Prozessvisualisierungssysteme müssen bedarfsgerecht gestaltet werden
24.04.2012 -
CITplus - Die Anfänge von Prozessvisualisierung in regulierten Industrien reichen bis in die neunziger Jahre zurück. Seither sind Bedienstationen in vielerlei Hinsicht weiter entwickelt worden. Neue Kommunikationstechnologien, größere Displaydiagonalen und geänderte Seitenverhältnisse und haben zu einem schwer überschaubaren Angebot geführt. In vielen Fällen können mit diesen Standardprodukten aktuelle Kundenanforderungen abgedeckt werden. Doch um auch die Veränderbarkeit und Erweiterbarkeit von Anlagen mit dem einmal beschafften Equipment zu gewährleisten bedarf es eines Systems von aufeinander abgestimmten, konfigurierbaren Produkten, die durch ein geeignetes Engineering ergänzt werden.
Bedien- und Beobachtungssysteme kommen in praktisch allen Branchen regulierter Industrien zum Einsatz. Bei der Produktion von Pharmazeutika, Nahrungs- und Genussmitteln, Kosmetik oder Duft- und Aromastoffen müssen Bedienstationen einerseits genau wie die umgebende Produktionsanlage GMP („Good Manufacturing Practise")-Bedingungen genügen. Andererseits müssen sie den vielfältigen Anforderungen an die Funktionalität entsprechen. Typische Einsatzgebiete, bei denen Visualisierung unter GMP-Bedingungen gefordert wird, sind die Überwachung und Steuerung von Prozessen und Maschinen sowie die Rezepturverwaltung.
Herausforderung GMP
Nur mit Hilfe leistungsfähiger Bedienstationen sind hohe Qualitätsstandards in regulierten Industrien zu gewährleisten. Beispiel Pharmaproduktion: Sowohl die Entwicklung und Freigabe eines Wirkstoffs, als auch die Produktion und das Qualitätssicherungssystem eines Arzneimittels ist reglementiert. Es muss lückenlos dokumentiert werden und wird in Audits und behördlichen Inspektionen überwacht. In der üblicherweise als Chargenfertigung ausgelegten Produktion werden für die Automatisierung und Anlagenführung meist Prozessleitsysteme eingesetzt, die eine Vielzahl von Messstellen zur Qualitätsüberwachung kontrollieren. Für diese batchorientierte Chargenfertigung von Arzneimitteln sind umfassende rezepturgesteuerte Schrittfolgen notwendig, wie sie heute von MES-Systemen („Manufacturing Execution System", Betriebsleitebene) auch papierlos auf dem Bildschirm zur Verfügung gestellt werden. Da bei dieser Art der Fertigung viele Interaktionen eines Anlagenbedieners vor Ort in der Fertigung notwendig sind, werden zur Überwachung und Steuerung der Prozesse die Bedienstationen und Eingabegeräte in der Anlage aufgestellt. Damit sind diese den gleichen GMP-Anforderungen unterworfen wie die gesamte Produktionsanlage.
Bei der konstruktiven Gestaltung der Bedienstationen ist vor allem die Umsetzung folgender GMP-Aspekte zu beachten, wie sie beispielsweise in den Verordnungen und Richtlinien der amerikanischen FDA oder der europäischen EMA niedergelegt sind:
- sehr gute Reinigbarkeit, keine versteckten und nicht einsehbare Spalte und Zwischenräume
- chemische Beständigkeit gegen die jeweils hergestellten Produkte und die verwendeten Reinigungs- und Desinfektionsmittel
- kein Abtrag der verwendeten Materialien
- fallweise Reinraumtauglichkeit für verschiedene Reinraumklassen
- für die üblicherweise verwendeten Folientastaturen die Verwendung von antibakteriell ausgerüsteten Tastaturfolien
Spezifische Funktionalität für regulierte Industrien
Die in der Pharmaanlage eingesetzten Bedienstationen müssen möglichst einfach und sicher an die oft weit entfernte Hardware des Prozessleitsystems oder des MES-Systems angebunden sein. Wie viele andere chemischen Prozesse, können sich die Arbeitsplätze in der Pharmaproduktion auch im explosionsgefährdeten Bereich durch Stäube- oder Gase befinden. Daher sind Zulassungen nach europäischen (ATEX), amerikanischen (UL, FM) oder anderen länderspezifischen Vorschriften erforderlich.
