Kapazitätserweiterung: Stada optimiert Standort Bad Vilbel
13.10.2011 -
Kapazitätserweiterung: Stada optimiert Standort Bad Vilbel
Am Standort Bad Vilbel stellt Stada feste, halbfeste und flüssige Arzneiformen her. Eingebettet in eine globale Strategie wurde die Produktion den veränderten Umständen angepasst. Eine Kapazitätserweiterung und die Optimierung der Personal- und Materialflüsse standen dabei im Mittelpunkt. Alle Arbeiten fanden bei laufendem Betrieb statt und mussten so erfolgen, dass eine GMPgerechte Produktion von Arzneimitteln ohne Unterbrechung gewährleistet wurde. Als Generalübernehmer zeichnete die Carpus + Partner für die Planung und Durchführung des Projekts verantwortlich. Der GMP-gerechte Umbau der Wasseraufbereitungssysteme erfolgte durch die Christ Pharma & Life Science.
Zunächst musste die technische und räumliche Ausgangssituation in Bad Vilbel erfasst werden. Es handelte sich dort um einen typischen „gewachsenen“ Standort mit Gebäuden, die mittlerweile das fünfundvierzigste Nutzungsjahr überschritten haben. Lichteinfall und Raumhöhen sowie die Tragfähigkeit der Decken entsprachen nicht dem heutigen Standard. Der anvisierten GMP-gerechten Kapazitätserweiterung standen ebenfalls die offenen Installationen, eine ungeregelte Klimatisierung, die vorgefundene Anordnung und Funktion der Räume sowie die schwer zu reinigenden Wände und Decken entgegen. Nach der Erhebung des Bestands begannen die Konzeptphasen bzw. Planungen zur Umsetzung der Ziele. Integrale Bestandteile waren hier auch der Brand und Schallschutz.
Change Control
Ein GMP-gerechter Umbau bei laufendem Betrieb zieht Besonderheiten im Ablauf nach sich. Generell müssen die Produktionsausfallzeiten einzelner Bereiche und Anlagen weitgehend minimiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine dezidierte und akribische Planung und Steuerung der Bauprozesse nötig. Hier wird vom Projektmanagement und allen Planungsbeteiligten eine hohe Professionalität verlangt. Ein funktionierendes Team ist die Grundvoraussetzung dafür.
Alle Vorbereitungen baulicher Art (neue Verkehrswege, Zugang für Montagepersonal usw.) finden an Wochenenden statt. Produktionsanlagen müssen demontiert, Provisorien errichtet und wieder umgesetzt werden. Staub- und Schallschutz während der Bauarbeiten sind von hoher Wichtigkeit. Eine Baureinigung geht einher mit einer Reinraumreinigung der Provisorien auf GMP-Niveau. Umleitungen für Personal und Material wechseln bauabschnittsbezogen und werden dem Projektfortschritt angepasst. Die temporäre Sperrung von Gebäudeteilen und Parkplätzen ist an der Tagesordnung.
Vor dem Hintergrund der Hygieneanforderungen einer Pharmaproduktion ist die Einbindung aller am Bau beteiligter Firmen in die Grundsätze der GMP von hoher Wichtigkeit. Die Stillstandszeiten für Anlagenteile, Demontage, Ausbringung und Montage der Maschinen und Zwischennutzung von Bereichen für Provisorien werden bedacht. Eine Qualifizierung von Räumen und Anlagen ist der Schlusspunkt des Change Control-Verfahrens, das jeden Verlagerungsschritt bis zum Projektende begleitet. Jeder Bauabschnitt wird ebenfalls von einem Qualitätssicherungsausschussgremium geprüft und freigegeben.
Konzept
In der Konzeptphase werden die Produktions-Layouts entwickelt. Moderne Planungsverfahren machen es möglich, hier die beste Lösung zu finden. Die Strömungssimulation beispielsweise hilft dabei, die exakte Auslegung und Optimierung von raumlufttechnischen Anlagen zu erreichen. So werden für verschiedene Betriebsfälle Temperaturund Geschwindigkeitsfelder genauso berechnet wie Luft- Vermischungsprozesse oder die Aufkonzentration von leichtflüchtigen Substanzen während eines Reinigungszyklus.
