Optimierungspotenziale erkennen und einplanen
Beratungsförderung Hessen-PIUS für ganzheitlichen Umweltschutz bei KMU
In chemischen Betrieben empfiehlt es sich, Umweltschutz als ganzheitliche Aufgabe zu verstehen. Denn er stellt mehr als einen Seitenaspekt an den Endpunkten der Produktion dar. Dass es sich lohnt, dabei alle Produktionsanlagen als eine Einheit zu betrachten, verdeutlicht das Beispiel von Süss Oberflächentechnik aus Wetzlar. Das Unternehmen hat sich auf die Veredelung von Oberflächen mit galvanischen und Eloxalverfahren spezialisiert. Seit dem Neubau seiner Produktionshalle für den Eloxalbereich nutzt der Betrieb eine automatische Anlage, die Abwässer aufbereitet. Durch deren Einsatz wurden nicht nur der Ressourcenverbrauch und die anfallende Abwassermenge drastisch reduziert. Das veränderte Verfahren ermöglichte auch eine weiter verbesserte Produktionsqualität. Zur Vorbereitung einer Anlagenerneuerung im Galvanik-Bereich nutzte der Oberflächenveredler das Beratungsförderungsprogramm Hessen-PIUS für produktionsintegrierten Umweltschutz.
„Unsere Eloxalproduktion zeigt, welche Verbesserungen sich durch größere Ressourceneffizienz erreichen lassen", ist Doris Süss-Schnadmann, geschäftsführende Mehrheitsgesellschafterin der Süss Oberflächentechnik, überzeugt. In der rechnergesteuerten automatischen Anlage für den Gleichstrom-Schwefelsäure-Prozess setzt das Unternehmen mehrstufige Verfahren zur Abwasseraufbereitung ein. Beim Eloxieren lösen sich Aluminiumionen aus der Kathode und stören den Prozess. In einer Retardationsanlage wird deshalb bei fortschreitender Aluminiumkonzentration mittels eines Spezialharzes die Schwefelsäure von den Aluminiumionen getrennt und anschließend mit Wasser in das Eloxalbad zurückgeleitet. „Durch diese Technik können wir die Aluminiumkonzentration im Eloxalbad konstant halten. Das ermöglicht uns auch eine gleichbleibende Produktionsqualität", erklärt Doris Süss-Schnadmann. „Hätten wir diese Anlage nicht, würden sich die Produktionsbedingungen während des Prozesses laufend verändern. Dadurch wären wir gezwungen, einerseits mit höherem Stromfluss an den Elektroden zu arbeiten. Andererseits müssten wir mehr Energie für die Kühlung der Anlagen einsetzen, denn durch den stärkeren Stromfluss würde auch mehr Abwärme entstehen", verdeutlicht die Geschäftsführerin den Einspareffekt.
Jährliche Einsparungen von 20.000 €
Während der Bearbeitung im Eloxalbad durchläuft ein Werkstück etwa 50-60 Prozessschritte. Dazu gehören immer wieder gründliche Spülungen. Die Menge der dabei entstehenden Phosphorsäureabwässer verringert Süss durch den Einsatz eines Vakuumverdampfers, der die gelösten Stoffe von der Flüssigkeit trennt, drastisch: „Von 100 Litern bleiben nur noch zwei übrig", unterstreicht Süss-Schnadmann den ökologischen Effekt. Der macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar: Weil nur noch rund ein Zehntel der ursprünglichen Abwassermenge entsteht, spart das Unternehmen pro Jahr rund 20.000 € Entsorgungskosten.
Durch die positiven Ergebnisse ermutigt und mit dem Ziel weitere Optimierungsmöglichkeiten zu identifizieren, beteiligte sich Süss Oberflächentechnik als eines der ersten Unternehmen an dem Förderprogramm Hessen-PIUS. Darüber unterstützt das Hessische Wirtschaftministerium - co-finanziert durch EU-Mittel - Unternehmen, die auf mehr produktionsintegrierten Umweltschutz setzen möchten. Dabei können diese das Know-how eines Netzwerks von Beratungsfirmen aus dem Umwelttechnologiesektor in Anspruch nehmen. Das Land übernimmt die Hälfte der Beratungskosten - bis zu einer Höhe von 8.000 € in drei Jahren und für maximal zehn Beratungstage. Im Fall von Süss in Wetzlar sollten die Experten im Hinblick auf die Modernisierung der Produktion im Galvanikbereich die Optimierungspotenziale des gesamten Unternehmens ausloten.
