Design für die Fabrik der Zukunft
Hightech-Pharmaproduktion von B. Braun in der Schweiz setzt Maßstäbe
Im Juni 2010 hat B. Braun Medical sein neues Produktionswerk am Standort Crissier nahe Lausanne in der französischen Schweiz in Betrieb genommen. Die Hightech-Anlage produziert Infusionsbeutel für den Stammsitz in Melsungen. Als Generalplaner hatte der Pharmakonzern die Heidelberger i+o Industrieplanung + Organisation und ihr Tochterunternehmen PhC PharmaConsult beauftragt.
Schon heute setzt die neue Fabrik hohe Maßstäbe, denn das Projekt wurde in einer enorm kurzen Zeitspanne realisiert. Nur 18 Monate waren vom Beginn der Entwurfplanung bis hin zur Übergabe der ersten Ausbaustufe vergangen. Jetzt läuft der Betrieb komplett rund: Der Standort hat bereits die ersten Testchargen von Infusionsbeuteln produziert. „Bei Vollauslastung werden wir künftig an sieben Tagen die Woche in drei Schichten Ein- und Mehrkammerbeutel herstellen und verpacken", beschreibt Projektleiter Dr. Bruno Legrand. „Anschließend werden die Weichbeutel zur weiteren Befüllung in die L.I.F.E. Nutrition Fabrik nach Melsungen geliefert."
In der L.I.F.E. Nutrition Fabrik in Nordhessen betreibt der Medizintechnik- und Pharmahersteller eine der modernsten Infusionslösungsfertigungen in Europa mit eigenem Logistikzentrum. Dieses Megaprojekt mit einer Gesamtinvestitionssumme von fast 200 Mio. € befindet sich kurz vor der Fertigstellung und soll Ende des Jahres 2010 in Betrieb gehen. Das Expertenteam von i+o und PhC übernahm hier die Reinraumplanung und das Monitoring, die gesamte Logistik- und IT-Planung sowie das übergeordnete Projektmanagement. Ähnlich knapp wie in Crissier war das Zeitfenster auch in Melsungen, denn zwischen Grundsteinlegung Produktionsbeginn liegen nur 24 Monate.
In Crissier fiel der Startschuss bereits Mitte Juni. Der Standort ist künftig die zentrale Fertigungsstätte für Infusionsbeutel zur künstlichen Ernährung. Über 12 Mio. Einheiten sollen dort jährlich produziert werden und bis zu 400 Personen sollen langfristig am Standort Crissier beschäftigt sein. „Das Werk Crissier übernimmt künftig eine tragende Rolle", verdeutlicht Dr. Legrand. „Neben der durchgängigen Versorgung des Flagschiffs L.I.F.E. Nutrition in Melsungen stellen wir sicher, dass neue Erkenntnisse und Anforderungen kontinuierlich in unsere Produktentwicklung mit einfließen."
Flexibel erweiterbare Produktion
Mit einer Gesamtfläche von rund 9.000 m2 in der ersten Ausbaustufe verstärkt der zweigeschossige Fabrikneubau in der Schweiz die bestehende Produktionseinrichtung. Im Erdgeschoss befindet sich das neue „Center of Excellence", das nach Reinraumklasse „C" für die Herstellung der Infusionsbeutel ausgelegt ist. Eine zweite Ebene mit einer Fläche von 4.000 m2 vervollständigt den Bau, dort können zukünftig weitere Produktionslinien installiert werden. Ernst Sander, Geschäftsführer bei PhC und Projektleiter: „Dies ermöglicht es, die Produktion schnell und ohne großen finanziellen Aufwand hochzufahren oder sogar umzustellen." B. Braun-Produktionsleiter Dr. Legrand ergänzt: „Medizinprodukte sind sehr innovativ, deshalb muss sich die Fertigung den Lebenszyklen der Produkte und Prozesse flexibel anpassen können."
