Laborresultate austauschen und Entwicklungsprojekte steuern
Henkel und SAP entwickeln gemeinsam ein Laborinformations- und Managementsystem
Henkel ist mit seinen Wasch-, Spül- und Reinigungsmittel-Marken ein Bestandteil des täglichen Lebens vieler Verbraucher. Im Rahmen eines Co-Innovationsprojekts entwickelte der Konsumgüterkonzern mit SAP ein Laborinformations- und Managementsystem (LIMS), um die Forschungsprozesse der Sparte Wasch- und Reinigungsmittel (Laundry and Home Care) zu unterstützen. Es ermöglicht es den global verteilten sieben Forschungs- und Entwicklungsstandorten der Sparte bereits während der Basisentwicklung, Rohstoffe zu screenen sowie die Formelentwicklung und Rezeptur standardisiert zu erfassen, zu prüfen und an die Produktion weiterzuleiten. Über die Anforderungen im gemeinsamen Entwicklungsprojekt sprach CHEManager mit Dr. Sören Hölsken, Head of PLM - Applications for International R&D, International R&D Management Laundry & Home Care, bei Henkel sowie Károly Földesi, Director Business Development, Customer Value Sales Chemicals & Life Sciences, bei SAP.
CHEManager: Herr Hölsken, Sie haben zusammen mit SAP eine Lösung entwickelt, um den Innovationsprozess in Ihrer Forschung und Entwicklung effizienter zu gestalten. Vor welchen Herausforderungen standen Sie?
Dr. S. Hölsken: Henkel verfügt über eine Innovationsrate in der Sparte R&D Laundry and Home Care von 45 Prozent, d.h. fast die Hälfte des Umsatzes erzielen wir mit Produkten, die in den vergangenen drei Jahren in den Markt eingeführt wurden. Diese Zahl zeigt bereits, wie forschungsintensiv die Arbeit in unserer Sparte ist und damit einhergehend wie wichtig effiziente Prozesse sind. Im Rahmen des Projekts verfolgten wir konkret das Ziel, die Rohstoff- und Formelentwicklung im Rahmen unserer Simplify-Strategie weltweit einheitlich zu gestalten und somit für alle Länder zu vereinfachen. Denn unsere weltweit verteilten Forschungsteams verfügten bis dato über unterschiedliche Ressourcen und historisch gewachsene IT-Systeme. Daher arbeiteten die Forscher oft an gleichen oder ähnlichen Rezepturen, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, sich transparent abzustimmen. Unsere Mitarbeiter nutzten vor allem Microsoft Office-Tools oder eigens entwickelte Lösungen, Datenbanken und Ablagesysteme, um Formeln für neue Produkte und Rezepturen zu erfassen und zu dokumentieren. Dadurch ergaben sich Doppelarbeiten, redundante Datenbestände und ein hoher Abstimmungsbedarf. Es stand täglich die Frage im Raum, ob die jeweiligen Dokumente auch wirklich auf dem aktuellen Stand waren.
Herr Földesi, wie hat sich das Projekt aus SAP-Sicht dargestellt?
K. Földesi: Um die Rohstoff-, Formel- und Rezepturentwicklung transparent und effizienter zu gestalten, benötigte Henkel ein zentrales Tool, auf das alle Forschungszentren der Sparte R&D Laundry and Home Care zugreifen konnten. Dieses Tool sollte nicht nur sämtliche Informationen des Formel- und Rohstoffentwicklungsprozesses erfassen, sondern auch zugehörige Testdaten. Die Lösung sollte dabei Daten von physikalisch-chemischen Tests, wie etwa pH-Wert, Viskosität und Dichten, bis hin zu komplexen Tests einheitlich berücksichtigen können. Ziel des Projekts war es also, dass alle Forschungsmitarbeiter auf einer einheitlichen Datenbasis arbeiten, Informationen einfach austauschen und Formeln ohne Medienbrüche an die Produktion weitergeben können. Essenziell war auch eine eingebaute Suchfunktion, mit der die Forscher verschiedene Parameter abfragen können.
Warum hat sich Henkel für SAP als Innovationspartner entschieden?
