Sanofi – Arbeitgeber mit Potenzial
Der französische Pharmakonzern investiert in die Insulinproduktion in Frankfurt-Höchst / großer Bedarf an Pharma- und Chemikant
Mehr als 110.000 Mitarbeiter beschäftigt der Pharmakonzern Sanofi weltweit im Dienst der Gesundheit. Deutschland ist, nach den USA und Frankreich, der wichtigste Standort des Unternehmens. Hier sind rund 9.000 Mitarbeiter in Vertrieb, Verwaltung, Produktion und Fertigung sowie Forschung und Entwicklung tätig. Während das Unternehmen 2011/12 noch 330 Arbeitsplätze vor allem in der Forschung am Standort Frankfurt-Höchst abbaute, entstehen dort gerade in der Fertigung mehrere Hundert neue Stellen. Dr. Andrea Gruß sprach mit Dr. Emmanuel Siregar, Arbeitsdirektor und Geschäftsführer Personal bei Sanofi in Deutschland, über die Personalstrategie des Unternehmens.
CHEManager: Sanofi und andere Pharmaunternehmen haben in den vergangenen Jahren wiederholt Schlagzeilen aufgrund eines Stellenabbaus, selten auch wegen eines Stellenaufbaus, gemacht. Wie sicher ist ein Arbeitsplatz in der Pharmaindustrie?
Dr. E. Siregar: Die Pharmabranche unterliegt seit Jahren einem ständigen Wandel. Gründe dafür sind zum einen verschärfte Regularien in der Gesundheitspolitik, wie zum Beispiel das Preismoratorium für Arzneimittel, die Herstellerrabatte für gesetzliche Krankenkassen oder die innovationsfeindliche Umsetzung der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel. Darauf musste die Branche reagieren. Hinzu kommen unternehmensspezifische Faktoren, wie anstehende Patentabläufe oder die Zahl der Wirkstoffe in der Produktpipeline. All das wirkt sich auf die Beschäftigtenzahlen aus.
Im Mai läuft das Patent für Lantus aus. Dieses Insulin wird in Frankfurt produziert und trägt mit über 6 Mrd. EUR fast ein Sechstel zum Konzernumsatz bei. Dennoch plant Sanofi gerade in Frankfurt-Höchst einen massiven Stellenaufbau. Demnach ist Ihre Pipeline gut gefüllt?
Dr. E. Siregar: Ja, die Produktpipeline von Sanofi ist sehr gut gefüllt. Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden sechs Jahren weltweit 18 neue Produkte auf den Markt bringen. Ende Februar haben wir die Zulassung in den USA für unser neues Insulin Toujeo erhalten, das dort im April auf den Markt kommen wird. Es wird hier in Frankfurt produziert und gefertigt. Wir bauen bereits seit Mitte 2014 zusätzliche Kapazitäten für die Produktion von Toujeo auf, denn wir erwarten keinen dramatischen Rückgang bei Lantus. Es wird dauern bis sich Biosimilars am Markt durchsetzen.
Wie viele und welche Fachkräfte wollen Sie einstellen?
Dr. E. Siregar: Wir haben bereits 350 Mitarbeiter eingestellt und der Bedarf ist noch längst nicht gedeckt! Wir suchen vor allem gewerbliche Mitarbeiter für die Fertigung, insbesondere Chemikanten und Pharmakanten, aber auch Handwerker, Techniker, Elektriker und Mechatroniker. Darüber hinaus benötigen wir Ingenieure, Apotheker und Naturwissenschaftler, zum Beispiel für die Qualitätssicherung. Denn die die Anforderungen an die Fertigung von sterilen Arzneimitteln sind enorm und wir wollen und müssen ihnen nicht nur wegen der Behörden jederzeit gerecht werden.
Mehrere Hundert Fachkräfte in diesen Berufsgruppen, das klingt nach keiner leichten Aufgabe...
Dr. E. Siregar: In der Tat. Der Arbeitsmarkt in diesem Bereich ist bundesweit ziemlich leergefegt. Deshalb suchen wir auch international, in Frankreich, Portugal oder Spanien sowie in anderen Branchen, die vergleichbare hohe Steril- und Hygieneanforderungen haben und der Good Manufacturing Practice nahe stehen. Das ist zum Beispiel in der Lebensmittel- oder der Halbleiterindustrie der Fall.
Einen solchen Stellenaufbau haben wir hier am Standort noch nicht erlebt. Um ihn zu bewältigen, suchen wir über alle Kanäle: klassische Stellenanzeigen in Printmedien, Jobbörsen im Internet, Personaldienstleister oder die Agentur für Arbeit. Darüber hinaus treten wir in Kontakt mit den Personalabteilungen anderer Unternehmen, in denen gerade eine andere Entwicklung im Gange ist und setzen auf die Empfehlungen unserer eigenen Mitarbeiter.
Bilden Sie auch selbst die benötigten Fachkräfte aus?
