Anlagenbau & Prozesstechnik

Umgang mit „Out of Specification“ Prüfergebnissen in der Parenteralia-Herstellung

27.04.2015 -

Die sterile Produktion in der Apotheke unterliegt seit Einführung der neuen Apothekenbetriebsordnung strengeren Auflagen. Die letzten Jahre waren für die Apotheken damit eine große Herausforderung, mussten sie doch ihre Voraussetzungen hinsichtlich baulichem Zustand, Arbeits- und Produktionsprozessen, Hygieneabläufen und -produkten und der Personaleinweisung/-schulung anpassen. Es waren die Apotheken im Vorteil, die sich in diesem Prozess fachlich kompetent beraten ließen, mit den Behörden gut zusammengearbeitet haben und verlässliche Prozesse mit ihren Mitarbeitern etablierten.

Ein entscheidender Faktor in der Qualität der sterilen Produktion in der Apotheke ist die umfangreiche und vollständige Fehleranalyse. Hier­von hängen sowohl Patienten- als auch Mitarbeitersicherheit ab. Eine kontinuierliche Überwachung und Analyse aller notwendigen Parameter und Abweichungen hilft zudem bei der Optimierung der Arbeitsabläufe. In dem folgenden Beitrag beschreibt die Bahnhof Apotheke Gröbenzell, ein Kunde von basan, ein beispielhaftes Vorgehen im Umgang mit Prüfresultaten, die außerhalb von festgelegten Spezifikationen oder Akzeptanzkriterien liegen und schildert daraus resultierende Verbesserungsvorschläge.
Da es sich bei den Zubereitungen um Rezepturarzneimittel auf individuelle ärztliche An­forderung handelt, kann weder eine Analytik der einzelnen Infusionen noch eine Sterilisation im Endbehältnis durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass die Qualität des fertigen Produktes durch einen validierten Herstellprozess gesichert sein muss. (Abb.1)
Um einen optimalen Produktschutz (Gewährleistung der Qualität des Produkts) und Personenschutz (Schutz des Personals und der Arbeitsumgebung) zu gewährleisten werden alle relevanten Faktoren möglichst lückenlos getestet und überwacht:
Eine kontinuierliche Messung und Aufzeichnung über ein Messtechnikprogramm erfolgt für die Parameter:

  • Temperatur: Lager, Reinräume, Kühlschränke, Kühlzellen
  • Drücke in den Reinräumen
  • kontinuierliche Partikelmessung in den LAFs
  • Luftfeuchtigkeit

Das mikrobiologische Monitoring umfasst:

  • 2 x wöchentliche Abklatschtests (Heipha Caso Abklatschagar) in A und B
  • 1 x wöchentlich Abklatschtests in C und D
  • Abklatschtests der Handschuhe der Hersteller in jeder Schicht
  • 1 x wöchentlich Luftkeimsammler (RCS von Biotest Hycon)
  • regelmäßige Probenentnahme aus der Herstellung zur Bebrütung in allen Bereichen (TPN Rückstellmuster, Antibiosen, Analgetika, Chemoinfusionen, Anbrüche)
  • Erstvalidierung, Revalidierungen im Halbjährlichen Rhythmus und kontinuierliche Validierung aller Mitarbeiter und des TPN Compounders in jeder Schicht

OOS Dokumentation
Laut Definition sind Out of Specification (OOS) Ergebnisse ermittelte Resultate bei Prüfungen jeglicher Art, die nicht in den vorher festgelegten Grenzen liegen. Diese erfordern eine sofortige Bewertung und Aktion der Qualitätskontrollabteilung. Das Vorgehen bei OOS ist im SOP System geregelt.

Fehler bei der Herstellung
Ergeben sich bei der Endkontrolle der fertigen Zubereitungen Abweichungen von der Anforderung des Arztes, der jeweiligen Prüfvorschrift, Wirkstoff-Kurzmonographie oder sonstige Auffälligkeiten, so werden der Leiter der Herstellung und der Leiter der Qualitätskontrolle informiert. Diese entscheiden über das weitere Vorgehen. Bis zur weiteren Klärung des Vorfalls werden die betreffenden Produkte in Quarantäne genommen. Nach der Prüfung, ob das Prüfergebnis einen negativen Einfluss auf die Qualität der Zubereitung hat, werden gegebenenfalls weitere Maßnahmen eingeleitet. Unter Umständen muss das betreffende Produkt verworfen werden. Falls es ich um einen systematischen Fehler handelt, sollte der Arbeitsprozess überdacht werden und die betroffenen Mitarbeiter geschult werden.
Die Dokumentation der OOS Ereignisse erfolgt in einer Excel Tabelle, die statistisch ausgewertet werden kann. In dieser Fehlerstatistik werden auf verschiedenen Arbeitsblättern die möglichen Fehlerquellen auf jeder Stufe des Herstellprozesses erfasst. So auch Fehler bei der Erstellung der Chemopläne durch den bestellenden Arzt und Fehleingaben unserer Mitarbeiter in die Herstellsoftware.