Beispiel Bio-Pharma-Produktion: Hier wird ein Wirkstoff meist mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen erzeugt. In einem Ansatzbereich werden die wertvollen Bakterienkulturen gepflegt und für die Fermentierung vorbereitet. Im Bioreaktor vermehren sich dann die Bakterien in einer Nährlösung. Dabei entsteht als Stoffwechselprodukt der gewünschte Wirkstoff oder Teile davon. Um das Arzneimittel zu erhalten, wird die Wirkstoffsuppe anschließend getrennt, gereinigt, eventuell chemisch weiterverarbeitet, getrocknet und konzentriert, anschließend in hoher Präzision dosiert und mit Füllstoffen vermischt. In allen Produktionsschritten werden regelmäßig Proben gezogen und im Fertigungslabor untersucht, um den nächsten Prozessschritt freizugeben und eventuell die Rezeptur und Fertigungsparameter den aktuellen Gegebenheiten anzupassen und um die höchstmögliche Gleichförmigkeit und Qualität des Endproduktes zu erreichen.
Um diesen anspruchsvollen Produktionsprozess optimal kontrollieren zu können, ist ein systemischer Ansatz der Bedienstationen unerlässlich:
- Technologien: In Kombination mit Prozessleitsystemen werden heute in der Regel netzwerkbasierte Remote-Monitore eingesetzt. Für spezielle Zwecke werden aber auch Panel-PCs oder Monitore mit und ohne KVM-Verlängerung genutzt.
- Doppelmonitorfunktion: Soll das Prozessleitsystem als auch das MES-System immer im Zugriff gehalten werden, um den Prozess zu überwachen und zu steuern und die Rezeptur abzuarbeiten, müssen für den Einsatz im Feld Doppelmonitorsysteme zur Verfügung stehen.
- Peripheriegeräte: Der Anschluss eines Barcodelesers zur Betriebsdatenerfassung oder ein RFID-Kartenleser zur Identifikation des Bedieners gemäß den GMP-Richtlinien (21 CFR Part 11, EMA Annex 11) sind ebenfalls erforderlich.
- Implementierte Netzwerkprotokolle: MES-Systeme arbeiten im Hintergrund meist auf einer Server-Farm mit dynamischer Lastverteilung von Citrix im Hauptquartier des Pharmaunternehmens, um eine zentrale Rezepturverwaltung zu ermöglichen. Neben dem RDP-Protokoll von Microsoft für die Kopplung mit den Host Rechnern, sollte daher auch das ICA-Protokoll von Citrix implementiert sein, um die Kommunikation mit der jeweiligen Serverfarm zu unterstützen.
- Die räumlichen Verhältnisse bei derartigen Produktionsprozessen können sehr unterschiedlich und gelegentlich beengt sein. Ein modulares System, mit dem Bedienstationen beweglich auf Boden, Wand oder Decke installiert oder als mobiles System eingesetzt werden kann, ist daher unabdingbar.
- Eine Konfigurierbarkeit der Bedienstationen hinsichtlich anwendungsspezifischer Parameter wie Displaygrößen, Maustypen, länderspezifischen Tastaturlayouts oder Befestigungsvarianten ist unerlässlich.
Jede Anlage bietet neue Herausforderungen. Ein Mix aus Grundkonstruktionen und mit konfigurierbaren Parametern sowie integrierbaren Peripheriegeräten kann viele, aber nicht alle Anforderungen abdecken. Nur, wenn mit Engineering Kompetenz das Produktangebot ergänzt ist, können wirklich alle Aufgabenstellungen bei der Prozessvisualisierung in regulierten Industrien gelöst werden. Dort, wo Standard-Systeme nicht ausreichen, sind Pre-Sales Beratung, die Erstellung von Machbarkeitsstudien und bei Bedarf alternative Lösungsvorschläge erforderlich.
Erst die bedarfsgerechte Gestaltung eines Bedienstationen-Systems in Kombination mit Engineering Kompetenz gewährleistet ein Optimum an technischer Flexibilität, Kosten und Realisierungszeiten für den Kunden.