Chemiepark Knapsack: Dialog als Standortvorteil
Genehmigungsmanagement bei großen Industrie- und Infrastrukturprojekten
Die gute Positionierung Deutschlands steht jedoch im Widerspruch zu der häufig kritischen und ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber großen Industrie- und Infrastrukturprojekten. Langfristig kann das den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie bedeuten.
Republik im Aufstand gegen Industrie
Die Auseinandersetzung um den Stuttgarter Hauptbahnhof (Stuttgart 21) ist das prominenteste Beispiel für eine kritische Haltung in der Öffentlichkeit. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist das Steinkohlekraftwerk von E.ON in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Dort führten scharfe Bürgerproteste bereits 2009 zu einem Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster und der Bebauungsplan wurde für ungültig erklärt. Die Folge war ein Baustopp. Bis heute läuft der kostspielige Bauprozess nur auf Basis von Teilgenehmigungen. Erst im Herbst 2014 stimmte die Bezirksregierung Münster den Plänen zu. Gebaut ist das Kraftwerk damit allerdings noch nicht.
In Sachsen machte der Verpackungsmaschinenhersteller Theegarten-Pactec GmbH im Frühjahr 2013 eine ähnliche Erfahrung. Der Neubau einer Produktionsanlage in der Gemeinde Bannewitz stieß trotz der erwarteten 1,5 Millionen Euro Gewerbesteuer auf starken Widerstand der direkt betroffenen Nachbarschaft. Für sie zählten andere Argumente: Verschlechterung des Ortsbildes und Versperrung des Umlandes, vermeintlicher Wertverlust der Immobilien, erhöhter Lärmpegel und zunehmender Verkehr durch Laster des Maschinenbau-Unternehmens. Die Bürgerinitiative „Modernes Bannewitz" sprach gar von „Vertrauensbruch seitens der Gemeindeverwaltung in einer verlässliche(n) Flächenplanung". Nach der letztendlich positiven Entscheidung des Gemeinderates steht nun ein langes Genehmigungsverfahren durch 50 Behörden an. Ein Prozess, der sich noch über ein weiteres Jahr ziehen kann und von öffentlichen Einwendungen geprägt sein wird.
Die Beispiele zeigen: Planungssicherheit beim Bau von Produktionsanlagen hängt in hohem Maße von der Akzeptanz in der unmittelbaren Nachbarschaft ab. Denn Initiativen gegen industrielle Projekte formieren sich nach dem Motto „Not in my backyard" meist auf lokaler Ebene. Direkt betroffene Bürger lehnen Industrieanlagen oder große Infrastrukturvorhaben vor ihrer Haustür ab. Frühzeitige Information und kontinuierlicher Dialog zwischen Standortbetreibern und Anwohnern ist daher Voraussetzung für jeden Industriestandort.
Dividende des Dialogs
Positive Erfahrungen macht der Chemiepark Knapsack mit einer konsequenten Dialogstrategie. Im Sinne einer aktiven Partizipation führt der Chemiepark seit Jahrzehnten einen offenen Dialog mit Bürgern, Behörden und lokalen Institutionen und schuf so eine Akzeptanz des Standortes in und mit der Nachbarschaft. Dazu tragen auch die Kooperationen mit lokalen Bildungseinrichtungen bei, die den Nachwuchs in der unmittelbaren Nachbarschaft fördern und den Anwohnern Chancen aufzeigen, die der Chemiestandort für sie bietet. Von der so entstandenen „Welcome in my backyard"-Mentalität profitieren alle Beteiligten. Für die Anwohner sichern Standortunternehmen in Hürth-Knapsack weiteres Arbeitsplatzpotential. Für Investoren bedeutet die industriefreundliche Nachbarschaft Standortsicherheit - alles in allem eine echte Dividende des Dialogs.
Das Vertrauen der Bevölkerung bedeutet in Genehmigungsverfahren auch weniger Einwendungen und somit schnellere Entscheidungen. Ein positiver Effekt, der im Chemiepark Knapsack durch das bewährte Genehmigungsmanagement verstärkt wird. Schließlich bewegen sich Betreiber genehmigungspflichtiger Anlagen in einem engen Geflecht von Vorschriften und Pflichten.
Verfahrenstechnische, bau- und anlagenrechtliche Aspekte verknüpfen
Die Abteilung Genehmigungsmanagement ist erster Ansprechpartner für Unternehmen und Interessenten aus dem In- und Ausland. „Das ist eine komplexe Aufgabe", sagt Eva Lenartz, Teamleiterin Konzessionen im Genehmigungsmanagement in Knapsack, „denn wir müssen verfahrenstechnische Planungen mit bau- und anlagenrechtlichen Aspekten optimal verknüpfen". Zusammen mit dem insgesamt 14-köpfigen Team im Knapsacker Genehmigungsmanagement gewährleistet sie eine effiziente Bearbeitung aller Aufgaben und schafft dadurch eine besonders hohe Standortsicherheit für ihre Kunden. „Wir müssen uns zwar an ein enges Netz an Verordnungen halten, dennoch können wir bereits im Genehmigungsverfahren wertvolle Zeit für unsere Kunden erwirtschaften", so Lenartz. Eines der Mittel zur Wahl ist die so genannte § 8a-Zulassung, also die Zulassung des vorzeitigen Baubeginns durch die Behörden, bevor die eigentliche Genehmigung erteilt wird. „Das birgt zwar ein theoretisches Risiko für die Investoren", erläutert Lenartz, „bisher hatten wir es aber noch nicht mit Auflagen zu tun, die wir im Nachhinein nicht erfüllen konnten".
