Prozessluft-Erzeugung in der Kläranlage Bremervörde mit höchster Energieeffizienz
27.06.2012 -
CITplus - Mit den neuen Anlagen der Baureihe AT-Turbo Generation 5 hat die Aerzener Maschinenfabrik die Energie-Effizienz und die Versorgungssicherheit bei der Erzeugung von Prozessluft für biologisch arbeitende Kläranlagen weiter verbessert. Wie diese Verbesserungen im Einzelnen aussehen, zeigt dieser Anwenderbericht von der Kläranlage Bremervörde.
Eine biologisch arbeitende kommunale Kläranlage mit einer stark schwankenden Einleitungsmenge kann ihre Aufgabe nur dann mit höchster Energieeffizienz und Zuverlässigkeit erfüllen, wenn der Prozessluft -Bedarf des Belebungsbeckens kontinuierlich und vollautomatisch auch an stark schwankenden Beladungsmengen angepasst werden kann. Das gilt ganz besonders für die Kläranlage in Bremervörde, ausgelegt für eine Gesamtkapazität von 30.000 EGW (Einwohnergleichwerte) und mit ca. 29.000 EGW auch nahezu ausgelastet. Aktuell werden in die Kläranlage täglich bis zu 3.000 m3 Schmutzwasser eingeleitet. Allerdings stammen nahezu 50 % der Kläranlagen-Kapazität von einem einzigen Produktionsbetrieb, dessen Anteil nicht zuletzt durch die Arbeitsruhe am Wochenende sehr stark schwankt. Dagegen liegt der Abwasseranfall der Wohnbevölkerung im Einzugsgebiet im Wochenverlauf mit max. ca. 1.500 m3/Tag nahezu konstant.
Es leuchtet ein, dass ein Klärsystem mit einer Schmutzwasser-Bandbreite von 50-100 % nur dann mit optimaler Energieausnutzung gefahren werden kann, wenn die ausgewählten Prozessluft -Erzeuger sich vollautomatisch an alle Bedarfssituationen anpassen. Dazu Klärwerksmeister Heiko Müller: „Deshalb haben wir für die Erzeugung der Prozessluft im November 2010 ein neues Erzeugungskonzept realisiert. Jetzt deckt ein neues drehzahlgeregeltes Aerzener Turbogebläse als aktive Grundlast-Anlage im Normalfall unseren Prozessluft -Bedarf über die gesamte Bedarfsbandbreite alleine ab. Bei Bedarf können wir bis zu zwei Drehkolbengebläse aus unserer alten Lösung für die Bewätligung der Spitzenlast vollautomatisch zuschalten. Mit dieser gezielten Verteilung der Grundlast auf einen entsprechend dimensioniertes Turbogebläse und der Spitzenlast auf bis zu zwei Gebläse erzeugen wir unsere Prozessluft-Station jetzt besonders energieeffizient. Denn das Thema ´Energiekosten´ hat bei uns einen besonders hohen Stellenwert, weil wir für die Prozessluft-Erzeugung ca. 75 % der gesamten Energiekosten unserer Kläranlage aufwenden müssen."
Größerer Regelbereich
Bereits in der weiter zurückliegenden Vergangenheit wurde die Prozessluft für das Belebungsbecken mit Drehkolbengebläsen der Aerzener Maschinenfabrik erzeugt. Diese alten Anlagen wurden dann ca. 1999/2000 durch zwei Aerzener Gebläse der Baureihe Delta Blower ersetzt (Typ GM 50 l, Nennleistung 75 kW, Lieferbandbreite von 37-42 m3/min). Eine Anlage deckte zuletzt den Bedarf ab, die zweite wurde als Redundanz vorgehalten. Beide Anlagen waren bereits drehzahlgeregelt, so dass sie in einem Bereich von ca. 35 Hz bis ca. 50 Hz an schwankenden Bedarf angepasst werden konnten. Allerdings konnten die Gebläse in ihrem unteren Leistungsbereich nicht mehr den noch niedrigeren Schwachlast-Bedarf abdecken, so dass die Aggregate häufig stillgesetzt wurden. Deshalb suchte man in Bremervörde für die Prozessluft -Erzeugung nach einer neuen Lösung, die zwei wesentliche Bedingungen unbedingt erfüllen sollte:
Die Aggregate des neuen Konzeptes sollten über eine größere Leistungsbandbreite insbesondere auch im unteren Leistungsbereich verfügen, um auch den Schwachlastbedarf abdecken zu können und nach Möglichkeit über die gesamte Bedarfsbandbreite zu 100 % im drehzahlgeregelten Lastlauf-Betrieb gefahren werden.
Die Initialzündung für ein neues Erzeugungskonzept entstand im September 2009 bei einem regelmäßig stattfindenden Erfahrungsaustausch von Leitern benachbarter Kläranlagen. In einem Referat wurde damals ein Konzept für biologisch arbeitende Kläranlagen vorgestellt, in dem Turbogebläse die benötigte Prozessluft erzeugen. „Der Vorschlag interessierte uns sehr. Deshalb starteten wir anschließend mit unseren aus der Vergangenheit bekannten Bedarfsdaten eine Ausschreibung. Nach einem detaillierten Vergleich aller vorliegenden Angebote entschieden wir uns für die Vorschläge aus Aerzen, so dass wir die gute Zusammenarbeit fortsetzen konnten", erinnert sich Heiko Müller."
