Strategie & Management

Wasserrecycling als Wirtschaftsfaktor

Wassereffizienz ist in Chemieunternehmen ein Managementthema zur Erschließung neuer Wachstumsmärkte

25.04.2016 -

Die chemische Industrie expandiert in Schwellenländer wie China und Indien. Dabei produzieren Unternehmen vermehrt auch in Ländern und Regionen, in denen Wassermangel herrscht. Wasserrecycling kann helfen, Produktionsprozesse effizienter und ausfallsicherer zu machen. Die Membrantechnologie ist dabei ein zentrales Element und muss sorgfältig geplant und überwacht werden.

Dass Effizienz und Recycling auch eine politische Dimension haben, die sich auf die Verfügbarkeit der Produktion auswirkt, zeigt ein Beispiel aus Indien. Der Getränkehersteller Coca-Cola musste 2014 sein Werk im indischen Uttar Pradesh schließen, weil die Behörden die Produktionsstätte für die Verschärfung des dort herrschenden Wassermangels verantwortlich machten. Solche Fälle dürften sich in Zukunft häufen und damit auch die chemische Industrie betreffen. Prognosen zufolge wird 2030 der Wasserbedarf die verfügbaren Reserven um 40% übersteigen. Und wenn das Wasser knapp wird, haben die Menschen und damit die Kommunen und Landwirtschaft Vorrang. Lange Zeit stand vor allem der sparsame, effiziente Einsatz im Mittelpunkt des Wassermanagements. Hier sind entsprechende Einsparpotenziale bei Weitem auch noch nicht ausgeschöpft. Zunehmend wird aber auch Wasserrecycling als vielversprechende Lösung erkannt.

Vorreiter Singapur

Viele Länder, die bereits heute von Wasserknappheit betroffen sind, treiben Wasserrecycling in verschiedenen Projekten voran. Dazu gehören etwa Australien, einige wasserarme Bundesstaaten in den USA – und auch Singapur. Für die Sicherstellung seiner Wasserversorgung ist der Stadtstaat auf den Nachbarn Malaysia angewiesen, von dem es einen Großteil seines Frischwassers importiert. Denn die nationalen Reserven reichen aufgrund der hohen Bevölkerungs- und Industriedichte nicht aus.

Seit gut 50 Jahren arbeitet Singapur daran, versorgungstechnisch unabhängig zu werden. Eine entscheidende Rolle dabei spielt im Rahmen der NEWater-Initiative auch das Wasserrecycling. Bereits heute deckt wiederaufbereitetes Wasser 30% des nationalen Bedarfs. Bis 2060 sollen es 55% werden. Dazu hat die Regierung gesetzliche Regelungen erlassen, die zur Verwendung von recyceltem Wasser verpflichten. Genutzt wird es hauptsächlich im industriellen Sektor.

Vorgaben sind die Ausnahme

In der Regel spiegeln die Wassertarife noch nicht wider, wie wichtig Wasser als eine erschöpfliche Ressource ist. Aus diesem Grund sehen Chemieunternehmen vielerorts keinen akuten Handlungsbedarf. Dabei kann es schon heute wirtschaftlich sinnvoll sein, Wasser nach seiner Erstverwendung in Produktionsprozessen aufzubereiten und wieder nutzbar zu machen, statt es als Abwasser zu entsorgen. Die nötigen Investitionen in eine solche Recyclinginfrastruktur betragen je nach Fall einige hunderttausend Euro – ein vergleichsweise geringer Betrag, wenn man bedenkt, dass die Kosten für einen Produktionsausfall sich schnell auf ähnliche Summen pro Tag belaufen können.

Aufgrund des dynamischen technologischen Fortschritts lässt sich Wasserrecycling immer kostengünstiger und auf immer höherem Qualitätsniveau umsetzen. Möglich macht das immer leistungsfähigere Membrantechnologie, die bspw. zur Abwasserbehandlung als Ultrafiltration und Umkehrosmose eingesetzt wird. Hierin liegt allerdings auch eine der Herausforderungen des Wasserrecyclings. Denn die Membrane und ihr Zustand sind ein zentraler Dreh- und Angelpunkt für den reibungslosen und effizienten Betrieb der Aufbereitungsprozesse.

Auf die Membrane kommt es an

Häufig ist der Membranzustand nicht zuverlässig dokumentiert, da er sich nur indirekt messen lässt und nicht im Betrieb begutachtet werden kann. Die TÜV Süd-Experten machen daher häufig die Erfahrung: Anlagenbetreiber stehen vor dem Problem, dass Qualität und Quantität des Permeats, also des gefilterten Wassers, hinter den Erwartungen zurück bleiben. Energie- und Chemikalieneinsatz werden dann erhöht, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, sodass die Betriebskosten höher sind, als ursprünglich angenommen. Zum Teil müssen auch Komponenten häufiger als geplant ausgetauscht werden.

Eine eingehende Analyse der Anlage zeigt in vielen Fällen, dass z.B. organische Ablagerungen, das sogenannte Biofouling, die Leistungsfähigkeit der Membranen herabsetzen. Es gibt verschiedene Anpassungsmöglichkeiten, um die Leistung der Anlage aufrecht zu erhalten bzw. zu optimieren. Das kann die Konfiguration der Komponenten betreffen, die Betriebs- und Wartungsabläufe oder die Vorbehandlungsschritte. Im Ergebnis wird das Biofouling reduziert, die Betriebskosten gesenkt und die Lebensdauer der Membrane erhöht.

Standards für Transparenz und Effizienz

Der Markt für Membrane ist sehr unübersichtlich. Es fehlt an etablierten Standards, die die verfügbaren Produkte vergleichbar machen. Das erschwert Planung, Betrieb und Wartung der Anlagen. TÜV Süd setzt sich daher für die Standardisierung von Membrantechnologien ein. Die Experten haben ein eigenes Zertifikat für Membrane entwickelt. Dazu wurden verschiedene Komponenten von Standards betreffend Qualität, Material, Robustheit und Performance zusammengeführt, analysiert und Vergleichskriterien entwickelt.

In standardisierten Testprotokollen wird etwa geprüft, wie leistungsfähig die verschiedenen Produkte sind, welche Beständigkeit sie gegenüber Druck oder Chemikalien aufweisen oder wie anfällig sie für mikrobielles Wachstum sind, das Biofouling begünstigt. So können Betreiber verfügbare Technologien vergleichen und diejenigen auswählen, die für die jeweiligen Bedingungen die optimalen Attribute aufweisen. Die Erfahrung mit dem Verhalten der Membrane in unterschiedlichen Umgebungen ermöglicht es aber auch, Betriebs- und Wartungsabläufe in den Anlagen zu optimieren und sie möglichst effizient und robust zu gestalten.

Fazit

Wenn die chemische Industrie neue Wachstumsmärkte erschließen will, werden Wassereffizienz und -recycling immer häufiger ein Thema für das Management. Membrane stellen hier eine Kernkomponente dar. Um einen robusten, effizienten, kostengünstigen und störungsfreien Einsatz zu garantieren, bedarf es einer sorgfältigen Abstimmung der Membrane mit dem Prozess. Das beginnt bei der Konzeption und Planung, beim Design und der Implementierung bis hin zum Betrieb und zur Entsorgung. Einheitliche Standards bei der Qualität und der Leistungsfähigkeit – und eine entsprechende Zertifizierung – ermöglichen erst eine Vergleichbarkeit, die zur Auswahl der kosteneffizientesten Membrane erforderlich ist. Sie spielen somit eine wichtige Rolle.