Schnell liefern bei kleinem Lagerbestand
Schlanke Prozesse beschleunigen Produktion und Logistik in der Pharmabranche
Arzneimittelhersteller müssen stets sehr kurzfristig lieferfähig sein - und lösen das Problem traditionell über üppig gefüllte Warenlager. Nicht selten müssen Bestände dann aber vernichtet werden, weil sie abgelaufen sind oder die Aufmachung sich geändert hat. Mit Methoden des Lean Management können Arzneimittelhersteller nun die gesamte Wertschöpfungskette flexibler und effizienter machen - und die Lagerbestände um mehr als 30% senken. Dank kürzerer Durchlaufzeiten in der Produktion liefern sie dennoch sofort. Und genau das, was ihre Kunden haben wollen.
Die Unternehmen der Pharma-Branche müssen jederzeit den Nachschub mit lebenswichtigen Impfstoffen, Antibiotika oder Herz-Kreislauf-Medikamenten sicherstellen können. Dies gelingt den Arzneimittel-Herstellern traditionell, indem sie die Lager großzügig mit Vorräten füllen - bei manchen Präparaten könnte die Produktion fast ein ganzes Jahr still stehen, bevor die Lieferreserve zur Neige geht.
Auf diese Weise fällt es kaum ins Gewicht, wenn der Vertrieb sich verkalkuliert und zu viele Chargen eines Medikaments vom Band gelaufen sind. Oder wenn sich die Produktion einer Arznei verzögert. So werden auch die Auswirkungen einer geringen Gesamtanlagenverfügbarkeit der Maschinen (Overall Equipment Effectiveness - OEE) abgefangen, die häufig unter 40% liegen - die Produktionsanlagen in anderen Branchen wie der Automobilindust-rie erreichen dagegen mehr als 90%.
In der Vergangenheit waren die Gewinnmargen hoch genug, um all das in Kauf nehmen zu können. Die Kosten für Produktentwicklung und Marketing standen im Vordergrund und stellten die Ausgaben für Produktion und Logistik bei weitem in den Schatten. Doch der Wettbewerbsdruck steigt auch für Pharmafirmen. Regierungen weltweit wollen die Gesundheitskosten senken und drängen auf niedrigere Arzneimittelpreise. Die Hersteller reagieren - sie versuchen Lieferkette und Produktion effizienter zu organisieren.
Optimierung der Arbeitsabläufe
Dafür bieten sich die Prinzipien des „Lean-Management" an, bei dem Arbeitsabläufe in Unternehmen auf das Wesentliche reduziert und so erheblich effizienter werden. Die Unternehmensberatung Porsche Consulting hat darin viel Erfahrung, schließlich hat das Lean Management seine Wurzeln in der Automobil-Produktion.
Inzwischen wendet Porsche Consulting die Methode auch erfolgreich auf Prozesse in der Pharmaindustrie an. Dabei verfolgen die Lean-Management-Profis einen ganzheitlichen Ansatz: Sie fangen im Innern des Unterneh-mens an, bei einzelnen Produktionsschritten, und erweitern die Analyse dann schrittweise nach außen, bis hin zu Lieferanten und Kunden.
Die Potenziale sind enorm: In der Medikamentenproduktion etwa lassen sich Maschinen bis zu 40% schneller von einer Arznei auf eine andere umrüsten. Dazu nehmen Berater und Produktionsmitarbeiter die Rüstzeiten unter die Lupe und optimieren gemeinsam die Abläufe: indem sie z.B. möglichst viele Arbeitsschritte erledigen, solange die Maschine noch läuft (externes Rüsten). Zudem kann der Personaleinsatz in der Produktion um bis zu 30% reduziert werden: Dies erreicht man, indem Maschinenbediener mehrere Anlagen gleichzeitig bestücken und die Arbeit einem vorher genau ausgeklügelten Takt folgt.