Neue Aerzener AT-Turbogebläse
Etwa ein Jahr nach der erwähnten Informationsveranstaltung wurde ein neues Aerzener Turbogebläse des Typs AT 100 - 0,6 (Antriebsleistung 75 kW) installiert. Das Aggregat hat in 14 Monaten seit seiner Inbetriebnahme 10.700 Bh absolviert und ist damit praktisch ohne Leerlaufzeiten rund um die Uhr im leistungsgeregelten Lastbetrieb gefahren worden - ein Beweis für seine optimale Auslegung. Dieses Aggregat mit einer Leistungsbandbreite von 36 bis 80 m3/min übernimmt jetzt als Grundlast-Erzeuger die Prozessluft-Versorgung der Kläranlage in Bremervörde. Die zwei Aerzener Drehkolbengebläse aus dem alten Versorgungskonzept können als Reserveanlagen und als Spitzenlast-Erzeuger automatisch zugeschaltet werden.
Nach Auskunft von Heiko Müller wird ca. 75 % der in der Kläranlage Bremervörde eingesetzten elektrischen Energie für die Erzeugung der Prozessluft eingesetzt. Deshalb war für das neue Konzept der besonders sparsame Umgang mit elektrischer Energie eine unabdingbare Voraussetzung. Im Vorfeld der Kaufentscheidung war ermittelt worden, dass unter Berücksichtigung der vorhandenen Beckentiefe ein Enddruck von 0,4 bar für eine optimale Belüftung ausreicht. Auf diesen Wert wurde das Laufrad des Turbos für höchstmögliche Energie-Effizienz ausgelegt. Alle drei Aerzener Anlagen, sowohl das neue AT-Turbogebläse als auch die zwei ca. 12 Jahre alten Drehkolbengebläse der Baureihe Delta Blower, wurden in einem separaten Gebäude installiert. Die Zuluft tritt von außen ein. Eine Filtermatte verhindert das Eindringen von Staub in das Aggregat. Die warme Abluft tritt mit Ventilator-Unterstützung aus dem Raum aus. Alle Aggregate speisen über eine gemeinsame Sammelschiene in der Station direkt in das Belebungsbecken ein. Eine Sonde im Becken ermittelt kontinuierlich den Sauerstoffgehalt und steuert über die Drehzahl der Aggregate die Liefermenge der Prozessluft. Das aufbereitete Wasser wird am Ende des Aufbereitungsprozesses mit einem Reinheitsgrad von ca. 95 % in die benachbarte Oste eingeleitet. „Mit diesem Konzept decken wir unseren Bedarf optimal und mit höchstmöglicher Energie-Effizienz. Das Turbogebläse arbeitet mit seiner großen Leistungsbandbreite trotz unserer stark schwankenden Einleitungsmengen zwischen 1.500 und 3.000 m3/Tag als ideale Grundlast-Anlage.
Die einstufigen, radialen AT-Turbogebläse verdichten absolut ölfrei. Ein integrierter Frequenzumrichter passt den Volumenstrom stufenlos an den aktuellen Bedarf an. Die Bedienung der Anlagen erfolgt in der Fronttür über ein Touchscreen-Bedienfeld und Taster für Start/Stop/Notaus. Eine optionale übergeordnete Steuerung regelt Verdichtergruppen stufenlos, überwacht Betriebszeiten, lastet die Anlagen gleichmäßig aus und ermöglicht den Datenaustausch zur Messwarte und zum Prozessleitsystem. Die Anlagen mit vier Stellschrauben zum Ausgleich von Bodenunebenheiten werden komplett anschlussfertig geliefert. Sie können ohne Fundament aufgestellt und nach Anschluss der Druckleitung und der Elektroversorgung sofort in Betrieb genommen werden.
Aerzener AT-Turbogebläse werden ohne Getriebe durch luftgekühlte Hochgeschwindigkeits-Permanentmagnetmotoren angetrieben und bedarfsabhängig drehzahlgeregelt gefahren. In den Permanentmotoren wird der Elektro-Magnetismus mit einem Permanent-Magnetismus des Rotors kombiniert. Dieser Rotor benötigt für seine Magnetisierung keine Energie. Da nur der Stator elektrisch magnetisiert wird, weisen Permanentmagnetmotore im Vergleich zu konventionellen Motoren einen höheren Wirkungsgrad auf. Das Turbo-Laufrad ist direkt auf die Motorwelle montiert. Die schmierstofffreien Luftlager garantieren einen wirtschaftlichen, zuverlässigen und wartungsarmen Betrieb und die Erzeugung absolut ölfreier Druckluft ohne Leckage-Risiko und ohne zusätzliche Altöl-Entsorgungskosten. Die anschlussfertige, kompakte Bauweise garantiert eine schnelle, einfache und kostengünstige Installation.