In enger Abstimmung mit dem Kunden entwickelte das Beraterteam die Konzeptstudie für den Fabrikneubau in Crissier und übernahm dort das Engineering sowie die gesamte Projektsteuerung. Zu den weiteren Aufgaben gehörte die Entwurf- und Detailplanung bis hin zur Übergabe der ersten Ausbaustufe. Besonderes Augenmerk legten die Experten auf die optimale Ausgestaltung der Prozesse nach den internationalen GMP-Anforderungen. Schließlich gelten in der Pharma- und Lebensmittelindustrie besonders hohe Richtlinien hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit.
Die Infusionsbeutel kommen in der klinischen Versorgung für die parenterale Ernährung zum Einsatz. Sie enthalten in drei separaten Kammern verschiedene Flüssigkeiten, etwa Aminosäuren und Kohlenhydratlösungen sowie Fettemulsionen. Die Kammern sind wiederum mit einer dünnen Naht verbunden, die vom Pflegepersonal durch Aufdrücken geöffnet werden kann. Im täglichen klinischen Gebrauch erweisen sich die Beutel als sicher und einfach in der Handhabung, sie lassen sich leicht und kostengünstig lagern und sind außerdem umweltfreundlich in der Entsorgung.
Öko-Maßnahmen für energieeffizienten Betrieb
Das zweigeschossige Gebäude ist in der Höhe modular konzipiert und erlaubt somit die Erweiterung durch zusätzliche Etagen. In diesem Zuge hat das Planerteam der i+o die gesamte Statik, das Fundament sowie die Gebäudetechnik bis hin zu den Treppenaufgängen für zwei weitere Stockwerke ausgelegt.
Weiterhin wurden zahlreiche Umweltaspekte integriert: So ist das Gebäude in Richtung Nord-Süd ausgerichtet, um eine optimale Nutzung des Tageslichts zu gewährleisten. Das natürliche Licht schafft nicht nur eine angenehme Arbeitsatmosphäre sondern hilft auch, die Energiekosten beim Betrieb der Anlage zu senken. Für eine zusätzliche Stromersparnis sorgt die durchgängige Verwendung von LED-Technologie bei der Außenbeleuchtung.
Transparenz in der Produktion war für B. Braun ein wichtiger Schwerpunkt. Deshalb verfügt die Westfassade über eine großflächige Dreifachverglasung, wie bei energieeffizienten Passivhäusern. Eine zusätzliche Beschichtung der Scheiben reflektiert dabei genau den Teil der Sonnenstrahlung, der die Innenräume im Sommer stark aufheizt. Damit wird ganzjährig ein angenehmes Raumklima geschaffen, gleichzeitig lassen sich Heiz- und Kühlenergie sparen.
Eine Besonderheit der 115 m langen Westfassade ist, dass komplett auf Jalousien verzichtet wurde. „Für eine gläserne Produktion war dies eine zentrale Vorgabe von B. Braun", erklärt Jeremy Hotchkiss, i+o, der beim Projekt in Crissier für die Masterplanung und das Architekturkonzept verantwortlich war. „Gemeinsam mit dem Kunden haben wir eine schnelle und effektive Lösung entwickelt." So wurde eine spezielle Sonnenschutzkonstruktion konzipiert, die über die gesamte Länge der Fassade übermäßige Sonneneinstrahlung abhält. Das Planerteam überprüfte dies vorab durch eine Simulation, mit dem Ergebnis, dass sich dadurch über das gesamte Jahr rund 97 % der Sonneneinstrahlung vermeiden lassen. „Weiterhin prägen die vorgelagerten, rund 4 m tiefen Sonnenschutzmodule die Charakteristik des Neubaus und verleihen ihm eine 3D-Optik", so Hotchkiss.
Durch den Neubau erhielt auch die bestehende Einrichtung ein Upgrade: Beide Gebäude wurden auf ein hygienisches Gesamtkonzept gebracht, dass den GMP-Vorgaben entspricht. So hat die i+o z.B. den Personalfluss neu strukturiert, denn es gibt für die Mitarbeiter nur noch einen Eingang mit einer zentralen Umkleide. Ebenso haben die Planer das Gebäude so konzipiert, dass die Besucherzufahrt und der Anlieferungsbereich voneinander getrennt sind.
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