Dr. E. Siregar: Ja, sicher. Auch hier haben wir weiter zugelegt. Üblicherweise stellt Sanofi nur zu Beginn des Ausbildungsjahres im September Auszubildende ein. Im Zuge des Stellenaufbaus haben wir im Februar 2015 eine zusätzliche Einstellung von 27 Auszubildenden zu Chemikanten und Pharmakanten vorgenommen. Bei der Qualifizierung dieser Nachwuchskräfte arbeiten wir mit dem Fachkräfteentwickler Provadis zusammen.
Welche Bedeutung haben die Empfehlungen Ihrer Mitarbeiter bei der Personalakquise?
Dr. E. Siregar: Ende letzten Jahres haben wir die Initiative „Mitarbeiter suchen Mitarbeiter" gestartet. Sie sieht eine Prämie von 500 EUR für Mitarbeiter vor, auf deren Empfehlung wir einen neuen Mitarbeiter einstellen. Ende Januar hatten wir schon die ersten zehn Mitarbeiter über diesen Weg unter Vertrag genommen, etwa 60 weitere Bewerbungsverfahren waren am Laufen. Und es kommen täglich neue dazu.
Erfolgreiches Empfehlungsmarketing durch Mitarbeiter setzt zufriedene Mitarbeiter voraus. Was tun Sie dafür?
Dr. E. Siregar: Wir haben seit 2012 sehr viel bewegt. Nehmen wir zum Beispiel die Unterschiede zwischen den Gehältern von Frauen und Männern im außertariflichen Bereich. Angestoßen durch eine weltweite Initiative zur Chancengleichheit im Unternehmen wurden bei Sanofi in Deutschland Leitlinien für ein Arbeitsumfeld in Vielfalt, Chancengleichheit, Gesundheit und Arbeitssicherheit sowie Achtung und Wertschätzung formuliert. Im Zuge dessen schlug die Geschäftsführung den Aufbau einer paritätischen Kommission vor, bestehend aus vier Frauen und vier Männern, vier auf Arbeitgeber- und vier auf Arbeitnehmerseite, die wesentliche Handlungsfelder identifiziert und den Prozess kontinuierlich begleitet.
Welche Veränderung hat die Kommission bewirkt?
Dr. E. Siregar: Die ursprünglich auf Genderbalance fokussierte Initiative wurde ausgeweitet in eine Gesamtstrategie für Vielfalt und in den Wittenbergprozess des Unternehmens integriert, einen Dialog der Sozialpartner, der verantwortliches Handeln in einer sozialen Marktwirtschaft fördert. Im Sommer 2013 entstand daraus die Plattform „Leben und Arbeiten bei Sanofi". Dabei geht es um Themen, von mobilem Arbeiten und Home Office über Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Gesundheitsmanagement, Langzeitarbeitszeitkonten, Führungskräfteentwicklung, Talentmanagement bis hin zu transparenten Prozessen bei der Einstellung und Entlohnung von Mitarbeitern.
Ein konkretes Beispiel: Frauen, die aus der Elternzeit zurückkamen, bekamen nur 30% der Gehaltserhöhung, die ihre Kolleginnen und Kollegen währenddessen erhalten hatten. Das hat die Kommission geändert. Heute werden die Gehälter nach der Elternzeit zu 100% reguliert.
Ein weiterer Meilenstein war unsere Gesamtbetriebsratsvereinbarung zu Home Office und mobilem Arbeiten. Sie ermöglicht Sanofi-Mitarbeitern nicht nur flexible Arbeitszeiten, sondern nun auch flexiblere Arbeitsorte und schafft somit die Voraussetzung, Beruf und Familie noch besser zu vereinen.
Mitarbeiter in der Produktion und Fertigung profitieren nur wenig von diesem Angebot. Gibt es auch hier Lösungen für mehr Flexibilität?
Dr. E. Siregar: Daran arbeiten wir. Die Kommission hat einen runden Tisch zum Thema „Teilzeit auf Schicht" einberufen, um flexiblere Arbeitsmodelle für diese Bereiche zu entwickeln. Es gibt bereits erste „Tandems" in der Produktion, die sich einen Arbeitsplatz teilen.
Insgesamt gewinnt das Thema Flexibilität immer mehr an Bedeutung, nicht nur für Eltern, sondern auch für Mitarbeiter, die ihre Angehörigen pflegen.
Ziel unserer Initiative „Leben & Arbeiten" ist es, Angebote für Mitarbeiter zu schaffen, die zu deren jeweiliger Lebenssituation passen, das reicht von der Notfallbetreuung für Kinder, einem externen Beratungsdienst für schwierige Lebenssituationen bis hin zu Workshops zum Thema Pflege.
Unser Engagement und alle Maßnahmen werden übrigens auch extern wahrgenommen und sichtbar: Bei Absolventen der Naturwissenschaften etwa haben wir im Vergleich zur anderen Unternehmen der Branche 2014 deutlich an Arbeitgeberattraktivität gewonnen.
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