Die Aerzener Turbos arbeiten mit Umdrehungen bis 42.000 min-1 und mit berührungsfreien Luftlagern. Während der Anlaufphase dreht sich der Rotor zunächst einige Umdrehungen auf der Folie, erzeugt mit beginnender Drehzahl jedoch durch die eigene Rotation ein Luftpolster. Diese Luftpolster-Lagerung, vergleichbar mit der hydrodynamischen Gleitlagerung, wird auch als aerodynamische Lagerung bezeichnet. Nach Erreichen einer Mindestdrehzahl rotiert die Welle dann absolut berührungs- und verschleißfrei in der Lagerung. Anfallende einfache Service-Arbeiten beschränken sich bei den luftgelagerten AT-Turbogebläsen auf wenige einfache Handgriffe wie z. B. den Austausch der Filtermatten, die von geschulten Mitarbeitern des Betreibers selbst vorgenommen werden können.
AT Turbo Generation 5
Die Aerzener Maschinenfabrik hat die Technologie der luftgelagerten, drehzahlgeregelten Turbogebläse zu einem neuen Aggregatekonzept „Generation 5" weiterentwickelt. Pate standen dabei die Produkte Delta Blower und Delta Hybrid mit ihrem modularen Baukastensystem. Die neuen Turbogebläse aus Aerzen „AT Turbo Generation 5" stehen in folgenden Leistungsbereichen zur Verfügung:
- Volumenströme: 17 - 220 m3/min (1.000 - 13.200 m3/h)
- Druckbereich: 400 - 1.000 mbar, höhere Drücke auf Anfrage
- Einsatzbereiche: Luft-Überdruck-Erzeugung
Vorteile
- Verbesserung der Energieeffizienz durch den Einsatz eines zusätzlichen Kühlluftturbos und eine verbesserte Kühlluftführung innerhalb des Aggregates
- niedrige Wartungs- und Servicekosten, hohe Zuverlässigkeit und Langlebigkeit durch absolut ölfreie Luftspaltlagerung
- reduzierte Schallpegel durch neuartige Schallhaube und verbesserte Schalldämmung
- platzsparende Installation durch unmittelbare Side-by-Side-Aufstellung
- hohe Bedienerfreundlichkeit, einfache Installation und Inbetriebnahme durch gute Zugänglichkeit zu allen elektronischen Komponenten durch ausziehbares ‚Schubladenkonzept‘, integrierte Steuerung mit Touch Screen
- komplett anschlussfertige Lieferung
Zusätzlich bläst der neue „AT-Turbo Generation 5" die Abwärme nicht einfach in die Umgebung, sondern stellt - und das ist einmalig - die Abluft in einem gesonderten Flansch für eine weitere Nutzung dem Betreiber zur Verfügung. Intelligenter Nebeneffekt: kühle Betriebsräume, keine unnötige Erwärmung der Belebungsbecken und kostenlose Wärme dort, wo man sie haben möchte.
Maßgeschneiderte Prozessluft-Erzeugung
Der Prozessluft-Bedarf einer Kläranlage lässt sich vor allem dann mit höchstmöglicher Energie-Effizienz erzeugen, wenn er durch ein Verbundkonzept mit verschiedenen Maschinentypen mit unterschiedlichen Leistungen realisiert wird, die sich entsprechend ihren konstruktiven Eigenarten und Leistungsbereichen als ideale Grundlast- und Spitzenlast-Anlagen definieren lassen. So können die physikalischen Vorteile einer Strömungsmaschine (hohe Energieeffizienz im Auslegungspunkt) mit den Vorteilen von Drehkolbenmaschinen (hohe Regelbarkeit und guter Wirkungsgrad auch im Teillastbetrieb) ideal vereinigt werden. Mit den drei Baureihen Turbogebläse AT-Turbo Generation 5, Drehkolbengebläse Delta Blower und Drehkolbenverdichter Delta Hybrid liefert die Aerzener Maschinenfabrik dazu jetzt die optimalen Voraussetzungen. Die Kernkomponenten dieser neuen Turbo-Aggregate - das Laufrad, den Motor, den Frequenzumrichter und die Steuerung - baut Aerzener selbst im eigenen Haus.
Erzeugung des Grundlast-Bedarfs
- regelbare Aerzener Turbogebläse der Baureihe AT-Turbo Generation 5 (verfügbare Volumenströme: 1.000-13.200 m3/h, Druckbereich 400-1.000 mbar, Regelbereich: 40-100 %).
Erzeugung von Spitzen- oder Schwachlastbedarfen
- regelbare Aerzener Drehkolbengebläse der Baureihe Delta Blower (verfügbare Volumenströme: 100 -14.400 m3/h, Druckbereich 100 -1.000 mbar, Regelbereich 25 -100 %).
- regelbare Aerzener Drehkolbenverdichter der Baureihe Delta Hybrid (verfügbare Volumenströme: 670 - 5.900 m3/h, Druckbereich 100 -1.500 mbar, Regelbereich 25-100 %).