Hafenstandorte können von höherem Industrieeinsatz biobasierter Rohstoffe profitieren
04.05.2016 -
Rohstoffwandel, grüne Chemie, Bioökonomie – vielversprechende Aussichten. Studien bejubeln das Potential der biobasierten Wirtschaft. Die EU prognostiziert Billionenumsätze bei gleichzeitiger Nachhaltigkeit. Doch je inflationärer das Zeitalter der Bioökonomie in Wissenschaft Politik und Medien beschworen wird, desto enttäuschender die bisherige ökomische Relevanz. Stattdessen werden in Zeiten niedriger Ölpreise die Wirtschaftlichkeit, die Qualitätsstandards, sozial- und umweltethische Aspekte und die grundsätzliche Verfügbarkeit von Biomassen in Frage gestellt. Meldungen über investitionsintensive Projektpartnerschaften für biobasierte Produkte gibt es zwar, doch ein „Abheben“ des Marktes blieb bislang aus. Dennoch macht es Sinn in Vorleistung zu gehen um den notwendigen Rohstoffwandel zu beschleunigen.
Für Hafenstandorte könnten sich solche Vorleistungen besonders lohnen, denn sie werden zu den Gewinnern einer biobasierten Wirtschaft zählen. Zugegeben: Biomassen haben im Vergleich zu fossilen Rohstoffquellen eine geringere Energiedichte. Doch genau das ist eine Chance für diejenigen, die im Güterumschlag Ihr Geschäft machen. Es werden neue Bulkgüter zu bewegen sein. Nicht ohne Grund richtet sich Europas größter Seehafen strategisch als Gateway für die biobasierte Wirtschaft aus. Große Agrosupplier und Downstream-Verarbeiter aus dem Fuels- und Materials-Bereich sind bereits vor Ort. Rotterdam hat sich für den Rohstoffwandel positioniert. Das Geschäftsmodell: Palmöl aus Asien.
Chemie im Fluss
In Europa befinden sich die großen Chemiestandorte am Rhein. Die ehemals kohlebasierte Chemie vollzog dort den Wandel zur Petrochemie. Von der Bulkchemie in Rotterdam über Spezialitäten in Leverkusen und Ludwigshafen bis zu Pharma in Basel. Die Wertschöpfung scheint umso höher, je weiter das Schiff mit seinen Kapazitäts- und Umweltvorteilen den Rhein in Richtung Quelle fährt. Für den Wechsel zu biobasierten Wertschöpfungsketten wird eine leistungsfähige Wasserstraße sogar noch wichtiger werden, da das Transportaufkommen zunehmen wird. Ohne Zweifel könnte dies der Rhein leisten. Aber er wird Konkurrenz bekommen von schiffbaren Flusssystemen, die die neuen, pflanzenbasierten Rohstoffquellen besser erschließen. Zum Beispiel in den fruchtbaren Schwemmländern der europäischen Makroregion Donauraum mit ihren waldreichen Hinterländern. Dort werden zunehmend Öle, Stärke oder Zucker, Biomassen der ersten und zweiten Generation, in Konditionierungs- und Veredelungsprozessen für den Einsatz in der chemischen Industrie vorbereitet. Vom Anbau der Pflanze bis zur Synthese einer Plattformchemikalie kann die gesamte Wertschöpfung in Europa verbleiben und sich in ländliche Regionen mit Zugang zu leistungsfähigen Binnenhäfen verlagern.
Green Chemistry Port Straubing
Häfen, die sich als Bioökonomiestandorte profilieren wollen, müssen sich strategisch positionieren und in infrastrukturelle Vorleistung gehen. Für den Donauhafen Straubing hat sich das ausgezahlt. Mit Hilfe des Freistaates Bayern avanciert Straubing zu einer Musterregion der Nachwachsenden Rohstoffe. Die TU München hat im Verbund mit anderen Hochschulen dort neue Studiengänge etabliert und die Fraunhofer Gesellschaft mit dem Thema Biokatalyse eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung aufgebaut. Gleichzeitig siedeln sich im Hafen Straubing-Sand mit der US-amerikanischen ADM und der Schweizer Clariant Industrien der ersten und zweiten Generation Biofuel an. Eine Reihe namhafter Agrarhändler garantieren die zuverlässige Bereitstellung der Biomassen über Wasser, Schiene und Straße für weitere industrielle Ansiedlungen, die künftig die stoffliche Nutzung von Biomassen in den Blick nehmen.
Die Investitionsbereitschaft von Unternehmen für eine Kaskadennutzung von Biomassen wird zunehmen. Deshalb erbringt Straubing weitere infrastrukturelle Vorleistungen für seinen Green Chemistry Port. Neben dem bereits bestehenden Gründerzentrum werden derzeit weitere Laborflächen für Start-ups im Unternehmerzentrum für Nachwachsende Rohstoffe errichtet. Für biotechnologische Pilot- und Demoanlagen steht ein eigener BioCampus bereit, in dem der Freistaat eine offen zugängliche Biotechnologie-Mehrzweckdemoanlage fördert. Ebenfalls im Fokus steht das Thema Akzeptanz. Dabei kann der Hafen bereits auf einen gewinnbringenden Austausch mit Stakeholdern aus dem Umweltbereich und der Bevölkerung blicken, die als Konsumenten selbst Treiber des Rohstoffwandels sind.
Der aktuell niedrige Ölpreis wird wieder steigen. Aufgewachte Hafenstandorte können der biobasierten Wirtschaft dann einen Zugang zu neuen Rohstoffen und Märkten bieten und selbst profitieren. Eine klare Positionierung lohnt sich also – egal, ob Hochseetanker oder Binnenschiffe einlaufen.