Abweichungen beim Umgebungsmonitoring
OOS Ergebnisse bei den kontinuierlich überwachten Raumparametern Partikelbelastung in A, Temperatur und Differenzdruck werden mit der bereitgestellten Software von MT Messtechnik bzw. Biotest für Partikelbelastung in B-D ­dokumentiert. (Abb. 2)
Bei kritischen Parametern wie Partikelalarm in A oder Druckabfall im Labor muss ein sofortiger Stopp der Produktion eingeleitet und die betroffenen Produkte bis zur Klärung in Quarantäne genommen werden.
OOS Ergebnisse der Mikrobiologie bei Raumparametern oder Mitarbeitervalidierungen werden auf einem OOS Berichtsbogen (Abb. 3) erfasst.
Bei Überschreitung der Keimanzahl im Umgebungsmonitoring muss so zeitnah wie möglich eine gründliche Reinigung des betreffenden Raumes oder Werkbank erfolgen. Falls ein Bereich öfters eine Abweichung zeigt, sollte über ein Wechsel des Reinigungsmittel und/oder eine Erhöhung der Reinigungsfrequenz nachgedacht werden. Im Umkehrschluss ist es aber auch möglich, bei stetig guten Werten die Reinigungsfrequenz probeweise zu erniedrigen, um so Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Bei einer keimpositiven Bebrütung einer Validierung oder eines Handschuh Abklatschtest eines Mitarbeiter, wird die betreffende Person als Hersteller bis zur nächsten erfolgreichen Revalidierung gesperrt.

Praxisbeispiele: Verbesserung ­der Arbeitsabläufe
Damit ein guter Informationsfluss unter den Mitarbeitern der verschiedenen Abteilungen aufrecht erhalten werden kann, wurden tägliche Frühbesprechungen eingeführt. So können kurzfristige Neuerungen zeitnah umgesetzt werden. Eine Bündelung aller zu erledigenden Aufgaben über einen Tagesverantwortlichen verschafft einen besseren Überblick. Um Fehler bei der Fertigarzneimittellagerung zu minimieren, wurden folgende Prozesse implementiert: Im Lager erfolgt eine umfangreiche Überprüfung aller eingetroffenen Medikamente. Eine Kennzeichnung mit einem „Kühl lagern" Aufkleber soll im Reinraum helfen Fehllagerungen zu vermeiden. Zudem signiert nach jeder Schicht ein Verantwortlicher auf einer Unterschriftenliste, dass die gesamte eingeschleuste Ware ordnungsgemäß verräumt wurde. Ein Stempel mit dem Vermerk „Laufzeit mindestens 12 Monate" auf den Bestellformularen schützt vor der Anlieferung von Verfallsware durch die Firmen.
Fehler bei der Herstellung können bei der Verwendung von falscher Trägerlösung, falscher Menge oder gar falschem Wirkstoff entstehen und müssen zum Patientenschutz unbedingt vermieden werden. Der Großteil an Fehlern entsteht bereits beim Übertrag der gefaxten Chemopläne in die Herstellsoftware. Diese Fehlerquelle könnte durch die direkte Eingabe der Therapie in die Herstellsoftware der Apotheke durch den bestellenden Arzt vermieden werden. Die Erfahrungen hierbei bei der Versorgung einer Klinik sind durchweg positiv. Daher wird diese Vorgehensweise auch für unsere ambulanten Praxen angestrebt. Eine ausführliche Plausibilitätskontrolle erfolgt bei beiden Varianten ausführlich gemäß Apothekenbetriebsordnung. Da die Etiketten vor dem Einschleusen in die Reinräume durch eine zweite Person kontrolliert werden, können ca. 99 % aller Fehler bereits im Vorfeld eliminiert werden.
Fehler bei der Herstellung selbst können durch die Einhaltung eines strengen Vier-Augen-Prinzips vermieden werden. Eine vorausschauende Personalplanung zur Sicherstellung der dafür benötigten Mitarbeiterzahl ist unabdingbar. So stellt jeder Hersteller an einer Bank mit einem eigenen Zureicher her. Um Unsicherheiten bei der Herstellung zu vermeiden, existieren für jeden Wirkstoff einlaminierte Kurzmonographien im Labor. Die fertigen Infusionen werden von einer weiteren Person eingeschweißt, so dass der Zureicher konzentriert dem Herstellprozess folgen kann. Auch in der Endkontrolle war eine Personalumstrukturierung unverzichtbar. Für die unterschiedlichen Abteilungen des Sterillabors sind jeweils speziell geschulte Mitarbeiter zuständig.
Einmal jährlich durchgeführte Wischproben auf Zytostatika-Rückstände zeigen auf, ob es Schwachstellen in dem Umgang mit Zytostatika gibt und an welcher Stelle eventuell nachgebessert werden muss.
Um einen reibungslosen Ablauf auch bei größeren und längeren Stromausfällen zu garantieren, wurde ein Notstromaggregat angeschlossen. Dieses kann die Stromversorgung bei kaum eingeschränktem Betrieb für ca. acht Stunden sichern.