Dr. S. Hölsken: Wir arbeiten mit SAP bereits erfolgreich in den Bereichen Produktion und Supply Chain zusammen und haben etwa das Projekt IRIS - das International Recipe Information System - im Jahr 2000 zusammen umgesetzt. Viele unserer Unternehmensdaten laufen also bereits auf SAP-Systemen. Zudem verfolgten wir einen zentralen, integrierten Ansatz, um die künftige Lösung auch in unsere weiteren Unternehmensprozesse, etwa in die Produktion oder Produktsicherheit, einzubinden. Vor dem Hintergrund dieser Aspekte lag es nahe, und natürlich aufgrund der bisherigen guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit, abermals auf SAP zu setzen und aufgebaute Synergien zu nutzen.
Natürlich haben wir auch Lösungen anderer Anbieter verglichen. Da unsere Forscher jedoch oft pro Tag an mehreren Formeln gleichzeitig arbeiten, um beispielsweise Konzentrationsreihen anzusetzen, war es uns besonders wichtig, dass das neue Tool diese Prozesse auch abbilden konnte und sich an den Arbeitsvorgängen des Forschers ausrichtet. Bis dato nutzen wir hierzu Excel-Tabellen, um Formeln und die zugehörigen Ergebnisse zu erfassen. Das ist zwar auf den ersten Blick einfach und flexibel, andererseits wird es schnell kompliziert, wenn man nach einiger Zeit Daten wiederfinden möchte.
Welche Anforderungen hilft die SAP-Lösung zu bewältigen?
K. Földesi: In einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt, das wir auch Co-Innovation nennen, haben wir genau diese Herausforderungen von Henkel analysiert. Basierend hierauf erarbeiteten wir im weiteren Schritt ein auf Henkel zugeschnittenes, jedoch standardisiertes LIMS. Es beinhaltet einen Multi-Formel-Editor sowie einen Multi-Formel-Test-Editor. Damit können die Henkel-Forscher über eine einheitliche Anwendungsmaske Formeln parallel entwickeln, dokumentieren und testen.
Dr. S. Hölsken: Gerade die Einführung des Test-Editors war für uns essenziell, damit unsere Forscher in der Lage sind, Testergebnisse für mehrere Formeln parallel zu erfassen. Dies war vorher nicht möglich und die Mitarbeiter mussten zwischen mehreren Systemen und Dokumenten wechseln und diese parallel pflegen. Zudem können bestimmte Tests ressourcenbedingt nur an unserem Forschungsstandort in Düsseldorf durchgeführt werden und es war für uns schwierig, die dort ermittelten Daten standardisiert, transparent und für alle Forscher zugänglich zurück an die anderen Standorte zu übermitteln. Der Editor erlaubt es uns nun auch, Testergebnisse, etwa aufgrund der Zusammensetzung und Wirkungsweise, zu erklären und in einer kombinierten Ansicht mit der Formel abzugleichen. Über eine zentrale Suchfunktion, der sogenannten Enterprise Search, können die Mitarbeiter ebenfalls auf ältere Formeln und Rezepturen zugreifen und nach gewünschten Parametern, wie etwa Formeln, die bestimmte Rohstoffe oder Testergebnisse aufweisen, suchen.
Bei einem Projekt, das standortübergreifend ausgerollt wurde, galt es sicherlich auch nichttechnische Aspekte zu berücksichtigen?
Dr. S. Hölsken: Wir haben von Beginn an alle wichtigen Stakeholder, beispielsweise die Henkel IT für den Bereich PLM, die Produktentwicklung und die Forschungszentren, mit eingebunden und sehr eng mit Experten von SAP zusammengearbeitet. Vor allem die Fürsprache interner Sponsoren auf Top-Management-Ebene ist bei einem Projekt, das weltweit ausgerollt wird, wichtig. Auch die künftigen Nutzer sollten immer mit eingebunden werden, um ihre Bedürfnisse schon bei der Lösungsentwicklung zu berücksichtigen. So ergaben sich während des Projekts neue Anforderungen, die die SAP-Entwickler dank der sehr engen Zusammenarbeit umsetzen konnten. Eine wichtige Komponente ist auch das Testmanagement bereits während der Entwicklungsphase - und eine intensive Schulung der künftigen Nutzer, um die Akzeptanz zu gewährleisten.
