Tensidsysteme in Syntheseprozessen?
Ein Reaktionsmedium für die Synthese von Boscalid
Forscher der Technischen Universität Berlin und der Universität zu Köln untersuchen den Einsatz von Mikroemulsionssystemen für die Synthese des Fungizids Boscalid.
Neben vielen Vorteilen wie hoher Aktivität und Selektivität hat die homogene Katalyse den Nachteil der schwierigen Trennung von Produkt und Katalysator nach erfolgter Reaktion. In der Regel führt die Aufarbeitung des Reaktionsgemisches, vielfältig durch den Einsatz thermischer Trennoperationen, zu einer vollständigen Desaktivierung des eingesetzten homogenen Katalysatorkomplexes. Für eine wirtschaftliche Prozessführung muss daher in einem einzigen Batch-Versuch eine hohe Wertschöpfung des Produktes erreicht werden.
Recycling des eingesetzten Katalysatorkomplexes
Ein erfolgreiches Beispiel aus der Industrie ist die Iridium-katalysierte Synthese des Herbicids (S)-Metolachlor mit einer Turn-Over-Number (TON, molares Verhältnis von Produkt zu Katalysator) von >50.000 und einer Gesamtproduktion von etwa 10.000 t/a. Die meisten organischen Synthesen, gerade im Bereich der Feinchemikalien und Pharmazeutika, ergeben jedoch viel kleinere TON (ca. 1000-5000). Aus wirtschaftlichen Gründen ist daher ein Recycling des eingesetzten Katalysatorkomplexes erforderlich.
Eine Möglichkeit des effektiven Katalysatorrecyclings bietet die Zweiphasenkatalyse, bei der das Produkt und der Katalysator nach erfolgter Reaktion in unterschiedlichen Phasen (Wasserphase und organische Phase) vorliegen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Rhodium-katalysierte Hydroformulierung von 1 Propen zu n-Butanal im Ruhrchemie/Rhone-Poulenc Prozess (RC/RPP). Obwohl eine gute Katalysatorabtrennung gegeben ist, hat die Zweiphasenkatalyse die Nachteile einer geringen Reaktionsgeschwindigkeit aufgrund der geringen Phasengrenzfläche zwischen der organischen- und der Wasserphase, sowie eines begrenzten Substratspektrums.
In jedem Fall muss eine gewisse Löslichkeit des Edukts in der Katalysatorphase gegeben sein, da sonst die Reaktion nicht abläuft. Wird zu einem zweiphasigen System aus Wasser und organischem Lösungsmittel ein nicht-ionisches Tensid gegeben, erhält man Mikroemulsionssysteme. Diese ternären Gemische aus Wasser, Öl und Tensid, üblicherweise charakterisiert durch die Parameter α (Ölanteil in der Öl/Wasser-Mischung) und γ (Tensidanteil in der Gesamtmischung), präsentieren sich je nach Zusammensetzung und Temperatur in unterschiedlichen Phasenzuständen (siehe Abbildung 1). Prinzipiell können alle diese Zustände für eine Reaktion genutzt werden, wobei die vorliegende Grenzfläche zwischen den einzelnen Domänen deutlich größer ausfällt als in der konventionellen Zweiphasenkatalyse und dadurch Stofftransporteinflüsse minimiert werden können.
Technische Reaktionsführung
Ein wesentlicher Vorteil dieser Mikroemulsionssysteme ist deren Temperatursensivität, wodurch zwischen verschiedenen Zuständen geschaltet werden kann. Durch diese Flexibilität kann ein Mikroemulsionssystem für verschiedene Anwendungen angepasst werden. Für eine technische Reaktionsführung hat sich vor allem der dreiphasige Bereich hervorgetan, in dem eine Mikroemulsionsphase mit einer Wasserphase und einer organischen Phase im Gleichgewicht steht. Dieser Zustand ist für solche Reaktionen interessant, bei denen der Einsatz von Basen verstärkt zur Salzbildung führt, die im weiteren Verlauf den Katalysator desaktivieren können und deshalb abgetrennt werden müssen.