PIUS-Beratung vor Anlagenplanung
Durchgeführt wurde das Projekt unter der Leitung der Beratungsfirma Ecowin aus Wettenberg. Analysiert wurden die Bereiche Energie, Restabfallentsorgung und Wasserwirtschaft. Zunächst ermittelten die Berater wichtige Eckdaten zum Status quo bei Süss und werteten diese aus. Anschließend erfolgte eine Vor-Ort-Begutachtung der Produktionsanlagen, für die Ecowin externe Experten hinzuzog. Auf Basis der Beobachtungen entwickelten diese Optimierungsvorschläge, die in einem Abschlussbericht für das Unternehmen zusammengefasst wurden.
Zu den Resultaten: Die Auswertung der Experten hat verdeutlicht, dass das Unternehmen durch seine Abwasseraufbereitungsanlage im Entsorgungsbereich bereits einen hohen Optimierungslevel erreicht hat. Durch organisatorische Maßnahmen sind noch gewisse Einsparungen möglich, etwa durch eine sorgfältigere Trennung zwischen Papier- und Restmüll sowie die Überprüfung der Entsorgungsverträge.
Als der Bereich mit dem größten Optimierungspotenzial hatte sich rasch die Energieversorgung herauskristallisiert (vgl. Abbildung). Hier machen sich bereits kleine Veränderungen deutlich bemerkbar: Moderne Leuchtstofflampen benötigen für dieselbe Leuchtkraft nur noch rund 40 % der Energie. Deshalb ist ihr sukzessiver Austausch geplant. Die größten Einspareffekte beim Energieverbrauch können jedoch in der Produktion erzielt werden. Sowohl Galvanik als auch das Eloxalverfahren benötigen große Mengen an Strom und Heizenergie. „Nennenswerte Einspareffekte können wir fast ausschließlich im Energiebereich erzielen", bestätigt Doris Süss-Schnadmann.
Integriertes Gesamtkonzept für Blockheizkraftwerk
Weil speziell beim Galvanisieren ein hoher Stromverbrauch entsteht, schlug das Beratergremium der Firma Süss die Errichtung eines Blockheizkraftwerks vor. Idealerweise sollte dies den kompletten Energiebedarf des mittelständischen Unternehmens abdecken. Süss verspricht sich zudem von der Nutzung des Kraft-Wärme-Kopplungsprinzips, dass sich die bei der Stromproduktion ansonsten wirkungslos „verpuffende" Abwärme nützlich zweitverwerten lässt - etwa zum Betrieb des Vakuumverdampfers in der Abwasseraufbereitungsanlage des Eloxalbereichs oder zur Trocknung des Galvanikschlamms, dessen Entsorgung dann außerdem deutlich kostengünstiger werden würde. Bislang konnte noch keines der Blockheizkraftwerke, das dem chemischen Betrieb seit dem Abschluss der PIUS-Beratung angeboten wurde, diesen Ansprüchen gerecht werden. Denn die angebotenen Anlagen hätten als einfache Standardmodelle in Wetzlar errichtet werden sollen, die sich nicht für eine weitere Einbindung eignen.
Weil sich so das Ziel einer Zweitverwertung der Nebeneffekte der Stromproduktion nicht verwirklichen lässt, hat sich das mittelständische Unternehmen inzwischen dazu entschlossen, ein weiteres Hessen-PIUS-Beratungsprojekt zu starten: Die Konzeption und den Aufbau eines systemisch in die Produktion integrierten Blockheizkraftwerks. Doris Süss-Schnadmann: „Wir wünschen uns schließlich eine Anlage, die beides kann: Kosten sparen und Ressourcen schonen."
Beratungsförderungsprogramm Hessen-PIUS
Das Hessische Wirtschaftsministerium fördert kleine und mittlere Unternehmen, die verstärkt auf Produktionsintegrierten Umweltschutz (PIUS) setzen möchten. Für eine umfassende Beratung können Unternehmen innerhalb von drei Jahren von der EU kofinanzierte Fördergelder in Höhe von bis zu 8.000 € (9.000 € in EFRE-Vorranggebieten) erhalten. Die Beratung wird mit maximal 400 € (450 € in EFRE-Vorranggebieten) pro Tag gefördert; insgesamt sind maximal zehn Beratungstage je Projekt möglich. Das Beratungsprogramm wird vom RKW Hessen koordiniert und von der Aktionslinie Hessen-Umwelttech der Hessen Agentur unterstützt.
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