Auch der Transport von Rohmaterial und Verpackungen ans Band lässt sich schlanker organisieren: Pharmafirmen müssen oft nur die Hälfte der Vorprodukte direkt in der Produktion lagern, wenn immer nur das an die Maschinen angeliefert wird, was tatsächlich gerade gebraucht wird. So müssen die Hauslogistiker der Pharmahersteller bis zu 80% weniger Material zurückgehen lassen. Der nächste Schritt, nachdem Medikamente produziert und verpackt sind, ist die Qualitätskontrolle. Hier heißt schlank vor allem schnell. Pharmahersteller müssen normalerweise mit üppigen Reserven im Warenlager arbeiten, weil die Freigabe einer Charge bisweilen länger dauert.
Mit Hilfe von Lean Management sinken die Durchlaufzeiten in der Qualitätskontrolle, und die Unternehmen können die Bestandsreichweiten genau um die eingesparten Tage der Qualitätskontrolle-Durchlaufzeit herunter fahren.
Verbesserung der Lieferkette
Das größte Potenzial aber liegt in der Optimierung der Lieferkette als Ganzes. Die Bestände an Rohwaren, halbfertigen Waren und fertigen Produkten lassen sich insgesamt um mehr als 30% senken. Mit Hilfe der Berater von Porsche Consulting nehmen Pharma-Produzenten dazu die gesamte Wertschöpfungskette unter die Lupe - vom Lieferanten bis zum Kunden. Und sie setzen konsequent auf das „Pull-Prinzip":
Normalerweise werden Vorprodukte in großen Mengen am Wareneingang angeliefert. Dann werden sie in möglichst großen Losen verarbeitet, um keine Zeit beim Umrüsten der Maschinen zu verlieren. Nur produzieren Pharmafirmen so nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch - sondern im Zweifel auf Halde.
Bei einer Pull-Organisation hingegen steuert der aktuelle Verbrauch, was angeliefert und produziert wird. Im Fertigwarenlager befindet sich dann nur noch ein festgelegter, geringer Bestand. Er muss genau so lange reichen, bis wieder nachproduziert und freigegeben werden kann. Hier können Pharmaproduzenten Zeit und Geld sparen, wenn sie alle Stationen, die ein Produkt auf dem Weg zum Kunden durchläuft, als Gesamtsystem betrachten. Addiert man die tatsächlich existierenden Warenmengen in der gesamten Wertschöpfungskette unter Einbezie-hung der verschiedenen Zentral- und Konsignationsläger, dann reicht der Bestand oft enorm viel länger vor, als nötig wäre.
Festlegen des Produktionsrhythmus
Um diese überflüssigen Reserven abbauen zu können, müssen die Durchlaufzeiten in Produktion und Qualitätskon-trolle kalkulierbar werden. Ansonsten könnte es zu Lieferengpässen kommen. Als nächstes wird ein Produktions-rhythmus festgelegt: Jedes Medikament wird fortan in einer konstanten Frequenz in festgelegter Reihenfolge produziert. Das funktioniert über das sogenannte „Rüstrad". Zunächst untersuchen die Porsche-Berater mit den Kundenmitarbeitern, in welcher Reihenfolge verschiedene Produkte über dieselbe Maschine laufen müssen, damit die Rüstzeiten möglichst kurz sind. So ergibt sich eine optimale Reihenfolge: Das „Rüstrad" dreht sich nun innerhalb eines festen Zeitraums, etwa zwei Wochen, um 360 Grad - die Reihenfolge, in der verschiedene Produkte vom Band laufen, bleibt immer gleich. Nur die Menge jedes Produkts ist variabel und wird durch die Nachfrage bestimmt.
Durch die konsequente Umsetzung dieser Prinzipien lassen sich die Bestände an Vorprodukten deutlich senken. Denn wie viele Roh- oder Halbfertigwaren gebraucht werden, bestimmt allein die Nachfrage nach dem Endpro-dukt.
Natürlich muss auch der Einkauf dann anders disponieren, und der Pharmahersteller benötigt angepasste Vereinbarungen mit seinen Lieferanten. Oft genügt es aber schon, die bestehenden Konditionen konsequent zu nutzen. Vorprodukte werden nur noch eingekauft und verarbeitet, wenn es die Nachfrage verlangt - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schließlich ist Lieferfähigkeit für die Pharmabranche besonders wichtig.
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