Hygiene
Die Fehleranalyse der OOS-Ergebnisse aller mikrobiologischen Parameter hat für viele Verbesserungen bei den einzelnen Prozessen geführt:

  • Max. 5 Personen gleichzeitig in den Umkleide­kabinen
  • Zusammenbinden von langen Haare bereits vor dem Umkleiden
  • Pflicht zum Tragen von Kopfhauben bereits beim Einschleusen der Ware
  • Regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter zum Ankleideprozess (Reihenfolge, Oberteil in Hose stecken etc.) sowie die Einführung von partikelarmen EinmalsöckchenEin weiteres Problem ist die Partikelentstehung und Sporenbildung in den Reinraumlaboren durch die Verwendung von Papier:
    Wechsel von Papieretiketten zur Kennzeichnung der Infusionen zu wischdesinfizier­baren Etiketten
    Verwendung von Mehrfachpackungen, in denen nicht jeder Spike oder jede Leitung einzeln mit Papier verpackt ist

Lösungen zum Erhalt der Qualität trotz steigender Herstellzahlen:

  • Ausdehnung der kontinuierlichen Validierungen auf jede Schicht
  • Zur besseren Nachverfolgung bei positiven Proben klatscht auch der Zureicher
  • Einsendung von Proben in ein spezielles ­Labor zur Identifizierung der Quelle der möglichen Kontamination
  • Arbeiten mit sterilen Unter- und Oberhandschuhen unter der Bank und als Zureicher
  • Wechsel der Oberhandschuhe alle 20 Minuten, ein Komplettwechsel (inkl. steriles Arbeitsdeckchen) alle 40 Minuten

 

Schwachstellen beim Abklatschen:

  • Wechsel des Lieferanten bei schlechten Werten beim Abklatschen der Einschweißfolien
  • Austausch von Plastiktrichter zu besser ­reinigbaren Edelstahltrichtern
  • Aufnahme von kritischen auffälligen Werten in Putzlisten, die jeden Monat abgearbeitet werden
  • Kontinuierlicher Wechsel zwischen alkoholischen, oberflächenaktiven und sporoziden Desinfektionsmittel zur Vermeidung von Resistenzbildung und Ermöglichung einer breiten Wirksamkeit gegenüber den verschiedenen Keimarten

Zur besseren Übersicht werden die Ergebnisse der mikrobiologischen Auswertungen in ein Balkendiagramm übertragen. So lässt sich auf einen Blick ein Trend erkennen, der Maßnahmen erforderlich macht oder - bei gleichbleibend guten Werten auch zu einer Reduzierung der Reinigungs- oder Messfrequenz führen kann.

Fazit
Ein funktionierendes Fehlermanagement eingebettet in ein detailliertes Qualitätsmanagement-System ist Voraussetzung für eine hochwertige Dienstleistung im Gesundheitssektor, da bereits kleinste Abweichungen oder Fehler folgenschwere Auswirkungen für den Patienten, aber auch für den Hersteller haben können. Das Qualitätsmanagement-System umfasst alle Bereiche, die für die Qualität des Produktes mitbestimmend sind. Nicht nur die Endkontrolle steht im Vordergrund, sondern die stetige Qualitätskontrolle in allen Bereichen der Produktentstehung. Es entsteht dadurch eine Kette verschiedener qualitätsrelevanter Teilbereiche: Beschaffung - Lagerung - Produktionsvorbereitung - Produktion - Endkontrolle - Versand - Entsorgung. Entscheidend ist, dass die gestellten Anforderungen an das Produkt erfüllt werden. Dabei müssen sowohl die objektiv messbaren Eigenschaften und Vorgaben des Herstellers als auch die subjektiven Erwartungen der Kunden erfüllt werden. Damit dieses Qualitätsmanagement-System (QMS) mit Leben erfüllt werden kann, bedarf es der Mitarbeit aller.