Anlagenbau & Prozesstechnik

Risikomanagement in der Praxis

Folge 7: Sicherheitsmängel bei Zulieferern bedrohen Lieferketten

21.05.2012 - Personen und Sachwerte zu schützen und Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, sind einige der wichtigsten Managementaufgaben. Die Herausforderung: Viele Gefahren sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.

CHEManager stellt regelmäßig Risiken und Lösungsansätze vor, auf die Sicherheitsbeauftragte und Werksleiter ein besonderes Augenmerk legen sollten - von A wie Ammoniak bis Z wie Zutrittskontrolle.

Produktionsverlagerungen in Schwellenländer und internationale Zulieferer sind in der chemischen Industrie schon lange keine Fremdworte mehr. In den jeweiligen Ländern gelten jedoch ganz andere und größtenteils deutlich niedrigere Sicherheitsstandards als in Deutschland. Unzureichende bauliche Vorgaben können z.B. eine mangelnde Erdbebensicherheit der Gebäude mit sich bringen. Aber auch niedrigere Standards im Brandschutz, Wartungsmängel oder lückenhafte Sicherheitskenntnisse der Mitarbeiter können zusätzliche Risiken bedeuten.

Auf der Hut sein

Die Empfehlung kann deshalb nur lauten, bereits bei der Auswahl des Zulieferers Risikoaspekte einzubeziehen. Sonst zeigt sich erst, wie sicher ein Zulieferer ist, wenn die Katastrophe schon da ist. Mangelt es am betrieblichen Risikomanagement oder an modernen Sicherheitsstandards, trifft die Katastrophe den Standort unvorbereitet und mit voller Wucht. Wenn Lieferketten plötzlich abreißen, spüren das schnell auch die Geschäftspartner in Deutschland. Dieses Phänomen war zuletzt nach der Flutkatastrophe in Thailand zu beobachten. Unzählige internationale Großkonzerne haben in der zweitgrößten Volkswirtschaft Asiens Produktionsstätten oder Zulieferer.

Einige der Standorte wurden komplett überflutet, andere erhielten keine Bauteile mehr von ihren Lieferanten. Industrieunternehmen kritisierten vor allem das schlechte Krisenmanagement der Regierung. Doch es zeigten sich auch Fehlkonzeptionen im Überflutungsschutz. Als der Pegel zu hoch stieg, wurden die Flutmauern der Industrieparks überspült.

Während die Wassermassen in anderen Stadtteilen aber wieder abfließen konnten, hielten die Flutmauern das Wasser in den Industrieparks wie in einem Swimmingpool zurück. Viele Betriebe waren über Wochen nicht zu erreichen. In solchen Situationen besteht auch ein erhöhtes Brandrisiko, weil Wasserdruck und Treibgut Gasleitungen und Elektroinstallationen beschädigen können. Ist dann kein adäquater Brandschutz in Form von Sprinkleranlagen vorhanden, besteht kaum eine Chance, einen Brand einzudämmen.

Risiko China

Wenn Zulieferer ausfallen, drohen aber nicht nur Produktionsstillstände, sondern auch Reputationsschäden für das eigene Unternehmen. Das Geschäftsgebaren von Zulieferern spielt für Kunden als auch für Geschäftspartner und Investoren eine immer größere Rolle. In Zeiten digitaler Medien kann das Unternehmensimage überraschend schnell leiden. Großkunden springen ab, Marktanteile schwinden und der Absatz bricht ein. Ein Zulieferer kann mitunter aus Erwägungen der Corporate Social Responsibility (CSR) untragbar werden. Dann gilt es zeitnah Alternativen zu finden. Dies zeigt sich wiederholt auch in China, welches das Handelsblatt bereits 2004 als die „größte Herausforderung für Europas chemische Industrie" bezeichnete. Regelmäßig kontaminieren Chemieunfälle ganze Landstriche und Gewässer.

Im Februar wurden große Teile des Jangtsekiang durch Phenol verseucht, das aus einem leckgeschlagenen Frachtschiff ausgelaufen war. Bereits im Januar kam es zu einer weiteren Umweltkatastrophe größeren Ausmaßes nahe der Stadt Liuzhou, einem der wichtigsten Standorte der Chemiebranche. Nach einem Unfall in einer Fabrik gelangten große Mengen Kadmium in den Fluss Liujiang, der unter anderem das Trinkwasser für die Vier-Millionen-Stadt liefert. Zunächst versuchte man vergeblich, durch das Öffnen von Schleusen die Kadmiumkonzentration zu senken.

