neben Menschen. Es gibt heute aber einen deutlichen Trend in Richtung kollaborative Roboter – leichte Plattformen für die Montage, Beladung und Entnahme sowie Verpackung, die sicher mit Menschen interagieren. Etliche Unternehmen stellen solche Roboter bereits her. Zu ihnen gehört auch Rethink Robotics mit zwei Modellen, Baxter und Sawyer. Sie sind kostengünstig und leicht und werden programmiert, indem man ihnen Armbewegungen „beibringt“ und an einem Steuergerät die Eingabetaste drückt. Baxter verfügt über zwei Arme mit 7 Freiheitsgraden, Sawyer hat einen Arm mit 7 Freiheitsgraden. Beide können bis zu 4 kg heben.

Die Roboter können von Mitarbeitern einfach durch das Werk gerollt werden. Zu den Funktionen gehören Positionserkennung und automatische Einrichtung für Aufgaben; federgetriebene Aktuatoren zur Kraftregelung, Armsensoren, die den Federweg während der Bewegung messen und den Armmotor entsprechend anpassen, sowie Selbstprogrammierung. Sie haben zudem Sensoren, die erfassen, wenn ein Mitarbeiter ihnen zu nahe kommt – wenn das der Fall ist, wird der Roboterbetrieb gestoppt. Laut dem Unternehmen amortisieren sich die Roboter in der Regel binnen weniger Monate.

Fazit

Fortschritte bei Designsoftware und Robotertechnik sind nur ein kleiner Ausschnitt der aktuellen Aktivitäten in der Kunststoffindustrie. Ihre Wirkung und die Potenziale, die sie schaffen für Entwicklungen, sind jedoch erheblich. Diese Möglichkeiten, die auf der Messe K 2016  vom 19. bis 26. Oktober 2016 in Düsseldorf präsentiert werden, können der Grundstein sein für Produktivitätssteigerungen und Kosteneinsparungen, die in der Industrie auch zukünftig gefordert sein werden. (vo)