Chancen und Herausforderungen für Biosimilars
Biosimilars sind die neuen Generika, doch der Erfolg dieser Arzneimittelklasse ist nicht garantiert
Biosimilars sind für die Pharma- und Gesundheitsbranche eine noch junge, potenziell aber umsatzträchtige Disziplin. Die Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika entwickeln sich zunehmend zu einer preiswerten Alternative zu den Originalen, die vielfach zu den teuersten Medikamenten überhaupt zählen. Doch der Weg zum Markt ist für Biosimilars mit einigen Hürden ausgestattet.
Nun haben auch die USA ihr erstes offizielles Biosimilar. Nachdem Zarxio, eine Arznei zur Behandlung von Krebspatienten, im März dieses Jahres von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen worden war, ist das Nachfolgemedikament von Amgens Neupogen (Filstagram) seit September 2015 nun auf dem US-Markt verfügbar. Die USA, sonst vielfach Vorreiter bei der Einführung medizinischer Innovationen, starten damit zehn Jahre nach den Europäern, Australien und Indien in das Biosimilar-Zeitalter. Gleichzeitig öffnen sie damit für die Branche ein neues Kapitel.
Biosimilars sind weit mehr als die bislang bekannten Generika. Dabei handelt es sich um komplexe Nachfolgeprodukte von Biopharmazeutika, deren Patente abgelaufen sind. Seit ihrer Einführung in den 1980er Jahren haben Biopharmazeutika die Behandlung schwerer Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Rheuma oder Multiple Sklerose revolutioniert. Als Ausgangsmaterial dienen dabei lebende Organismen wie Pflanzen, Tierzellen, Bakterien, Viren oder Hefe, welche in der Regel gentechnologisch verändert werden. Die Produktion selbst ist ein komplexer Prozess, der ständig überwacht werden muss. Das Ergebnis sind Wirkstoffe, die oft aus mehreren Tausend Atomen bestehen.
Hochdynamische Medikamentenklasse
Biopharmazeutika stehen für eine hochdynamische Branche. Sie wachsen rund doppelt so schnell wie der globale Pharmamarkt. Gemessen am Umsatz sind weltweit acht der Top-Ten Arzneimittel dem biopharmazeutischen Bereich zuzuordnen. Der globale Marktanteil der Biopharmazeutika kletterte nach Erhebungen der Statistiker von IMS Health von 11 % im Jahr 2002 auf 18 % in 2012. Bis 2017 soll dieser Wert weiter auf 20 % zulegen.
Gleichzeitig fallen mehr und mehr Biopharmazeutika aus dem Patentschutz. Alleine bis 2020 werden zwölf der umsatzstärksten Biopharmazeutika und damit der bestverkauften Arzneimittel überhaupt ihre Exklusivität in den USA und Europa verlieren, hat das Gesundheitsportal Monitor Versorgungsforschung errechnet. Das Analystenhaus Citi Research prognostiziert, dass die Hersteller von biopharmazeutischen Originalpräparaten zwischen 2015 und 2025 mehr als 360 Milliarden Dollar Umsatz einbüßen und Erlöse im Volumen von mehr als 110 Milliarden Dollar auf Biosimilars übergehen werden.
Große Deals, kleine Firmen
Ausgehend von weltweiten Umsätzen in Höhe von 1,3 Mrd. US-Dollar im Jahr 2013 beherbergt die Biosimilarbranche also eine hohe Wachstumsdynamik. Kein Wunder, dass Big Pharma seine Fühler längst in Richtung Biosimilars ausgestreckt hat. So hat Pfizer im September 2015 die 17-Milliarden-Dollar-Übernahme von Hospira abgeschlossen, einem der führenden Biosimilar-Unternehmen. Hexal, die Generikasparte von Novartis, hat sich bereits eine starke Position im Biosimilarbusiness aufgebaut. Daneben versuchen sich einige auf Biosimilars spezialisierte Unternehmen einen Teil des lukrativen Kuchens zu sichern wie Pfenex, Epirus, Coherus oder die Münchener Firma Formycon. Das Unternehmen fokussiert sich auf Biosimilars, die nach 2020 auf den Markt kommen. Aktuell hat die Firma drei Biosimilarkandidaten in der Entwicklung, von denen zwei bereits auslizenziert sind. Ein Biosimilar-Projekt von Formycon steht zudem unmittelbar vor dem Eintritt in die Phase III.