Im aktuellen Fall lag ein besonderes Augenmerk auf der Ausbildung der Lüftungsanlage. Zur Erreichung optimierter Raumhöhen wird nun die neue Zuluft von zwei Seiten in die Ebenen des Gebäudes hereingeführt. Die Zulufttrassen laufen hierbei in der Mitte der Ebenen, die Ablufttrassen werden an den Fassadenseiten zurückgeführt. Hierdurch sind Kreuzungen von Zu- und Abluft ausgeschlossen. Die Zuluftauslässe werden als Spezialauslässe in die Rippendecke integriert um die maximal erreichbare Raumhöhe zu erhalten.
Synchronisierung von Umbau und Produktionsplanung
Rund ein halbes Jahr vor Baubeginn setzt die Planung zur Vorproduktion ein. Interne- und externe Kunden müssen informiert und „Herstellkampagnen“ angepasst werden. Hiermit verzahnt ist auch die Frage nach Haltbarkeit und Lagerung der Produktionsgüter. Der Zeitraum für Stilllegung, Abbau, Neuaufstellung, Inbetriebnahme, Kalibrierung und Qualifizierung einer Anlage muss dem normalen Produktions-Zeitansatz zugerechnet werden.
Die Inbetriebnahme und Qualifizierung erfolgt sukzessive. Eine besondere Herausforderung hierbei ist das Zusammenführen alter und neuer Technik. Am Beispiel des GMP-gerechten Umbaus der AP-Wasserversorgung bei laufendem Betrieb wird dies deutlich.
Sicherstellung der Wasserversorgung
Bei der Produktion des benötigten Aqua Purificata (AP-Wasser) setzte Stada bisher auf eine 18 Jahre alte Anlage zur Wasseraufbereitung nach dem Mischbett-Ionenaustauschverfahren mit nachfolgender Sterilfiltration. Im Jahr 2000 kam mit der Septron-Line von „Christ“ eine kompakte Einrichtung dazu, die nach dem Prinzip der Umkehrosmose und mit der patentierten Technologie der Elektrodeionisation arbeitet. Der Mischbett-Ionenaustauscher wurde mit seiner Stichleitung komplett abgebaut und brauchte nicht durch ein neues Anlagensystem ersetzt zu werden. Die bereits im Einsatz befindliche Septron-Line konnte genutzt werden und fing die Herstellung des benötigten AP Wassers für die Produktion von Salben und Liquida im Gebäude H14 auf.
Die bestehende Ringleitung wurde erweitert und an einen GMP-gerechten Tank mit ausreichendem Fassungsvermögen angeschlossen. Dieser musste zusätzlich installiert werden, um das AP-Wasser zu lagern. Mit dem so genannten Loopo-System (Abb. 2) kam eine anschlussfertige Kompaktanlage dazu, mit der sich das Aqua Purificata verteilen, kontinuierlich desinfizieren und überwachen lässt. In Kombination mit der bestehenden „Septron Line“ entstand so eine sichere und wirtschaftliche Anlage aus einem Guss. Die ehemalige Stichleitung mit einer Zapfstelle konnte durch ein Ringleitungssystem mit mehreren Zapfstellen am „point of use“ ersetzt und die AP-Wasserversorgung in Gebäude 14, für die Produktion sicher gestellt werden.
Kompakte Anlage – große Leistung
Mit 140 bis 1.200 l/h AP-Wasser zählt die Septron-Line zu den kleineren Anlagen. Trotzdem werden die Spezifikationen der GMP-Richtlinien gemäß der europäischen Pharmakopoe weit unterschritten. An jeder Zapfstelle wird eine Leitfähigkeit unter 1,3 μS/cm eingehalten. Die Anlagekomponenten sind in einer kompakten, totraumarmen Konstruktion miteinander verbunden, ohne verkeimende Schlauchverbindungen und Zwischenbehälter. Werkstoffe wie Edelstahl oder PDVF sowie der automatische Desinfektionsablauf schützen das Wasser gleichfalls vor Verkeimung.