Welchen Mehrwert bietet die neue Lösung?
Dr. S. Hölsken: Wir sehen eine deutlich verbesserte Datenqualität und -verfügbarkeit. Die Informationen können jetzt einheitlich und transparent verwaltet werden und stehen dem gesamten Forschungs- und Entwicklungsteam weltweit zur Verfügung. Außerdem können unsere Experten Informationen zu sämtlichen Rezeptur- und Rohstoffentwicklungen hinsichtlich ihrer Bezeichnung, Zusammensetzung und Herkunft sowie Testergebnisse zu physikalisch-chemischen Tests bis hin zu Wirksamkeits- und Stabilitätstest zentral abrufen.
Bei Henkel steht außerdem die Nachhaltigkeit der Produkte im Fokus. So sind wir bereits zum achten Mal Branchenführer im Dow Jones Sustainability Index und verfolgen das ehrgeizige Ziel, unseren geschaffenen Wert im Verhältnis zum ökologischen Fußabdruck bis 2030 zu verdreifachen. Dank des Formel-Editors können unsere Mitarbeiter bereits jetzt sehen, welchen CO2-Ausstoß eine Formel hat, welche Kosten damit verbunden sind und wie viel Prozent der Rohstoffe aus nachwachsenden Quellen kommen. Diese Aspekte können die Forscher schon während der Rezepturentwicklung prüfen, sodass teure oder aufwendige Testläufe zu einem späteren Zeitpunkt, also bevor eine Formel produktiv wird, minimiert werden. Auch die rechtlichen Anforderungen werden meines Erachtens künftig weiter zunehmen und wir sehen uns mit LIMS hier gut aufgestellt.
Welche künftigen Anwendungsszenarien sind denkbar?
K. Földesi: Die gemeinsam entwickelten Funktionalitäten aus diesem Co-Innovationsprojekt mit Henkel haben wir in Teilen in unser Standardprodukt übernommen. Wir stellen diese nun auch anderen Unternehmen, etwa im Rahmen des Erweiterungspakets 7 für SAP ERP, zur Verfügung. Kunden haben also immer die Möglichkeit, nicht im Standard enthaltende Funktionen spezifisch im Rahmen eines SAP Custom Development Projektes mit uns zu entwickeln. SAP Custom Development ist Teil unserer Standardentwicklung, somit können hier bereits geplante Funktionalitäten berücksichtigt werden.
Außerdem bietet unsere HANA-Plattform, die auf der In-Memory-Technologie basiert, die Möglichkeit, strukturierte Daten mit unstrukturierten Informationen zu verknüpfen. Künftig könnte das so aussehen, dass etwa unternehmenseigene Rezepturen und Testergebnisse mit externen Daten von beispielsweise Forschungsinstituten kombiniert werden. Oder auch eine Patentsuche in externen Quellen ist denkbar, die dann mit der Enterprise Search bei Henkel verknüpft werden kann.
Dr. S. Hölsken: Mit LIMS haben wir uns im ersten Schritt auf die Rohstoff- und Rezepturentwicklung konzentriert. Naheliegend ist natürlich auch das Thema Labor- und Testmanagement, also eine Lösungserweiterung zum bestehenden LIMS, die anzeigt, wann unsere Forscher welchen Test durchführen müssen.
Ende des Jahres werden wir mit dem Projekt „LIMS for Packaging" online gehen. Hier bilden wir die Zusammensetzungen der Verpackungen ab. Um die Umsetzung der Rezepturen im Produktionsmaßstab zu testen, werden wir im Rahmen des Projekts „LIMS for Processing" unsere Prozessentwicklung mit einbinden. So können wir bereits im frühen Stadium der Entwicklung Hand in Hand mit den Kollegen der Technologieentwicklung auf einer Software-Plattform zusammenarbeiten und effizienter und schneller unsere Innovation in den Markt bringen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Prozesse auf eine einheitliche Plattform zu heben, zu standardisieren und sie schneller und transparenter zu gestalten.
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