Entwicklungsfaktoren für Biosimilars
Ein Wachstumstreiber für Biosimilars ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung und der damit verbundene Bedarf nach besseren medizinischen Leistungen. Ein weiterer Faktor sind Kosteneffekte. Wegen der komplizierten Herstellung sind die oft hochwirksamen Biopharmazeutika 20- bis 50-mal so teuer wie chemisch produzierte Medikamente. Die Therapien können bis zu 200.000 Dollar pro Patient und Jahr kosten. AbbVie´s Rheumamittel Humira zählt bspw. mit einem Packungspreis von über 5200 Euro zu den teuersten Arzneien überhaupt.
Biosimilars bieten dagegen ein erhebliches Kostensenkungspotenzial. „Der kommerzielle Erfolg der Biosimilars ist ein wichtiges und notwendiges Sicherheitsventil, damit die amerikanischen und europäischen Gesundheitssysteme weiterhin teure Therapien wie gegen Krebs oder Immunerkrankungen erstatten können”, so Citi Research.
Aufwändige Zulassung
Doch der Erfolg der Biosimilars ist kein Selbstläufer. Wie für die Originalprodukte ist auch die Entwicklung, Produktion und Zulassung von Biosimilars deutlich aufwändiger und zeitintensiver als bei herkömmlichen Generika mit ihren kleinmolekularen Strukturen. Aufgrund der Variabilität der Biosimilar-Moleküle ist eine genaue Reproduktion kaum möglich – eine Herausforderung, mit der übrigens auch die Hersteller der Originalpräparate zu kämpfen haben.
So verlangen die nationalen Zulassungsbehörden als Kernkriterium stets den klinischen Nachweis der Ähnlichkeit des Biosimilars zum Referenzprodukt. Darüber hinaus plädiert der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) für ausführliche vergleichende Daten zur Qualität der Biosimilars. Zudem sollte die Therapiefreiheit des Arztes gewahrt bleiben und ein Therapiewechsel nur auf Basis medizinisch-basierter Überlegungen und unter Einbeziehung des Patienten stattfinden.
Während für die Zulassung von Biosimilars in den USA erst jüngst eine gesetzliche Grundlage ausgearbeitet wurde, besteht diese in Europa bereits seit 2005. Folglich liegt Europa mit bisher 19 zugelassenen Biosimilar-Produkten gegenüber lediglich einer Zulassung in den USA deutlich vorne. Doch dieses Bild scheint sich gerade zu ändern. “Aus unserer Sicht unterschätzt der Markt die Bereitschaft der FDA, wettbewerbsfähige Biosimilars auf Basis der Kriterien Extrapolation und Austauschbarkeit zuzulassen“, schreibt Citi Resarch.
Herausforderung „Austauschbarkeit“
Insbesondere der Begriff „Austauschbarkeit“ (Englisch: Interchangeability) könnte eine große Herausforderung werden. Als der „Affordable Care Act“ für die US-Zulassungsbehörde FDA einen Weg öffnete, Arzneien zu genehmigen, die Biopharmazeutika ähnlich sind, schuf die Behörde zwei Varianten: Produkte, die biosimilar sind – „weitgehend ähnlich zum Originalprodukt ... mit keinen klinisch relevanten Unterschieden“ – und solchen, die „austauschbar“ sind und damit einen noch höheren Standard erfüllen würden.
Das Problem: Bislang hat noch keine Arznei die Standards für Austauschbarkeit erreicht. Hans Ebbers, Biosimilarexperte der niederländischen Universität Utrecht, fragte, ob die Herausforderung „Austauschbarkeit“ gar eine unüberwindliche Hürde sei. Die Idee, dass ein austauschbares Biosimilar bei jedem Patienten gleich wirken müsse mache die Realisierung der Austauschbarkeit so schwierig. Ebbers: „Studien können nur die Vergleichbarkeit an einer bestimmten definierten Patientengruppe untersuchen, nicht aber an jedem einzelnen Patienten.“
Wie reagieren die Ärzte?
Bleibt die Frage, wie Ärzte und Patienten auf die Biosimilars reagieren. Die Ärzte-Plattform QuantiaMD befragte 300 Mediziner um herauszufinden, wieviel die Gesundheitsspezialisten über neue Arzneimittel wissen. 78 % sagten, sie seien vertraut mit dem Begriff „Biosimilar“, während nur 38 % den Namen eines solchen neuen Produktes aus ihrem jeweiligen Fachgebiet benennen konnten, berichtet das US-Magazin Medical Marketing & Media .
Darüber hinaus sagten nur 17 % der Ärzte, dass sie „sehr wahrscheinlich“ Biopharmazeutika und damit in der Zukunft auch Biosimilars verschreiben würden.
Das könnte für die Biosimilar-Hersteller zum Problem werden. Ob Biosimilars in der Breite angenommen werden hängt nämlich stark vom Verschreibungsverhalten der Ärzte ab. Offenbar müssen die Unternehmen hier noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten.
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SchüllerConsulting