Anlagenbau & Prozesstechnik

Produktionshygiene

’Vorbeugen ist besser als Heilen, denn Heilen geht oft gar nicht’

26.03.2010 -

Eine kurzgefasste Definition für Hygiene lautet: „Erhaltung und Pflege der Gesundheit." Auf die Produktions- und Produkthygiene bezogen bedeutet das in erster Linie, die Produktionsanlagen in einem einwandfreien Zustand zu halten. Für das herzustellende Produkt muss gelten, es in guter Qualität an den Kunden zu liefern.

Dabei ist zu bedenken, dass sich auf und in allen Materialien Bakterien und Pilze befinden können. Ist Wasser vorhanden, können Mikroorganismen dort wachsen und Schleimbeläge bilden, die heute Biofilm genannt werden. Eine Folge sind oft unerwünschte Materialveränderungen, die den Produktionsprozess stören können. Oft finden sich die Mikroorganismen aber auch im Endprodukt und führen zum Verderb, ohne dass man die Bakterien und/oder Pilze mit bloßem Auge sehen kann.
Deshalb ist ein gutes Monitoring notwendig, um mögliche Schwachpunkte im Hygieneregime frühzeitig zu erkennen. Auch hier gilt: „Vorbeugen ist besser als Heilen, denn Heilen geht oft gar nicht." Deshalb ist es erforderlich den Produktionsprozess, die mikrobiologischen Einflussfaktoren, die Reinigungs- und Desinfektionsverfahren sowie die eingesetzten Konservierungssysteme sehr gut zu kennen, um im Schadensfall die Ursachen herauszufinden und Abhilfemaßnahmen einzuleiten.
Das wiederum fordert die Mitarbeit aller beteiligten Personen mit dem nötigen Sachverstand in konzertierter Aktion, wobei z.B. der Betriebsingenieur, der Maschinenführer, der Qualitätsbeauftragte, der Entwicklungschemiker und ein Mikrobiologe zusammenarbeiten müssen. Oft kann es auch sinnvoll sein, einen externen Sachverständigen einzubinden, um die manchmal vorhandene „Betriebsblindheit" auszuschalten.
Sind nun aber trotz der vorhandenen Hygienemaßnahmen Probleme aufgetaucht, sind kriminalistisches Geschick und Erfahrung nötig. Eine genaue Beschreibung des Schadenbildes ist dabei sehr hilfreich. Aus diesem Grund sollen nachfolgend zwei Fallstudien dargestellt und mögliche Ursachen erörtert werden.

Fallstudie 1

Bei einem Lohnhersteller von Kosmetika werden auf 5 von 12 Produktionslinien Salben hergestellt. Die Produktion findet im 3-Schicht-Betrieb statt. Die produzierten Präparate sind auf 3 der 5 Linien mikrobiologisch einwandfrei. Das stellt auch die mikrobiologische Qualitätskontrolle des eigenen Betriebes fest. Berechtigte Reklamationen von Kunden gibt es nicht.
Jedoch traten in den kosmetischen Produkten der 2 anderen Linien selten Verkeimungen auf, die aber nicht durch die eigenen mikrobiologischen Kontrollen erkannt wurden. Die Reklamationen kamen immer von den Händlern der Kosmetika und den Verbrauchern. In letzter Zeit häuften sich diese Fälle und die eigene Qualitätskontrolle stellte sehr vereinzelt Kontaminationen fest, obwohl alle Produkte ausreichend konserviert wurden. Nun stellten sich u. a. folgende Fragen:

  • Was könnte die Ursache für das vereinzelte Auftreten der Verkeimung sein?
  • Wie findet man diese Ursache heraus?
  • Was kann man zur Lösung dieser Problemstellung tun?