Um das Kadmium zu neutralisieren, wurden schließlich rund 100 Tonnen Aluminiumchlorid in den verseuchten Fluss geschüttet. Abgesehen davon, dass in der lokalen Bevölkerung Panik wegen drohender Gesundheitsgefährdungen ausbrach, berichteten auch die chinesischen Medien ausführlich über den Zwischenfall. Der Ruf des betroffenen Unternehmens dürfte auf lange Zeit beschädigt sein.

Zusammenarbeit verstärken

Eine aktuelle Studie von FM Global untermauert, dass Zulieferrisiken gerade mit Blick auf China für die Industrie enorm an Bedeutung gewonnen haben. Das betrifft auch die wirtschaftlichen Folgen einer Naturkatastrophe in China, die noch dramatischer als die Folgeschäden in Japan und Thailand ausfallen dürften. Das Reich der Mitte ist erheblichen Naturgefahren, einschließlich Erdbeben, Stürmen, Überschwemmungen und Tsunamis ausgesetzt. Die Versorgungsketten wären massiv betroffen.

Vor allem, weil China viele der in Europa und den Vereinigten Staaten üblichen Risikomanagementverfahren und Sicherheitsstandards noch nicht in vollem Umfang eingeführt hat. Von den über 100 befragten multinationalen Unternehmen erklärten doppelt so viele, sie seien stärker auf China als Teil ihrer Versorgungskette angewiesen (86 %) als auf Japan (43 %).

Bei Industrieprodukten wäre schnell eine Verknappung spürbar, die sogar zu einer Inflation und zum Einbrechen von Aktienkursen führen könnte. Zwei Drittel der Firmen denken bereits darüber nach, zur Risikominimierung die Zusammenarbeit mit ihren chinesischen Lieferanten zu verstärken.

Dennoch stehen bei der Risikobewertung von Standorten meist geopolitische, rechtliche und finanzielle Fragen im Vordergrund. Der Analyse von Sicherheitsaspekten bei Betriebsgebäuden, Anlagen und Maschinen wird hingegen oft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei kann gerade eine Verringerung der Produktionsrisiken des Zulieferers dazu beitragen, die Störungsanfälligkeit der Lieferkette und die Ausfallwahrscheinlichkeit deutlich zu senken. Um aber potentielle Schwachstellen erkennen und beseitigen zu können, müssen Risikoverantwortliche das Zulieferer-Netzwerk ihres Unternehmens genau kennen. Meist erscheint dies zunächst leichter, als es tatsächlich ist.

Denn nicht nur Ausfälle direkter Zulieferer können die Wertschöpfungsketten beeinträchtigen - auch deren Lieferanten können für Produktionsausfälle sorgen, z.B. wenn Versorgungsunternehmen ausfallen.

Lösungsansätze

Ist ein Unternehmen ein wichtiger Abnehmer oder langjähriger Kunde, gestatteten es viele Zulieferer, Risikoaudits an ihren Standorten durchzuführen. Immer häufiger sind Zulieferer bereit, in ihre Schadenverhütung zu investieren, um ihren Status als bevorzugte Anbieter aufrechtzuerhalten. Tatsache ist: Je höher die Sicherheitsstandards des Abnehmers, umso wahrscheinlicher ist es, dass auch die Zulieferer ähnlich hohe Sicherheitsstandards anlegen.

Ist der Zugang zum Standort eines Zulieferers möglich, so gilt es, alle Anlagen und Prozesse kennen zu lernen, die für die Verarbeitung der relevanten Stoffe und Produkte wichtig sind. Dabei sollte man analysieren, ob der Zulieferer nur an einem oder an mehreren Standorten produziert, welche Gefahren an den Standorten drohen und wie lange der Zulieferer nach einem Großschaden brauchen würde bis er den Betrieb wieder aufzunehmen kann. Daraus lässt sich später ableiten, ob sich die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen verringern ließen, wenn die Arbeitsstoffe anderer Produzenten bezogen würden.

Zudem sollte jedes Unternehmen prüfen, ob der Zulieferer über einen Krisenplan für Betriebsunterbrechungen verfügt. Dann könnte er möglicherweise im Schadenfall mit der Produktion auf an einem anderen Standort ausweichen oder zusätzliche Kapazitäten bereitstellen, wenn andere Zulieferer ausfallen.

FM Global Studie „China and Natural Disasters - A Case for Business Resilience" zum Download (englisch)

Kontakt

FM Insurance Europe S.A.

FM Global, Taunusanlage 8
60329 Frankfurt am Main
Deutschland

+49 69 15406 0
+49 69 15406 199