Forschung & Innovation

Methoden des wirkungsvollen F&E-Managements

Innovationsmanagement in der chemischen Industrie

26.11.2012 -

CITplus  - Innovation ist für alle Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie nicht bloß ein Schlagwort, sie ist der entscheidende Schlüssel für den zukünftigen unternehmerischen Erfolg. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Methoden des wirkungsvollen F&E-Managements.

Innovation beansprucht die (knappen) Re­ssourcen eines Unternehmens, schafft zukünftige Potentiale, birgt aber auch Risiken. Innovation will also aktiv „gemanagt" werden. So nimmt es nicht wunder, dass Unternehmen in den letzten Dekaden eine Vielzahl von Tools (Methoden und Prozesse) des Innovationsmanagements implementiert haben. Nun ist Innovation nicht gleich Innovation sondern kommt in unterschiedlichen Kategorien vor und übernimmt so ihre Funktion als Generatorin zukünftigen Wachstums in verschiedenartigsten Ausprägungen. Bei der Implementierung von Innovationsmanagement-Tools ist also Sorge dafür zu tragen, diese Werkzeuge sorgsam angepasst zu handhaben und nicht alle Spielarten an Innovationen quasi „über einen Kamm zu scheren".
Innovationen in den verschiedensten Spielarten.
Je nach Reifegrad der für das Unternehmen relevanten Technologie (oder der Branche, in der das Unternehmen agiert), geben unterschiedliche Arten von Innovationen qualitativ völlig andersartige Impulse: In der frühen Phase sind es break-through (disruptive) Innovationen, die eine Technologie (oder eine Branche) überhaupt erst begründen. Die Wachstumsphase einer Technologie (Branche) wird vornehmlich durch Produktinnovationen stimuliert und in der Reifephase dominieren dann vornehmlich Prozessinnovationen, die im Wesentlichen auf Kosten­reduktionen abzielen.
Kongruent hierzu treten auch alle die Aktivitäten, die man gemeinhin unter dem Oberbegriff „Forschung und Entwicklung" (F&E) zusammenfasst, in strategisch unterschiedlichen Kategorien auf:
„Grundlagen-F&E" zielt auf wissenschaftlich-technische Durchbrüche. Die Ergebnisse werden (wenn überhaupt) oft erst nach vielen Jahren sichtbar. Schlüssel-F&E basiert auf schon bestehenden wissenschaftlichen und technischen Know-how, welches mit Nachdruck weiter entwickelt wird, um es für einen genau definierten Zweck nutzbar zu machen. Wenn Schlüssel-F&E erfolgreich ist, dann liefert sie dem Unternehmen einen derartigen Wettbewerbsvorsprung, dass es für Jahre hinaus eine geschützte Marktstellung und eine technologische Führerschaft wahren kann. Inkrementelle F&E basiert auf der geschickten Anwendung bestehender Kenntnisse in einem weiterentwickelten Produkt oder Verfahren. Hier liegt der Fokus auf Entwicklung, oft im Rahmen einer Verfahrensentwicklung zur Reduktion der Herstellkosten oder der marginalen Produktverbesserungen zur Anpassung an geänderte Kundenbedürfnisse. Die Dauerhaftigkeit des Wettbewerbsvorsprungs ist hier oft nur begrenzt.

