Agile Chemiestandortorganisation mit Fokus Service, Effizienz und Sicherheit
Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop
Die Grundstimmung rund um die deutschen Chemiestandorte ist extrem positiv – die ACHEMA schließt mit hervorragender Stimmung, in der Presse ist die Chemieindustrie die Industrie, welche langfristig die höchsten Löhne und Gehälter zahlen wird und strategisch hat die Prognos-Studie überwiegend positive Entwicklungstendenzen und große Chancen publiziert. Dies ist aus der Perspektive von Mitarbeitern und Führungskräften eine stabilsierende Situation und sollte sich damit auf die Erhöhung der Produktivität auswirken. Diese positive Zeit ist von den Chemiestandorten zu nutzen, um ohne Druck die Kernthemen Serviceorientierung, Effizienzsteigerung und Sicherheitsmanagement auf ein exzellentes Niveau zu heben.
Dazu ist die Etablierung von standardisierten Prozessen und Werkzeugen notwendig. Zur Verankerung von Serviceorientierung ist die Einführung von digitalen Kundenserviceprozessen in der operativen Abwicklung von Angeboten und Aufträgen als auch zur langfristigen Betreuung der Kundenorganisationen und darin beschäftigten Ansprechpartner notwendig. Auch die weitere, kunden- und serviceorientierte Digitalisierung von Serviceprozessen wie beispielsweise Instandhaltungsabrufe, Musterabwicklung oder Laborlagerbevorratung stehen im Fokus der Serviceorientierung. In der Steigerung der Effizienz geht es um die nachhaltige Einführung von Optimierungswerkzeugen wie Lean Six Sigma, 5S oder OEE-Kennzahlen. Im Sicherheitsmanagement ist die richtige Abwägung von Kundenorientierung zu Sicherheitsansprüchen zu suchen. In der Prozesssicherheit ist das immer währende Bewusstmachen von potenziellen Risiken für den Menschen das vorrangige Ziel. Im Thema Standortsicherheit spielen dann auch die Ansprüche der Kunden eine große Rolle, wie z. B. bei der Optimierung von Standort-Durchlaufzeiten für Mensch und Transportträger.
In diesen drei Themen Serviceorientierung, Effizienzsteigerung und Sicherheitsmanagement vereint sich eine übergreifende Herausforderung – die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen von Chemiestandort-Mitarbeitern und –Führungskräften. Diese Verhaltensweisen müssen sich im täglichen Geschäft in jedem einzelnen Prozessschritt wiederfinden. Dazu bedarf es einer Transformation zu einem service-, effizienz- und sicherheitsorientierten Chemiestandort. Diese notwendigen, tiefergehenden Veränderungsvorhaben ist an den Chemiestandorten eine echte Herausforderung.
Wird hierzu die Perspektive eines Veränderungsmanagers auf die derzeitige positive Grundstimmung eingenommen, entsteht eine echte Problematik. Äußerer Veränderungsdruck ist ein Garant für höhere Veränderungsgeschwindigkeit. Dieser Garant fehlt. Also muss der Impuls von Innen entstehen. Dazu sind intelligente, übergreifende Veränderungssignale notwendig, wie beispielsweise der Startschuss zur Weiterentwicklung des Chemiestandortes zu einer Agilen Chemiestandortorganisation unter Einbezug der beteiligten Stakeholder Standortkunden, Standorteigentümer, Standortmanager, Standortbetreiber und –Dienstleister. Aus der Sicht des Veränderungsmanagers ist die derzeitige positive Stimmung als eher kontraproduktiv. Bemüht werden muss dann das weltweite Chemiestandort-Bild mit den Gefahren der Abwanderung von Produktionen aus Europa und hoch-attraktiven Chemiestandorten in alten und neuen Wettbewerbsländern wie USA, China, Indien etc. Die Entwicklung hin zur agilen Chemiestandortorganisation in Deutschland mit dem Fokus Serivce, Effizienz und Sicherheit ist keine Option, sondern eine Aufgabe, die Perspektiven der Mitarbeiter, Führungskräfte und der Veränderungsmanager auf diese Transformation zu fokussieren.