Ein typischer Vertreter ist die Palladium-katalysierte Suzuki-Kupplungsreaktion. Erst kürzlich konnte in der Arbeitsgruppe von Prof. Schomäcker an der Technischen Universität Berlin gezeigt werden, dass eine Suzuki-Kupplung im Dreiphasengebiet deutlich zur Prozessintensivierung beiträgt, da der eingesetzte Palladium-Katalysator mit der Mikroemulsionsphase recycelt werden kann, während das Produkt mit der organischen Exzessphase entnommen und die Salze mit der wässrigen Exzessphase ausgeschleust werden können.
Die Suzuki-Kupplung stellt heutzutage eine der wichtigsten Reaktionen zur Knüpfung neuer C-C Bindungen dar, wobei die Kupplungsprodukte oft nur Intermediate innerhalb einer komplexen Synthesekette hin zum Zielprodukt sind. Ein solches Zielprodukt ist z. B. das Boscalid, ein Fungizid, welches von der BASF im großen Maßstab vertrieben wird. Die Synthese von Boscalid kann in einer dreistufigen Reaktionssequenz erfolgen (Abbildung 2).
Synthese von Boscalid als Tandemreaktion
Zurzeit wird in einem von der AiF geförderten Verbundprojekt zwischen der Arbeitsgruppe von Prof. Schomäcker an der Technischen Universität Berlin und der Arbeitsgruppe von Prof. Strey an der Universität zu Köln die Synthese von Boscalid als Tandemreaktion erprobt, wobei für die Suzuki-Kupplung, welche den Auftakt der Reaktionssequenz darstellt, ein Mikroemulsionssystem eingesetzt wird. Dies erlaubt die Wiederverwendung des eingesetzten Palladium-Katalysators und gleichzeitig eine Reduzierung des Lösungsmitteleinsatzes. Ein entsprechendes Prozesskonzept für die Synthese von Boscalid ist in Abbildung 3 gezeigt.
Da die organische Exzessphase, welche das Kupplungsprodukt enthält, ohne weitere Aufarbeitung in der nächsten Reaktion eingesetzt werden soll, muss die Kupplungsreaktion soweit wie möglich optimiert werden, d. h. die Gesamtausbeute der Reaktion muss möglichst hoch ausfallen (> 90 %). Wichtige Schritte der Optimierung sind dabei die Auswahl des Tensids, welches einen großen Einfluss auf die Aktivität des Katalysators und auf das Phasenverhalten der Reaktionslösung hat, und des Liganden. Zusätzlich spielt die Stabilisierung des eingesetzten Katalysators eine wichtige Rolle. Bisher konnten z. B. mit dem Tensid Novel8 gute Ergebnisse hinsichtlich der Ausbeute und des Katalysatorrecyclings erzielt werden, wobei zur Stabilisierung des Katalysatorkomplexes der verwendete Ligand SPhos nachdosiert werden musste, da ein Teil während der Phasentrennung mit der wässrigen Phase extrahiert wurde.
Die zweite Reaktionsstufe, die Hydrierung der Nitroverbindung, erfolgt mit einem heterogenen Platin-Katalysator in der organischen Phase aus der 1. Stufe. Die Reaktion kann bereits bei einem geringen Druck mit nahezu quantitativen Ausbeuten durchgeführt werden. Für die abschließende Reaktion zum Bosacalid muss unter Wasserausschluss gearbeitet werden, da das eingesetzte Säurechlorid sonst hydrolysiert wird. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Gesamtausbeute des Boscalid durch das Auslassen der einzelnen Aufarbeitungsschritte der vorherigen Reaktionen beeinflusst wird. Die Abstimmung der einzelnen Synthesestufen wird im Rahmen des Projektes untersucht.
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