Innovationsmanagement: die strategische und die operative Dimension
Ein integriertes Innovationsmanagement-System berücksichtigt zwei Dimensionen gleichermaßen: die operative (vornehmlich: „Projektmanagement") und die strategische (vornehmlich: „Portfoliomanagement"). Das operative F&E-Management zielt auf ein „doing the things right" ab, das strategische F&E-Management auf ein „doing the right things".
Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie begannen relativ früh mit der Gestaltung von Werkzeugen und Prozessen für das operative F&E-Management, etwa in Form von Projektmanagement und Stage-Gate-Prozessen.
Die etablierten „best practices" des Projektmanagements könnte man in drei Grundprinzipien zusammenfassen in nur drei Prinzipien zusammenzufassen: Alle Projekte sollten periodisch einem Review unterzogen und hieraus korrigierende Maßnahmen in Form von Priorisierung und Selektion abgeleitet werden. Der Projektfortschritt sollte durch Meilensteine „getrieben" sein. Es sollte ein disziplinierter Prozess für die Einstellung von Projekten existieren.
Bei der Konzeption eines F&E-Projektmanagements im Unternehmen ist es wichtig, dass Projekte in verschiedene Kategorien (etwa maintenance, line extension, „break-through"-innovation) eingeteilt werden. Dies geschieht nicht bloß zum Selbstzweck, sondern um die verschiedenen Projekttypen dann auch nach unterschiedlichen, (angepassten) Management-Prozeduren zu steuern. So vermeidet man, dass etwa auf Grundlagen-F&E-Projekte die gleichen Planungs-, Budgetierungs- und Review-Prozesse angewendet werden, welche primär für inkrementelle F&E-Vorhaben im Umfeld bereits existierende Geschäfte etabliert wurden. Gerade bei explorativen („break-through") Forschungsvorhaben sollte man sich daran erinnern, dass erfolgreiche Innovation sowohl der Grundtugenden des Managements (Planung, Organisation, Kontrolle) als auch Freiräume, Ausdauer und Kreativität bedarf.

Strategisches F&E-Management - die richtige Balance finden
Schon seit längeren hat man erkannt, dass ein operatives Projektmanagement auf Einzelprojektebene nur eine der beiden Säulen eines umfassenden Managements von Forschung und Entwicklung sein kann. Nur wenn auch die strategische Auswahl der Forschungsprojekte, das „doing the right things" in angemessener Weise gemanagt wird, kann eine Forschungsorganisation auf Dauer Erfolg haben. In den letzten Jahren rückt daher mehr und mehr auch das strategische F&E-Management (vor allem in Form des F&E-Portfoliomanagements) in den Blickpunkt.
Beim Portfoliomanagement geht es zum einen um die Maximierung des ökonomischen Wertes des gesamten Portfolios aller Forschungsprojekte. Hierbei wird dieser ökonomische Wert in der Regel als NPV (Net Present Value) dargestellt. Dies ist für Projekte der Kategorie „inkrementelle F&E" durchaus valide, da hier in der Regel hinreichende Informationen über Markt, Kosten und Technologie vorliegen. Für Projekte der Kategorie „Schlüssel-F&E" oder gar „Grundlagen-F&E" sollte man hingegen eher auf sogenannte Scoring-Verfahren der Projektbewertung zurückgreifen, bei denen das Projekt nach einzelnen (gegebenenfalls gewichteten) Kriterien mit relativen Punktzahlen bewertet wird.
Zum anderen wird mit Portfoliomanagement das Ziel verfolgt, ein „ausbalanciertes" Projektportfolio zu erhalten, wobei „­Balance" in verschiedenen Dimensionen angestrebt werden kann, z. B. hinsichtlich einer ausgewogenen Mischung von riskanten oder weniger riskanten Projekten oder einer angemessenen Verteilung der Projekte auf verschiedene Produktkategorien oder Märkte. Die Beantwortung der Frage, welches denn die „ausgewogene" Balance ist, ist eng verwoben mit der dritten Zielstellung des Portfoliomanagements, dem Bestreben, das Projektportfolio in Einklang mit der Geschäftsstrategie zu gestalten. In der Regel korreliert die ökonomische Attraktivität eines Projektes mit seinem Risiko, so dass man typischerweise im Rahmen der Projektauswahl vor der Frage steht, ob man - bildhaft gesprochen - eher „die Taube auf dem Dach" oder den „Spatz in der Hand" fangen möchte.
Üblicherweise werden im Zuge des Portfoliomanagements die einzelnen Forschungsvorhaben nach einer Reihe von Kriterien bewertet, die sich zu konsolidierten Bewertungen wie Markt- und Technologieattraktivität bzw. Markt- und Technologierisiko zusammenfassen lassen. In der Regel wird die Information in Form von Attraktivitäts-Risiko-Diagrammen („bubble-Diagrammen") grafisch verdichtet dargestellt.
Um jedoch auch hier nicht Projekt-Äpfel mit Projekt-Birnen zu vergleichen, hat es sich bewährt, sogenannte „strategic buckets" zu bilden. Projekte werden entsprechend ihrer Projektkategorie (etwa wiederum maintenance, line extension, „break-through"-innovation) einzelnen Körben („buckets") zugeordnet und das Gesamt-Budget für jeden „bucket" vorab „top-down" festgelegt. Die Selektions-, Priorisierungs-, und Budgetierungs-Entscheidungen auf Projektportfolioebene finden dann innerhalb dieser „strategic buckets" statt. Langfristige Innovationsvorhaben etwa zum Aufbau von Technologieplattformen konkurrieren dann nicht mehr direkt mit kundennahen kurzfristigen F&E-Projekten um die (immer) knappen Ressourcen.