Nach kurzem intensiven Vorgespräch mit dem Maschinenführer, dem Herstellungsleiter und der Mitarbeiterin der mikrobiologischen Qualitätskontrolle wurden die Linien dem Produktionsfluss folgend mit dem externen Kollegen abgegangen. Es stellte sich heraus, dass bei den Reinigungsarbeiten die Pumpen nicht berücksichtigt werden, weil man davon ausging, dass Pumpengehäuse nicht zu öffnen sind. Die Pumpen wurden nun doch geöffnet und zeigten sehr starke, mit bloßem Auge sichtbare Schleimbeläge. Diese „Schleimbatzen" gerieten durch den Produktfluss sporadisch in die Gebinde. Deshalb konnten nur vereinzelt in den Endprodukten Bakterien nachgewiesen werden. Abhilfe konnte dadurch geschaffen werden, dass die Reinigung und Desinfektion der Innenräume der Pumpen nunmehr regelmäßig erfolgt. Diese Maßnahmen wurden auch in den Reinigungs- und Desinfektionsplan aufgenommen und nach den Regeln des hauseigenen Qualitätsmanagements dokumentiert.

Fallstudie 2

Der Leiter der Anwendungstechnik einer Firma, die technische Konservierungsmittel entwickelt und vertreibt, erhält von einem Kunden folgende Reklamation: In unsere 100 g-Tuben, in die eine Öl-in-Wasser-Emulsion eingefüllt wird, passen nur noch ca. 92 g. Wir gehen davon aus, dass ihr Konservierungsmittel versagt hat und anaerob wachsende Bakterien Gas gebildet haben, wie wir mikroskopisch feststellen konnten.
Diese Rezeptur wurde vor einiger Zeit im Konservierungsbelastungstest in der Abteilung „Technische Mikrobiologie" geprüft. Das Ergebnis wurde mit „mikrobiologisch stabil" bewertet.
Folgende Fragen sind nun in diesem Fall zu beantworten:

  • Welche Konzentration des chemischen Konservierungsmittels ist in der Emulsion vorhanden?
  • Welche anaeroben oder fakultativ anaeroben Bakterien konnten möglicherweise bei der mikrobiologischen Qualitätskontrolle nicht gefunden werden?
  • Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, damit wieder 100 g Produkt in die Tuben gefüllt werden können?

Nachfolgend nun die Antworten:

  • Das Konservierungsmittel war noch, wie die Analytik zeigte, in der korrekten Konzentration im Produkt vorhanden. Die Soll-Konzentration betrug 0,15 % Gew.-%.
  • Die mikroskopische Beobachtung im Labor zeigte im Präparat viele ungleich große Gasblasen. Der Nachweis anaerober Bakterien war negativ.
  • Die Nachfrage bei einem Besuch der Produktionsstätte ergab, dass die Rohstoffe im Kessel stark gerührt werden mussten, um die Verteilung der Einzelsubstanzen im Präparat sicher zu stellen. Nach dem Rührprozess wurde laut Herstellungsanweisung evakuiert, um die eingerührte Luft aus dem Produkt wieder zu entfernen. Anschließend wurde das Material in 200-L-Fässer gegeben und zur Abfülllinie in einen recht weit entfernten Bereich der Produktionshalle transportiert. Durch inquisitorisches Nachfragen des externen Anwendungstechnikers stellte sich heraus, dass die Fässer dorthin gerollt wurden und nicht, wie vorgeschrieben, mit dem Hubwagen transportiert wurden. Die zuvor entfernte Luft wurde also durch das Rollen wieder ins Produkt eingebracht.
  • Die Lösung des Problems war die Schulung der Mitarbeiter mit den oben genannten Erläuterungen und die noch präzisere Fassung der vorhandenen Arbeitsanweisungen.

Fazit

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass nicht immer mikrobiologische Probleme für die Ursachen von Schäden verantwortlich sind. Auch deshalb sollten keine Ferndiagnosen gestellt werden. Per Telefon sind nur Vermutungen anzustellen, die verbunden mit gezielten Fragen zur Problemlösung beitragen können. Oft ist allerdings eine Begehung vor Ort nötig.

 

Produktionshygiene - Leitfaden zur korrekten Hygiene in der chemisch-pharmazeutischen sowie der Lebensmittel- und Kosmetik-Industrie, 18. Mai 2010, Frankfurt/Main (Kurs: 891/10)

Leitung: Dr. Holger Brill

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