Chemie & Life Sciences

Metallfrei, effektiv, sicher und kostengünstig

Organokatalyse für die Asymmetrische Synthese

13.09.2010 -

Metallfreie Organokatalysatoren haben sich in der jüngeren Vergangenheit als neue Katalysatorklasse etablieren können. Ihre Entwicklung schreitet nach wie vor stürmisch voran. Sie eröffnen neue Wege für die Herstellung einer Vielzahl von Produkten. Insbesondere enantiomerenreine Verbindungen, etwa aus den Bereichen Pharma oder Pflanzenschutz, können ohne Einsatz von Metallen und im Allgemeinen unter einfachen Reaktionsbedingungen erhalten werden.

Eine Vielzahl industrieller organisch-chemischer Transformationen wird mit Hilfe von Katalysatoren ausgeführt. Wenn es um die Herstellung chiraler, enantiomerenreiner Verbindungen geht - z.B. im Bereich Pharmaka oder Pflanzenschutz - waren bisher zwei Arten von Katalysatoren prominent vertreten: Zum einen Metallkomplexe mit chiralen Liganden, zum anderen Biokatalysatoren. Erstere basieren oftmals auf teuren Edelmetallen und/oder toxischen Schwermetallen, Biokatalysatoren (Ganzzell-Systeme oder isolierte Enzyme) können eine lange Entwicklungszeit haben und sind insbesondere für „bio-kompatible" Reaktionen geeignet. Organokatalysatoren stellen nun eine dritte Klasse an Katalysatoren dar.

Vorteile in vielerlei Hinsicht

Unter dem Begriff der Organokatalysatoren werden kleine (Molmasse typischerweise < 1000 g/mol) organische Moleküle zusammengefasst, die organisch-chemische Umsetzungen, wie z.B. Aldolreaktionen, Michael-Additionen, Alkylierungen, Cycloadditionen, Epoxidierungen, Reduktionen/Oxidationen, mit vielfach extrem hohen Selektivitäten zu katalysieren vermögen. Die eingesetzten enantiomerenreinen Organokatalysatoren sind in den meisten Fällen in wenigen Schritten aus leicht zugänglichen chiralen Ausgangsmaterialien (z.B. „chiral pool" von Naturprodukten wie Aminosäuren und Zucker) herstellbar, was die Organokatalyse aus ökonomischer Sicht interessant macht. Typische Strukturmotive sind Amine, Aminosäuren, Harnstoffe und Thioharnstoffe.

Durch Fluorierung „sensibler" Positionen der Katalysatoren können eine erhöhte Reaktivität und Katalysatorstabilität erreicht werden. Die Tatsache, dass diese Organokatalysatoren keine (Schwer-)Metalle enthalten, entledigt den Produzenten von Trenn- und Entsorgungsproblemen, was ökonomisch wie ökologisch vorteilhaft ist. Auch der Aspekt, dass keine extremen Luft- und Feuchtigkeitsempfindlichkeiten bestehen, ist für die Praxis sehr attraktiv. Organokatalysatoren können zumeist einfach an Trägermaterialien immobilisiert und damit „heterogenisiert" werden.

Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft

Die von Organokatalysatoren bewirkten Reaktionsbeschleunigungen beruhen in den meisten Fällen auf ihrer Funktion als Brønsted- bzw. Lewis-Säuren und -Basen. Die Wechselwirkung mit dem organischen Substrat, etwa die Aktivierung einer Carbonylfunktion durch Ausbildung von Wasserstoff-Brücken, oder Umwandlung zum Iminium-Ion sind Katalyseprinzipien, wie sie auch für metallfreie Enzyme gefunden werden.

Die Organokatalyse ist somit in vielen Fällen „biomimetisch". Sie hat jedoch den Rahmen biologisch möglicher Transformationen lang gesprengt und ermöglicht bereits heute den Zugang zu einer großen und ständig zunehmenden Vielfalt von Produktklassen. Neuere Entwicklungen schließen neben den für die organische Chemie typischen polaren Elektrophil-Nukleophil-Reaktionen auch Radikalreaktionen ein. Auch lang etablierte Methoden wie die Phasentransfer-Katalyse haben von der Aufbruchstimmung profitiert. Neue Katalysatorgenerationen wurden entwickelt, die bezüglich Selektivität und insbesondere der sehr geringen Einsatzmengen alles bisher da gewesene in den Schatten stellen.

Einsatzmengen und Zeitaufwand

In ihrer „Frühphase" wurde den organokatalytischen Verfahren vielfach entgegengehalten, dass sie vergleichsweise hohe Katalysatorbeladungen (typischerweise 5-10 mol-%) benötigen und lange Reaktionszeiten erfordern. Spätestens seit der stürmischen Entwicklung der chiralen Brønsted-Säuren ist auch dieser Vorbehalt „vom Tisch": Chirale Brønstedsäuren sind im Allgemeinen Derivate der Phosphorsäure oder der Schwefelsäure, die durch Verknüpfung mit leicht zugänglichen chiralen "building blocks", etwa dem BINOL, erhalten werden. Mit diesen Katalysatoren kann eine breite Palette von neuen Reaktionen (insbesondere Cycloadditionen, konjugierte Additionen verschiedenster Art, letztlich alle „säurekatalysierten" Reaktionen) schnell und dennoch hochselektiv katalysiert werden - und dies mit Katalysatorbeladungen die ein bis zwei Größenordnungen niedriger liegen, d.h. im Bereich von weniger als einem Molprozent.

Fazit

Wenngleich die Organokatalyse ihren dramatischen Aufschwung erst ab etwa 2000 nahm, darf dennoch nicht unerwähnt bleiben, dass ihre Wurzeln bis in das frühe 20. Jahrhundert zurückreichen. Interessanterweise wurde ein großer Durchbruch zur organokatalytisch-enantioselektiven Synthese in den 1970er Jahren von Forschern aus der pharmazeutisch-chemischen Industrie erzielt (Synthese von Steroid-Vorstufen). Heute kann sicher davon ausgegangen werden, dass die derzeit in erster Linie im Bereich der „Academia" entwickelten Organokatalysatoren mehr und mehr Einzug in industrielle Verfahren finden werden.


Organokatalyse für die Asymmetrische Synthese
2. und 3. Dezember 2010, Berlin, Kurs: 034/10
Leitung: Prof. Albrecht Berkessel und Prof. Benjamin List

Anmeldung/Information:
Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Fortbildung
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