Im laufenden Betrieb liegt die Keimzahl unter 5 KBE/ml. Auch die organische Qualität des APWassers ist beachtlich. Der TOC- Gehalt reduziert sich auf weniger als 50 ppb. In der Septron- Line wird das eingesetzte Trinkwasser zunächst filtriert, um einer Verunreinigung der Anlage vorzubeugen. Anschließend wird es enthärtet, um bei der folgenden Entsalzung durch die Umkehrosmose eine hohe Ausbeute zu erzielen. Ein Polisher entfernt die Härtebildner im Permeat. Ein nachgeschalteter Sicherheitsfilter hält noch vorhandene Partikel zurück.
Das aufbereitete Wasser der Umkehrosmose wird nun den Septron-Modulen zugeführt und vollständig entsalzt. Septron ist ein Elektrodenionisationsmodul mit integrierter Membranstufe. Es basiert auf der Technologie der Elektrodeionisation (EDI). Dieses innovative Verfahren erfolgt durch elektrischen Strom ohne Zugabe von Chemikalien bei geringem Energieeintrag. Die Vorteile der Umkehrosmose mit nachgeschalteter EDI gegenüber dem Ionenaustauschverfahren sind ersichtlich: Organische Verunreinigungen können entfernt werden, was eine höhere, mikrobiologische Qualität des Wassers sichert. Während mit der Ionenaustauschtechnik Säuren und Laugen eingesetzt werden mussten, kommt die Umkehrosmose ohne chemische Zusätze aus. Abwässer sind kein Thema mehr.
Hygiene-Management
Zur Förderung des produzierten Aqua Purificata wurde ein GMPgerechter Tank installiert. AP Wasser kontinuierlich keimfrei zu halten, stellt eine Herausforderung dar. Das betrifft vor allem die Bereiche Lagerung und Verteilung des Wasseraufbereitungssystems. Wasser, das aufbereitet wurde, soll, möglichst ohne Qualitätsverlust, zum Verbraucher geleitet werden.
Eine Ozon- und UV-Nachbehandlung sorgen dafür, dass die mikrobiologische Qualität des Wassers erhalten bleibt. Ein elektrolytischer Ozongenerator sanitisiert das AP-Wassersystem wirksam und umweltgerecht. Ozon entsteht durch Elektrolyse des hochreinen Wassers und wird durch einen Bypass in den Rückkreislauf eingeführt. Es eliminiert nicht nur die Mikroorganismen, sondern bietet zusätzlich einen konstanten Netzschutz für Lagertank und Verteilsystem. Eine UV-Behandlung zerstört das Ozon vor Eintritt in das Verteilsystems. Das Loopo- System und die Tanks können mit heißem Wasser sanitisiert werden (>80 °C). Chemie zur Desinfizierung kann auch hier gänzlich entfallen.
Erweiterung der Ringleitung
Nach Abbau der Stichleitung wurde die bereits bestehende Ringleitung um 350 mr erweitert und an den neuen Lagertank angeschlossen. Danach wurde ein neues Ringleitungssystem aufgebaut. An 12 handbedienten Zapfstellen kann jetzt Wasser in einer Qualität entnommen werden, das die Anforderungen nach USP, Europäische Pharmakopoe und ISO 3696 mehr als erfüllt. Die Versorgung mit AP-Wasser wird vollautomatisch betrieben. Das Anlagensystem ist einfach zu bedienen. Steuerung und Schreiber zur Überwachung der Wasserqualität befinden sich im Loopo-System. Durch den Einsatz dieser vorqualifizierten Kompaktanlage ließen sich Zeit und Kosten für die Qualifikation vor Ort sparen. Die komplette Fertigungs- und Anlagendokumentation wurde geprüft. Die Inbetriebnahme konnte verkürzt, ihre Risiken und Kosten gesenkt und die Sicherheit erhöht werden.