GDCh-Kurs „Management von F&E"
Der Autor dieses Beitrages ist Referent des Kurses der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) „Management von Forschung und Entwicklung in der Chemie". Vom 25. - 26. September 2012 gibt er in Frankfurt/M. eine praxisnahe Einführung in Methoden und Tools für ein wirkungsvolles F&E-Management: Portfoliomanagement, Meilensteinplanung (Stage-Gate-Process), F&E-Projektmanagement, -bewertung und -controlling werden im Kontext ihrer spezifischen Anwendungen der Chemieforschung präsentiert und mit den Teilnehmern unter dem Aspekt ihrer Praxis­tauglichkeit diskutiert.

Tools speziell für den Entwickler
Stichpunktartig sollen hier einige Tools erwähnt werden, die sich insbesondere für den Bereich der klassischen Entwicklung (bzw. inkrementellen F&E) etabliert haben.
 
Quality Function Deployment (QFD)
Mit der Methode des Quality Function Deployment (QFD) werden frei formulierte Kundenwünsche systematisch in eine technische Sprache übersetzt mit der die Bewertung und Gewichtung einzelner Kundenwünsche vorgenommen werden können. Zur Übersetzung dienen mehrere Übersetzungsmatrizen, die als Qualitätstabellen oder „House of Quality" bezeichnet werden. Ein wesentlicher Punkt bei QFD ist die strikte Trennung der Kundenanforderungen (Was?) von den technischen Lösungsmerkmalen (Wie?). Dies verhindert, dass sofort Produktmerkmale definiert werden, ohne dass vorab die Kundenanforderungen detailliert erfasst wären.

Design of Experiments (DoE)
Design of Experiments (DoE) ist eine Methodik zur Planung und statistischen Auswertung von Versuchen. Ziel von DoE ist es, mit möglichst wenig Versuchsaufwand möglichst viel über die Zusammenhänge von Einflussvariablen (inputs) und Ergebnissen (outputs) zu erfahren.

TRIZ Methode
Die TRIZ Methode ist eine Methodik für den technischen Problemlösungsprozess. Sie entstand auf der Basis der Annahme, dass durch die Sichtung einer großen Anzahl von Patentschriften, anschließende Auswahl und Werten derjenigen, die technischen Durchbrüche beschreiben, allgemeingültige innovative Prinzipien und sogar Gesetze des Erfindens zu entdecken wären. Man postulierte: Erstens: Einer großen Anzahl von Erfindungen liegt eine vergleichsweise kleine Anzahl von allgemeinen Lösungsprinzipien zugrunde. Zweitens: Erst das Überwinden von Widersprüchen macht innovative Entwicklungen möglich. Drittens: Die Evolution technischer Systeme folgt bestimmten Mustern und Gesetzen. Mit Hilfe der TRIZ Methode versuchen Erfinder, ihre Tätigkeit zu systematisieren, um schneller und effizienter zu neuen Problemlösungen zu kommen.
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