Kapazitätsverdopplung für halogenfreie Flammschutzmittel
Ein häufiger Bestandteil von Genehmigungsprozessen ist die Beteiligung der Öffentlichkeit. Das Genehmigungsmanagement in Hürth-Knapsack bereitet Unternehmen intensiv auf diese Abläufe vor. Auch hier machen sich die Vorteile einer offenen Dialogkultur des Chemieparks bemerkbar: Öffentlichkeitsbeteiligung mit wenigen oder gar keinen Einwendungen bedeutet kürzere Verfahren und somit geringere Kosten.
Ein Beispiel dafür ist die Erweiterung einer Produktionseinheit für Flammschutzmittel der Firma Clariant. Bereits seit 2004 produziert das Schweizer Unternehmen am Standort das Flammschutzmittel Exolit OP auf DEPAL-Basis. Durch die Anlagenerweiterung in 2012 hat es auf die gesteigerte Nachfrage reagiert und die Kapazitäten verdoppelt. Das nicht-halogenierte Additiv wird vor allem in der Elektronik- und Elektrotechnik verwendet und schützt technische Thermoplaste z. B. in Schaltern, Sicherungen und PC-Lüftern sowie Struktur- und Gehäusebauteile vor Entflammung.
„Die Herausforderung im Genehmigungsverfahren für die Anlage war, dass es keine standardmäßigen Beurteilungsmethode für die Phosphoremission der Anlage gab", sagt Lenartz. Im so genannten Scoping-Termin im Februar 2011 besprachen alle Beteiligten das Verfahren und legten gemeinsam den formellen Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) fest. Auf Grund der fehlenden Grenzwerte vereinbarten die Beteiligten einen „großen Behördentermin". Dabei ging es vor allem um die Phosphor-Einträge Beiträge im Zusammenhang mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH- oder 92/43/EWG-Richtlinie, einer Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union. Die FFH-Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen.
Optimierte Öffentlichkeitsbeteiligung bringt Zeitvorteile
Am Abstimmungstermin im Frühjahr 2011 nahmen neben den Antragstellern der Firma Clariant auch Vertreter verschiedener Abteilungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) sowie das Genehmigungsmanagement der InfraServ Knapsack teil. Dabei wurden alle relevanten Perspektiven erörtert und schließlich ein Beurteilungsrahmen für die Phosphor-Immissionen festgelegt.Daran schloss sich die offizielle Bekanntmachung des Vorhabens über die öffentlichen Organe an. Über zwei Monate waren die Pläne im Bürgeramt Hürth und in der Bezirksregierung Köln ausgelegt und die Öffentlichkeit hatte die Gelegenheit, Einwendungen einzureichen. Davon machten zwei Personen Gebrauch. Deren Einwände wurden in einem Erörterungstermin Anfang Juli zwischen Vertretern von Behörde und Antragsteller besprochen. „Danach ging alles recht schnell", so Lenartz, „und der Bau der Anlage konnte dank §8a Zulassung bereits im Juli 2011 beginnen". Die offizielle Genehmigung folgte dann im November 2011. Nach insgesamt 18-monatiger Planungs- und Bauphase während des laufenden Betriebs konnte die Erweiterung im Oktober 2012 ihre volle Produktionskapazität - und 20 neue Mitarbeiter ihre Arbeit - aufnehmen.„Die wesentliche Genehmigungsphase der DEPAL II-Anlage dauerte nur knapp fünf Monate. Ein Erfolgsfaktor dafür war der konstruktive Dialog mit den Behörden von Anfang an", erläutert Lenartz, „so konnten wir gemeinsam das Verfahren planen und alle wussten, woran sie sind." Gerade bei Vorhaben mit gesetzlich vorgeschriebener Öffentlichkeitsbeteiligung entwickelt sich so ein wichtiger Zeit- und Erfolgsfaktor.Das Beispiel aus Hürth-Knapsack zeigt: Offenheit und Dialog schaffen dauerhaftes Vertrauen in die Industrie. Das dialogorientierte Genehmigungsmanagement ergänzt den Bürgerdialog um eine kompetente, umwelttechnische Begleitung einzelner Projekte zwischen Standortunternehmen und Behörden. Durch dieses Zusammenspiel der einzelnen Akteure lassen sich vielfältige und innovative Industrie- und Infrastrukturprojekte in Deutschland schnell und sicher realisieren.
Genehmigungsmanagement im Chemiepark Knapsack
Mit seinem Geschäftsfeld Genehmigungsmanagement bietet der Betreiber des Chemiepark Knapsack InfraServ Knapsack ein umfangreiches Serviceangebot für Standortunternehmen und externe Industriebetriebe in der Region. Der Bereich umfasst die drei Säulen Konzessionen, Arbeits- und Anlagensicherheit sowie Luftreinhaltung/Lärmschutz. Die unterschiedlichen Anfragen und Aufgabenbereiche bearbeitet ein interdisziplinäres Team mit jahrelanger Erfahrung, spezifischem Know-How und guten Beziehungen vor Ort. Eva Lenartz (links im Bild) arbeitet seit 1997 im Genehmigungsmanagement am Standort Hürth Knapsack. Die studierte Diplomingenieurin für Technischen Umweltschutz ist Teamleiterin für Konzessionen. Ihre Kollegen sind Ingenieure, Chemiker und Techniker, die projektabhängig durch interne und externe Experten und Spezialisten unterstützt werden.
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